Zweite Bundesliga:Im Watschelgang zum Unentschieden

FC Ingolstadt 04 - 1. FC Nürnberg

Wieder mal kein Stürmertreffer: Hier trifft Manuel Schäffler (gegen FCI-Verteidiger Nico Antonitsch und Keeper Fabijan Buntic) das Tor nicht.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Auch dank der helfenden Grätsche von Sommerugang Denis Linsmayer trennt sich der FC Ingolstadt 0:0 vom 1. FC Nürnberg. Die Franken hadern weiter mit ihrem größten Problem der jungen Saison - der mangelnden Durchschlagskraft.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt

Ein lautes "Woooaaah!", dieses schallende Raunen, das vermag im Fußball eine gesamte Saison zu wenden. Denn wenn eine ganze Horde Fans raunt, dann muss zuvor etwas nahezu Unvorstellbares passiert sein, etwas, das in der Sprache der Fußballer "Kräfte freisetzen" kann, sie in Hochstimmung für künftige Aufgaben versetzt. Da trifft es sich ganz gut, dass der FC Ingolstadt 04 im Zweitliga-Nachbarschaftsduell mit dem 1. FC Nürnberg nach einem bislang miserablen Saisonstart einen Moment dieser Hochstimmung erlebte.

Die begeisternde Szene ereignete sich allerdings vor dem eigenen Tor: In der 38. Minute hatten die Nürnberger die größte Chance des Spiels, Tim Handwerker schoss nach einem Pass von Mats Möller Daehli aus halblinker Position im Strafraum aufs lange Eck. Der herausgestürmte FCI-Torwart Fabijan Buntic war bereits geschlagen, doch dann grätschte der Sommer-Zugang Denis Linsmayer ins Bild. Er wehrte den Ball vor der Torlinie ab, Buntic packte ihn sich. Unter dem "Woooaaah!" der Fans ballte "Linse", wie ihn sein Coach Roberto Pätzold nannte, seine Faust. Er bekam Szenenapplaus und ein Lob vom Trainer - der FCI und der FCN trennten sich auch deswegen 0:0.

Als entscheidend erweisen sich zwei Wechsel in der Ingolstädter Innenverteidigung

Und es passte zudem gut ins Bild, dass sich Linsmayers Tat im ersten Pflichtspiel der beiden Teams seit der Relegation im Juli 2020 ereignete. Damals sicherte sich der Club mit einer noch viel stimmungsexplosiveren Aktion durch Fabian Schleuseners Tor in letzter Sekunde den Zweitliga-Klassenverbleib im Sportpark. Bei der Rückkehr brüllten die 250 Nürnberger Fans gleich früh: "Hier regiert der FCN!" Die 3200 Ingolstädter wollten ihnen erst mal wenig entgegensetzen.

Auf dem Rasen war das Bild andersherum: Da bestimmte der FCI sein 200. Sportpark-Pflichtspiel seit der Eröffnung 2010. Als entscheidend erwiesen sich dabei zwei Wechsel in der Innenverteidigung: Statt Maximilian Neuberger, 21, und Thomas Keller, 22, die in den ersten Partien stellenweise Probleme hatten, verteidigten die etablierten 29-jährigen Nico Antonitsch und Nils Röseler. Letzterer kam erst am Dienstag vom SV Sandhausen, gewann am Sonntag aber dann seine Kopfballduelle und coachte das Team prompt von hinten heraus. "Wir haben es dadurch geschafft, noch kompakter zu stehen", sagte Pätzold. In der vergangenen Woche verlor der FCI noch 1:6 in Darmstadt. "Nach den ersten drei Spielen können wir zufrieden sein, dass wir den ersten Punkt geholt haben."

Sein eigentlicher Abwehrchef Tobias Schröck ist ja wie zehn (!) weitere Spieler verletzt. Ingolstadt stellt die längste Krankenliste der Liga - neben der manches Mal fehlenden Reife ein Grund, wieso aktuell nur Rang 17 für den Aufsteiger zu Buche steht. Zuletzt kamen Co-Kapitän Marcel Gaus und der Bundesliga-erfahrene Spielmacher Marc Stendera mit Knieverletzungen dazu. Beide sollen in einigen Wochen wieder einsetzbar sein, hofft Pätzold.

"Wir hatten viel Ballbesitz, aber haben dann viel um den Block herumgespielt", klagt FCN-Trainer Klauß

Neben der Klärung der Regentschaft wollten die Nürnberger Anhänger vor dem Anpfiff auch noch den FCI-Kapitän Stefan Kutschke, der einst beim Club spielte, beleidigen. Die Rufe ließen ihn unbeeindruckt, so dass er die erste Torchance hatte: Seinen Kopfball drückte der 1,94-Meter-Mann aber neben das Tor (5. Minute). Seine Mannschaft arbeitete sich anfangs oft in den FCN-Strafraum vor, die Torschussbilanz nach einer halben Stunde: 6:1. Ehe sich dann auch Nürnberg meldete - und Handwerker Linsmayers Grätschkünste prüfte (38.). Es war die erlaubte Ausnahme der Regel, ansonsten spiegelte die Partie die Club-Saison wider: Hinten hui, vorne pfui - aktuell steht das Team bei einem Stürmertor in fünf Pflichtspielen. Der Trainer Robert Klauß war "definitiv nicht zufrieden" mit dem Remis: "Wir hatten viel Ballbesitz, aber haben dann viel um den Block herumgespielt. In Summe haben der Mut und die Risikobereitschaft gefehlt."

Immer wieder verloren seine Spieler die Bälle vorm Sechzehner. Und näherten sich später so sachte an, als lauerte ein Wildtier oder zumindest Oliver Kahn im gegnerischen Strafraum. Für eine weitere Chance musste ein 25-Meter-Abschluss des Fernschusskünstlers Johannes Geis herhalten (54.), aber Buntic zeigte dieses Mal, dass er ein solider Zweitliga-Torhüter sein kann. Dass die Ingolstädter nach Standardsituationen, ihrer Wackeldisziplin, keine Chance zuließen, war auch Buntics Verdienst.

Vorne scheiterte der Aufstiegsheld Filip Bilbija mit der besten FCI-Chance, einem 17-Meter-Schuss, an den Fingerspitzen von Christian Mathenia (68.). Als auch Fatih Kaya vom Strafraumeck schießen durfte (74.), schrie Klauß: "Die laufen alle so." Er zeigte es seinen Kollegen, er watschelte ein paar Meter vor sich hin, die Hände hielt er demonstrativ an seinen Seiten, er wollte monieren: kein Körperkontakt, kein Durchsetzungswille - die Oberbayern marschierten einige Male geradewegs durch. Doch auch sie vermochten die Partie nicht mehr auf ihre Seite zu ziehen.

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