2. Bundesliga:Was ist bloß mit St. Pauli los?

FC St. Pauli v Hertha BSC - DFB Cup

Ratlos: Christopher Avevor (rechts) und Brian Koglin vom FC St. Pauli.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Hamburg und Fußball, das ist so eine Sache: Auch Zweitligist St. Pauli ist Letzter. Trainer Ewald Lienen darf trotzdem bleiben - anders als der Sportchef.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Vergangene Woche ist beim Zweitliga-Letzten FC St. Pauli der neue Co-Trainer Olaf Janßen eingetroffen. Der vormalige Assistenzcoach des VfB Stuttgart, der nach der Trennung von Jos Luhukay zwei Spiele lang Interimstrainer war, hatte eine Taktik-Tafel dabei. Manche schlossen daraus, St. Paulis Chefcoach Ewald Lienen sei in strategischen Fragen bereits zum Adjutanten herabgestuft worden. Das wäre immerhin besser, als ganz entlassen zu werden als Verantwortlicher für Platz 18 in der zweiten Liga, meinten Lästerzungen. Doch egal, wie die Zusammenarbeit Lienen/Janßen tatsächlich aussieht: Sie hat auf die Schnelle nichts gebracht.

Am Montagabend hat der Tabellenvierte der vergangenen Saison erneut verloren, 0:1 bei den Würzburger Kickers, es war das achte sieglose Spiel hintereinander. St. Pauli liegt jetzt fünf Punkte hinter einem Nicht-Abstiegsplatz. Torwart Robin Himmelmann fand dafür nur ein Wort: "Wahnsinn!" Wenn man so weiterspiele, werde es schwer, die Klasse zu halten.

Lienen: "Wir haben es uns selber reingehauen"

Tatsächlich hatten die ohne sechs verletzte Stammspieler (Bouhaddouz, Ziereis, Sobota, Kalla, Miyaichi, Buballa) angetretenen Hamburger viel Glück, nicht schon vor der 84. Minute in Rückstand geraten zu sein. Wie dann aber das späte Siegtor für Würzburg fiel, das "passt ins Bild", klagte der verzweifelte Lienen: "Wir haben es uns selber reingehauen".

Und das kam so: Der Würzburger Peter Kurzweg bedrängte die Paulianer in deren Strafraum und brachte besonders Brian Koglin, 19, in die Bredouille. Der überforderte Verteidiger schlug den Ball nicht aus der Gefahrenzone, sondern ans Bein des Kollegen Vegar Hedenstad; von dort flog die Kugel ins Tor. Auch für Kapitän Sören Gonther war es ein "Spiegelbild der Saison - eigentlich passiert nichts und dann liegt der Ball doch im Netz".

Über die Vereinspolitik und das einst als besonders demokratisch gefeierte Präsidium wird wohl am Sonntag bei der Mitgliederversammlung verhandelt werden. Zuletzt wählte St. Pauli ja die ungewöhnliche Variante, den erfolglosen Trainer Lienen zu schonen - und stattdessen den Sportchef Thomas Meggle zu entlassen. Wobei das durchaus im Sinne der aktiven Mitglieder war, bei denen Lienen genauso populär ist wie beim gewöhnlichen Pauli-Fan. Im Dezember 2014 hatte die gerade neu gewählte Vereinsführung unter Oke Göttlich schon mal einen originellen Einfall: Es beförderte damals den als Trainer überforderten Meggle zum Sportdirektor.

Wurde zu wenig Qualität verpflichtet?

Aktuell kann Meggle nichts dafür, dass schon die ganze Saison über viele Stammspieler verletzt sind. Doch die Personalpolitik war ihm im Sommer nach den Weggängen der Leistungsträger Thy, Rzatkowski, Alushi und Maier missglückt. Den geholten, bisher unzulänglichen Ersatz hat er allerdings nicht alleine besorgt: Es sei "kein FC Meggle" gewesen, beeilte er sich kurz vor seiner Beurlaubung zu betonen.

Für den früheren Präsidenten Stefan Orth, der mit der gesamten Führung 2014 auf Betreiben des Aufsichtsrates abgelöst wurde, obwohl zumindest die Finanzen stimmten, ist die Sache klar: "Das Gesamtkonzept des neuen Präsidiums, das in großer Runde sportliche Fragen entscheidet, ist gescheitert", sagte er der Morgenpost. Wegen der wirtschaftlichen Gesundung des Klubs hätte St. Pauli durchaus mehr Geld für neue Spieler ausgeben können. Es sei "zu viel Potenzial und zu wenig verlässliche Qualität geholt worden".

Zum Gewinner in der Krise könnte Andreas Rettig werden

Auf jeden Fall soll der neue kommissarische Sportchef, Geschäftsführer Andreas Rettig, im Winter ein paar neue Spieler besorgen, damit man noch eine Chance auf den Klassenerhalt hat. Vielleicht ist Rettig ja der große Sieger der Krise. Der bisherige kaufmännische Geschäftsleiter hat nun - wie einst beim SC Freiburg, 1. FC Köln und FC Augsburg - zumindest vorübergehend auch die sportliche Macht. Mal sehen, ob Rettig das zweite Hamburger Kellerkind neben dem HSV mit seiner Expertise noch retten kann.

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