Süddeutsche Zeitung

2. Bundesliga:Dynamo Dresden ringt um seinen Ruf

  • Nach dem Fanmarsch in Karlsruhe mit 36 Verletzten muss Dynamo Dresden aufarbeiten, wie die eigene Fanszene bei Auswärtsspielen unter Kontrolle gebracht werden kann.
  • Dazu stellt der Verein einen Maßnahmekatalog auf, der den DFB beim Verhängen des Strafmaßes beeinflussen könnte.
  • Doch der Verein versteht auch die inhaltliche Kritik der Fans am DFB.

Von Saskia Aleythe

Ein lilafarbenes Schwein schwebte einst durchs Dresdener Stadion, mit Helium befüllt und so groß, dass es Dutzenden Fans gleichzeitig die Sicht versperrte. Ende April 2016 war das, die Dresdner lachten, die Gäste aus Aue lachten, obwohl die Botschaft hinter dem violetten Grunztier eine unfreundliche war. Lila ist die Trikotfarbe der Erzgebirge-Kicker, aber gut, okay: Dass man sich in Aue und Dresden gegenseitig nicht ganz so wertschätzt, ist ohnehin klar. Schwamm drüber, übers Schwein.

Es könnte eine Szene sein, mit der man heute noch die Fanszene in Dresden verbindet, denn Randale in den eigenen Reihen gab es in der Vergangenheit im eigenen Stadion nur selten. "An Gewalt kann man das auf ein Minimum reduzieren", sagte Geschäftsführer Ralf Minge am Montag nach dem letzten Saisonspiel. Er hätte reden können über kluge Transfers oder schöne Bilanzen der abgelaufenen Saison, schließlich war sie sportlich so erfolgreich wie noch nie in der zweiten Liga: Fünfter Platz, beinahe hätte Dresden bis zum Ende um den Aufstieg mitgespielt.

Doch Minge wirkte angegriffen, denn er musste tun, was man in Dresden am meisten fürchtet: Sich für die eigene Fanszene entschuldigen, die auswärts manchmal unkontrollierbar ist. "Wir ringen um unseren Ruf", sagte der 56-Jährige, "und waren auf einem guten Weg, da ist dieser Auftritt absolut kontraproduktiv."

Aufruhr um einen Trabi

Mit "diesem Auftritt" meinte er den martialischen Aufmarsch, als am vorletzten Spieltag 1500 Dresden-Anhänger durch Karlsruhe marschierten, eingekleidet in Camouflage-T-Shirts mit der Aufschrift "Football Army Dresden", die Gesichter mit Tarnfarbe bemalt. Sie liefen und trommelten, zündeten dunkle Rauchfeuer, zweieinhalb Kilometer lang. In der ersten Reihe ein großes Transparent mit der Aufschrift "Krieg dem DFB". Dresdens kaufmännischer Geschäftsführer Michael Born bezeichnete die Aktion kurz darauf als "zum Teil beeindruckend", was ihm Unverständnis einbrachte, "zum Teil aber weit über die Grenzen hinaus und so nicht akzeptabel".

Rund um den Auftritt in Karlsruhe gab es Verletzte, dazu eine geplünderte Imbissbude. 15 Polizisten erlitten durch Böller Knalltraumata, auch zahlreiche Ordner wurden dadurch verletzt, einige andere durch einen Blocksturm im Stadion, insgesamt trugen 21 Ordner Blessuren davon. Dynamo-Fans als Schlägertrupp, diesen Ruf hatte man sich einst durch Krawalle in Pokalspielen (was sogar zum Ausschluss der Mannschaft führte) erworben - und nun wieder heraufbeschworen. "Wir haben eine einzigartige Fankultur, da liegt jetzt ein Schatten darüber", sagte Minge, der zugleich resigniert wirkte und seinen eigenen Rücktritt ins Spiel brachte: "Ich bin angetreten, den Verein weiterzuentwickeln. Wenn wir keinen Schritt weiterkommen, muss man irgendwann die persönlichen Konsequenzen ziehen."

Immer, wenn Dynamo auffällig wird, gibt es eifrige Reaktionen. Innenminister Thomas de Maiziere forderte drastische Strafen, auch Hannover-96-Boss Martin Kind schaltete sich ein. Ein Trabi, der bei dem Marsch gesichtet wurde, trug eine 88 im Kennzeichen - in rechtsradikalen Kreisen eine Symbolik für den Hitlergruß. Eine Sympathie für ausländerfeindliche Gesinnungen unterstellt man Teilen der Fanszene gerne. Geschäftsführer Born erklärte zum Trabi, es hätte sich lediglich um das Baujahr gehandelt, eine solche Symbolik missfalle dem Verein aber aus Prinzip. Von Pegida-Gründer Lutz Bachmann kursierte der Screenshot von einem Tweet mit folgenden Zeilen zum Militärmarsch: "Das ist der Osten! Das ist Dresden! Das ist Dynamo! Jungs, morgen bei Pegida?", er wollte die Sache für sich vereinnahmen. Eine Reaktion darauf lieferten die Fans beim darauffolgenden Heimspiel mit eindeutiger Botschaft. "Halt's Maul, Bachmann", prangte auf einem meterlangen Plakat im Fanblock.

In einer Stellungnahme distanzierte sich die Ultra-Bewegung zudem zusätzlich von rechtsextremen Tendenzen. "Unsere Mottofahrt hatte niemals das Ziel, Menschen zu verletzen", schreiben die Verfasser und wollen den Marsch losgelöst von den gewaltvollen Szenen rund ums Stadion sehen und allein als Protest gegen den DFB. So einfach ist die Sache dann aber doch nicht.

Was hätte den Auftritt in Karlsruhe verhindern können?

Der Verein weiß, dass er Signale an den DFB senden muss, die zeigen: Wir unternehmen etwas, um das Problem in den Griff zu bekommen. Man distanzierte sich von den jüngsten Ausschreitungen, gleich einen ganzen Maßnahmekatalog stellte Born am Montag vor, die sich um Auswärtsfahrten drehen: Einen Zuschlag auf die Tickets, personalisierte Eintrittskarten, keine Dauerkarten für Auswärtsspiele für Mitglieder von Ultragruppierungen. Auch sei zu überlegen, das Catering geschlossen zu halten, wofür Dynamo Ausgleichszahlungen leisten würde.

Doch hätte das den unschönen Auftritt in Karlsruhe verhindert? Der Fanmarsch spielte sich vorm Stadion ab, dass die dort schon auffälligen Dynamo-Anhänger dann noch ins Stadion gelangten, fand sogar Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zweifelhaft. Er sagte der Heilbronner Stimme: "Ich kann schon verstehen, dass sich viele Bürger fragen, warum die Kollegen hier nicht eingegriffen haben." Personalien wurden von der Polizei auch nicht aufgenommen. Sanktionen des Vereins gegen konkrete Personen werden somit unmöglich. "Wir können von unserem Hausrecht Gebrauch machen und Stadionverbote aussprechen, den Dialog forcieren, doch formal-juristisch sind uns absolute Grenzen auferlegt", sagte Minge.

Das Strafmaß des DFB dürfte nicht gerade milde ausfallen. "Dieser militärische Anstrich ist eine neue Komponente", meinte Hans E. Lorenz, Vorsitzender des Sportgerichts, das könne das Strafmaß beeinflussen. "Kriegsbemalung, Kriegsrhetorik und Gewalt gehören nicht zum Erscheinungsbild unseres Vereins", sagte Dynamo-Präsident Andreas Ritter. Wobei der "Krieg dem DFB"-Schlachtruf kein neuer ist, seit Jahren kursiert er in den Ultragruppierungen des Landes. Am Wochenende schlossen sich etliche Fanszenen mit entsprechenden Transparenten den Dynamo-Fans an: In Nürnberg, Magdeburg, Bochum, bei Hertha BSC, im Gästeblock von Bayer Leverkusen, Hansa Rostock und Hannover 96 - und das sind noch nicht alle.

Für viele Fans sind gerade die intransparenten Strafen des DFB das Problem. Was der Verband für Strafen gegen Pyrotechnik und Co. verhängt, erscheint als willkürlich, weil es dafür keinen Bußgeldkatalog gibt (in dem nun auch der Eintrag "Militärlook" fehlt). Bei allem Entschuldigen für die Art und Weise des Aufmarsches zeigte die Dresdner Vereinsführung auch Verständnis für die inhaltliche Kritik am DFB. Und über das lila Schwein im Dresdner Fanblock konnte am Ende damals nur einer nicht lachen: Der DFB sanktionierte die Aktion mit einer Geldstrafe von 20 000 Euro.

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