2. Liga:Alex köpft! Alex schießt!

04 02 2019 xtgx Fussball 2 Bundesliga FC St Pauli 1 FC Union Berlin emspor v l Alex Meier

Alex Meier unterwegs - mit einem beeindruckenden Luftstand für einen 36-Jährigen.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Ein Abend wie aus dem Drehbuch: Nach 16 Jahren gibt Stürmer Meier sein Heimspiel-Comeback auf St. Pauli - und beglückt den Zweitligisten mit zwei Toren.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Das Drehbuch wäre wohl von einer Film-Produktionsfirma als zu kitschig abgelehnt worden: Ein 36-jähriger Profi, der nach fast 16 Jahren zurückkehrt zu seinem Klub und in seinem ersten Heimspiel zwei Tore zum 3:2-Sieg schießt - das letzte Tor als Clou per Elfmeter in der Nachspielzeit. Aber manchmal passiert genau das, was sich sonst nur Hardcore-Fans in ihrer Fantasie vorstellen. Zum Beispiel am späten Montagabend, als Alexander Meier mit seinen ersten Toren für den FC St. Pauli nach 5783 Tagen Abwesenheit den glücklichen Sieg für die Hamburger gegen Union Berlin perfekt machte. Der Kiezklub ist nun zumindest bis Freitag (dann steht beim 1. FC Köln das nächste Spitzenspiel an) Tabellenzweiter - drei Punkte hinter dem Stadtrivalen Hamburger SV.

In diesem Augenblick hatten die ausflippenden Pauli-Anhänger keinen Zweifel mehr, dass sie fortan zwei "Fußball-Götter" in ihren Reihen haben: den treuen Jan-Philipp Kalla, der seit 14 Jahren für die Braun-Weißen kickt, und eben den Rückkehrer Meier, diese Ehrenbezeichnung in 14 Jahren bei Eintracht Frankfurt erspielte. Und was sagte Meier, nachdem er groß gefeiert worden war? "Ich bin kaputt und froh, dass ich solange durchgehalten habe und gesund bin." Kein Wunder, es war seine erste Partie über 90 Minuten nach sehr langer Zeit. Vor 16 Monaten, als er zuletzt regelmäßig für die Eintracht nominiert war, spielte er meist nur wenige Minuten. Dass Meier jetzt in den entscheidenden Momenten noch auf dem Rasen war, hatte er dem Gespür von Pauli-Trainer Markus Kauczinski zu danken, der auf Meiers Stärke bei Standards setzte und Recht bekam.

Die erste Meier-Szene passierte in der 62. Minute. Da zirkelte Marvin Knoll einen Eckball vor das Union-Tor und weder Florian Hübner (1,91 Meter) noch Marvin Friedrich (1,92) konnten in diesem Moment beweisen, dass sie das beste Innenverteidiger-Paar der Liga sind, wie manche Experten glauben. Sie konnten den 1,96-Mann nicht daran hindern, den Ball mit seiner Stirn im Tor unterzubringen. Das war der Grund, weshalb St. Paulis Manager Uwe Stöver im Dezember um die Verpflichtung des einstigen Frankfurter Torjägers gekämpft hatte: Meier steht fast immer richtig und selbst große Gegenspieler tun sich schwer, ihn im Luftkampf zu stoppen.

Die zweite Meier-Szene hatte der eingewechselte Berliner Suleiman Abdullahi (der selbst zum Held hätte werden können, weil er kurz zuvor das 2:2 erzielte) auf dem Gewissen. Der Außenstürmer zupfte Christopher Buchtmann an der Strafraumecke gerade so, dass dieser zu Fall kam. Der sonstige Elfmeterschütze Knoll, der schon wegen des wilden Kampfes mit Krämpfen zu tun hatte, fragte: "Alex, willst du schießen?" Meiers Antwort: "Kein Problem!" Und genau so problemlos schickte Meier Union-Keeper Rafal Gikiewicz in die falsche Ecke.

Die Berliner waren über weite Strecken die bessere Mannschaft und deuteten mit ihrer Schnelligkeit und Bissigkeit an, was die Berliner Morgenpost kürzlich so beschrieben hatte: "Der Klub sehnt sich mindestens so innig nach der Bundesliga wie die Stadt Berlin nach einem modernen Flughafen." Und nach dem 2:0 für die Hamburger kamen sie in nur 85 Sekunden mit Toren von Grischa Prömel (84.) und Abdullahi (86.) so zurück, dass Fußball-Gott Meier sogar ein drittes Union-Tor befürchtete. Das fiel aber nicht, weil den Berlinern die "Effizienz" fehlte, wie Trainer Urs Fischer bemängelte. Schon vor der Pause ließ Union manche Groß-Chance liegen.

Stattdessen wies bei St. Pauli nicht nur Meier eine solche Effizienz nach. Sami Allagui gelang mit einem 25-Meter-Schuss in den Winkel das 1:0 für St. Pauli - es war in der 23. Minute die erste Chance für die Gastgeber. Fortan stemmte sich die anfangs überforderte Defensive der Hamburger mit "Herz und Moral" dem Gegner entgegen, wie Kauczinski analysierte.

Und noch etwas hatte Fischer an dem ansonsten "sehr guten" Auftritt seiner Elf zu beanstanden: die fehlende Geduld, notfalls auch mit einem Punkt zufrieden zu sein. Am Schluss hätten es seine Spieler "etwas übertrieben" beim Versuch, doch noch zu gewinnen. Aber Fischers Versuch, die Profis zur Mäßigung in den letzten Minuten aufzufordern, sei vergeblich gewesen: "Die Jungs hören mich nicht in dieser Atmosphäre", klagte er. Das Millerntorstadion war bei dieser "emotionalen Achterbahnfahrt" (St. Paulis Verteidiger Daniel Buballa) so aufgeheizt wie ein Konzertsaal bei einem Auftritt der "Toten Hosen".

Übrigens: Jan-Philipp Kalla, den anderen Fußball-Gott, hat die Darbietung seines neuen Konkurrenten nicht überrascht. Er hatte zwar geglaubt, Meier habe seine Karriere schon beendet. Im Training habe er aber gemerkt: "Er hat noch immer den Killerinstinkt." Deshalb kann St. Pauli weiter im Aufstiegskampf mitmischen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: