Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Wenn sich die Mannschaft verweigert

Lesezeit: 3 min

Lange hat Club-Sportvorstand Dieter Hecking dem Trainer Robert Klauß den Rücken gestärkt, das desolate 0:3 gegen Karlsruhe war aber auch für ihn ein Tiefpunkt zu viel. Ein Nachfolger soll schon gefunden sein.

Von Sebastian Leisgang und Christoph Ruf

Nach dem Schlusspfiff beklatschten die KSC-Fans im Block O2 noch lange ihr Team. Sie taten das stehend, weshalb der einzige Mann, der sitzen blieb und mit ernstem Blick ins Leere schaute, noch mehr auffiel. 18 Stunden später verkündete Nürnbergs Sportvorstand Dieter Hecking die Freistellung von Trainer Robert Klauß. Und die konnte eigentlich niemanden überraschen, der am Vortag den desolaten Auftritt der Nürnberger Mannschaft beim 0:3 in Karlsruhe und das Mienenspiel der Verantwortlichen um Hecking, Sportdirektor Olaf Rebbe und Aufsichtsratschef Thomas Grethlein gesehen hatte.

Ohne jede Gegenwehr hatte sich der FCN in Karlsruhe vorführen lassen und nicht einmal nach dem ersten Gegentreffer den Eindruck erweckt, als gedenke man sich dem Lauf der Dinge entgegenzustemmen. "Die Art und Weise, wie die Mannschaft in Karlsruhe, aber auch schon in einigen Spielen zuvor aufgetreten ist, war nicht akzeptabel", sagte Hecking am Montag. Zweieinhalb Jahre lang hatte er dem jungen Coach, mit dem er sich oft austauschte, immer wieder den Rücken gestärkt. Zum einen, weil er überzeugt davon war, dass es dem stets fiebrigen Verein guttun würde, Kontinuität nicht nur zu predigen, sondern ausnahmsweise auch zu praktizieren. Und zum anderen, weil Klauß tatsächlich in zwei, drei schwierigen Phasen die richtigen Antworten fand. Nun, nach dem desaströsen Auftritt in Karlsruhe, konnte Hecking zu keinem anderen Urteil als die mehr als 19 000 Augenzeugen kommen. Nichts, aber auch gar nichts hatte am Sonntag darauf hingedeutet, dass dieser Trainer mit einer Mannschaft, die schon gegen Darmstadt und Braunschweig enttäuscht hatte, wieder eine Trendwende hinbekommen würde. "Das Karlsruhe-Spiel war das Spiel zu viel", sagte Hecking, der zudem von einem "orientierungslosen" Auftritt und einer "Ansammlung von Nicht-Leistungen" sprach.

Von einigen Mitspielern müsse deutlich mehr kommen, forderte Kapitän Christopher Schindler

Dabei sind die Nürnberger Verantwortlichen nicht die einzigen, die dem Team grundsätzlich eine gute Saison zutrauen. "Ich weiß genau, was ich von der Mannschaft erwarten darf und was erreichbar sein könnte, wenn alle Spieler da sind", sagte Hecking, der es bedenklich fand, dass der Kapitän öffentlich die Arbeitsmoral des Teams infrage gestellt hatte. "Wenn es Scheiße läuft, musst du aus der Komfortzone raus", hatte Christopher Schindler unmittelbar nach der Partie zerknirscht gesagt und gefordert, dass gerade von den "Spielern, die sich die erste Liga zutrauen, und denen, die das hier als Sprungbrett sehen, mehr kommen" müsse. Das klang zum einen nicht danach, als könne Klauß die Zentrifugalkräfte im Team noch eindämmen. Es klang aber auch nicht danach, als seien all ihre Probleme mit einem Trainerwechsel zu lösen.

Am Sonntag hatte Klauß noch zusehends verzweifelt versucht, sein in der ersten Halbzeit desolates Team zu beleben und es mit rudernden Armbewegungen und gutem Zureden an all das zu erinnern, was ein Fußballspiel ausmacht: Zweikämpfe zu führen, Laufwege zuzustellen, sich anzubieten, sich zu bewegen. Doch es nützte nichts: Die Club-Spieler verweigerten sich. Und so zerknirscht sie sich nach dem Spiel auch gaben: Angesichts der offensichtlichen Arbeitsverweigerung wurde man den Verdacht nicht los, dass manch einer damit auch seinen Coach bloßstellen wollte. Die drei KSC-Treffer, darunter zwei, die von den ehemaligen Nürnbergern Fabian Schleusener und Philipp Heise erzielt wurden, hätten schon in der ersten Halbzeit fallen können, der Qualitätsunterschied zwischen beiden Mannschaften war an diesem verregneten Sonntag über 90 Minuten deutlich höher, als ein 0:3 aussagt.

Sein Ziel, attraktiven Fußball mit Wiedererkennungswert spielen zu lassen, hat Klauß verfehlt

Überhaupt ist der Club auch im vierten Jahr seiner Zweitligazugehörigkeit meilenweit von jeden Aufstiegsambitionen entfernt und bleibt, gemessen an seinem Etat, mal wieder deutlich unter seinen Möglichkeiten. KSC-Coach Christian Eichner verteilte insofern unabsichtlich eine ziemliche Ohrfeige, als er feststellte, Karlsruhe und Nürnberg seien grundsätzlich "auf Augenhöhe". Das mag eine realistische Einschätzung sein, ist aber kein Kompliment für den Club, dessen Etat dann doch deutlich über dem des KSC liegt. Zumal er in seinen Reihen ein paar Spieler hat, die in dieser Liga eigentlich herausragen. Zuletzt konnte Klauß allerdings nicht immer schlüssig erklären, warum er diese zuweilen auf solch unorthodoxen Positionen einsetzte. So spielte der schnelle Mats Möller Daehli am Sonntag auf der Seite und nicht im Zentrum, wo er sowohl für St. Pauli als auch für den Club immer seine besten Spiele gemacht hat.

Derzeit rangiert der FCN vier Punkte hinter den Badenern, saisonübergreifend holte das Team nur 16 Zähler aus 18 Partien. Das alleine ist alarmierend, noch alarmierender ist die Bestandsanalyse aber, wenn man den Wunsch jedes Trainers erfüllt, nicht nur auf die nackten Ergebnisse zu schauen. In den zweieinhalb Jahren unter Klauß fiel der Club nach stärkeren Phasen immer wieder in jene unerklärlichen Löcher, wie sie auch am Sonntag wortreich beschrieben wurden. Es sind Phasen, in denen die Spieler das Fehlen der Basics anmahnen und sich neutrale Beobachter fragen, warum dieses Team nicht über drei, vier Wochen halbwegs konstanten Zweitligafußball hinbekommt. Zudem überzeugte die Nürnberger Mannschaft in den 28 Monaten unter Klauß selbst in den besseren Phasen nur selten spielerisch. Und auch das ist ein bedenklicher Befund für einen Trainer, der eigentlich attraktiven Fußball mit Wiedererkennungswert spielen lassen wollte. Einstweilen übernehmen die beiden Co-Trainer Ersan Parlatan und Frank Steinmetz das Training. Der Klauß-Nachfolger indes ist offenbar schon identifiziert und könnte noch vor dem nächsten Heimspiel gegen Kiel vorgestellt werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5667854
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.