Süddeutsche Zeitung

2. Bundesliga:Geistesblitz aus 45 Metern

Lesezeit: 3 min

Zweite Niederlage im zweiten Saisonspiel: Aufsteiger Ingolstadt kassiert gegen Heidenheim ein unglückliches 1:2, auch weil dem gegnerischen Angreifer Tim Kleindienst ein Traumtor gelingt.

Von Christian Bernhard

Tim Kleindienst ist im Laufe seiner Fußballerkarriere durchaus herumgekommen. Cottbus, Freiburg, das belgische Gent; Bundesliga, zweite Liga, dritte Liga, Europa League. Selbst Champions-League-Qualifikation hat der 25-jährige Angreifer gespielt - und auch dort getroffen. Nun trägt er wieder das Trikot des 1. FC Heidenheim, und in diesem hat er am Samstag Spuren in Ingolstadt hinterlassen. Kleindienst sah am zweiten Zweitliga-Spieltag 15 Minuten vor Spielende, dass Fabijan Buntic, Torhüter des FC Ingolstadt, weit außerhalb seines Tores stand und überraschte ihn mit einem Heber aus vollem Lauf aus dem Mittelkreis. "Ich dachte mir einfach mal: Risiko gehen, kann ja nicht schaden. Wir waren gut im Flow, deshalb habe ich es einfach mal versucht", sagte er zum spektakulären Treffer aus rund 45 Metern. Teamkollege Patrick Schmidt freute sich über Kleindiensts "Geistesblitz".

Dieser tat dem FCI doppelt weh, da Schmidt 84 Sekunden zuvor ebenfalls für Heidenheim getroffen hatte. Diese zwei Tore machten Ingolstadts 1:0-Führung zunichte und bescherten den Oberbayern im zweiten Saisonspiel die zweite Niederlage, diesmal mit 1:2. Besonders bitter: Wenige Sekunden vor Kleindiensts Tor war ein Schuss von Ingolstadts Rico Preißinger an die Querlatte gegangen. "Wahnsinn, so ist Fußball", frohlockte Patrick Schmidt.

Wie schon beim 0:3 in Dresden standen die Ingolstädter erneut mit leeren Händen da - diesmal allerdings mit einem anderen Gefühl. Einem positiveren. Man habe "eine deutliche Entwicklung zum Dresden-Spiel gesehen", sagte FCI-Trainer Roberto Pätzold, der an der Seitenlinie in schwarzer Trainingshose, grauem T-Shirt und mit schwarzem Käppi auf dem Kopf sehr aktiv coachte. Das Kreieren von Strafraumszenen, die vielen Balleroberungen, die Laufleistung, das mutige Nach-Vorne-Verteidigen: all das gefiel ihm. "Und wir haben auch deutlich weniger zugelassen."

"Ich würde fast sagen, dass sie heute die bessere Mannschaft waren", lobt Torschütze Kleindienst die Ingolstädter

Heidenheims erfahrener Zweitliga-Trainer Frank Schmidt bestätigte ihn bei diesen Thesen. Der FCI habe "uns zu Fehlern gezwungen", sagte er. Seine Mannschaft habe sich von der "Aggressivität der Ingolstädter" beeindrucken lassen und hatte Probleme beim Verteidigen des 1,94 Meter großen FCI-Kapitäns Stefan Kutschke, "obwohl wir uns die ganze Woche darauf eingestellt hatten". Kleindienst applaudierte dem Aufsteiger ebenfalls: "Ich würde fast sagen, dass sie heute die bessere Mannschaft waren."

Bis 17 Minuten vor Schluss sah es auch nach einem FCI-Sieg aus. Filip Bilbija hatte die Hausherren in Minute 59 nach schönem Zusammenspiel mit Merlin Röhl in Führung gebracht, entscheidenden Anteil am ersten Ingolstädter Zweitligatreffer seit mehr als zwei Jahren hatte Marc Stendera, der schon in der eigenen Hälfte die Situation vorausahnte und einen Freistoß schnell, weit und präzise ausführte. "Absolut verdient" sei das 1:0 gewesen, fand sogar Heidenheim-Trainer Schmidt. Der Doppelschlag von Patrick Schmidt (73., schöne Volleyabnahme) und Kleindienst (75.) machte die FCI-Hoffnungen allerdings zunichte.

Schmidt hatte bereits vor der Partie die fehlende Ingolstädter Erfahrung in der Defensive thematisiert. Beim entscheidenden Treffer kam diese erneut zum Tragen: Maximilian Neuberger, 21, schlug über den Ball, ehe Kleindienst einen auf Patrik Schick machte. Neuberger bestritt sein zweites Zweitligaspiel überhaupt und war am Samstag einer von fünf Ingolstädter Spielern, die nicht älter als 22 Jahre waren. "Wir haben eine junge Mannschaft, die sich heute gesteigert hat und noch weiter steigern wird", betonte Pätzold.

Ganz frische Erfahrung brachte Denis Linsmayer ins Team. Nur einen Tag nach seiner Verpflichtung stand der 29-Jährige bereits in der Startelf der Schanzer, das Trainerteam hatte ihm die Spielabläufe im Schnelldurchlauf in Einzel- und Videoanalysen nähergebracht, ehe er zusammen mit Stendera dem FCI-Spiel im Mittelfeldzentrum Struktur gab und seine Zweikampfstärke einbrachte. Als "sehr lautstarken und kommunikativen" Spieler, der "viele Drucksituationen lösen konnte", lobte ihn Pätzold. Auch offensiv fiel Linsmayer schnell auf: Sein Schuss aus elf Metern nach schöner Ablage von Dennis Eckert Ayensa ging über das Gäste-Tor, da er im Moment des Abschlusses in Rücklage geraten war (34.). Nach 63 Minuten endete Linsmayers FCI-Premiere. "Sehr turbulent" sei sein Kaltstart gewesen, sagte er. Er könne mit seiner Leistung zufrieden sein, "aber wir hätten deutlich mehr verdient gehabt." Gegen den FC Erzgebirge Aue soll am 9. August in der ersten DFB-Pokalrunde die Belohnung folgen.

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