2. Bundesliga:1860 kracht in den Abgrund

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Hängende Köpfe bei Abdoulaye Ba (li.) und Michael Liendl (re.) vom TSV 1860 München. (Foto: dpa)
  • Beim TSV 1860 München herrscht die Angst vor dem Drittliga-Abstieg.
  • Nach dem 1:2 gegen Bochum kann sich der Klub nicht mehr aus eigener Kraft retten.

Von Markus Schäflein

Investor Hasan Ismaik hatte einen Termin in Los Angeles und fehlte daher beim vermeintlichen Saisonhöhepunkt in Fröttmaning. "Für mich ist das eine große Strafe", ließ er über Facebook mitteilen. Allerdings mussten sich am Ende die 40 300 Menschen vom Fußballgott gestraft fühlen, die den Sonntag beim Heimspiel gegen den VfL Bochum verbrachten, in dem sich der TSV 1860 München den Klassenverbleib endgültig sichern wollte.

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Am Ende befanden sich die Löwen stattdessen völlig unerwartet auf dem Relegationsplatz. Wie versteinert stand ihr Trainer Vitor Pereira nach dem Schlusspfiff minutenlang am Spielfeldrand und sah zu, wie die Spieler ihre Gesichter hinter den Händen oder den Trikots versteckten und die Maskottchen Sechzger und Sechzgerl mit ihrem frohgemuten Gesichtsausdruck durch die Enttäuschten irrlichterten.

Es war ja nicht nur das eigene 1:2, das die Münchner in die missliche Lage brachte, die Rettung ausgerechnet am letzten Spieltag nicht mehr aus eigener Kraft schaffen zu können, sondern auch das zeitgleiche 6:0 (!) von Arminia Bielefeld gegen den Tabellendritten (!) Braunschweig - Bielefeld auf Platz 15 hat nun ebenfalls 36 Punkte, aber ein um fünf Treffer besseres Torverhältnis. "Wir sind sehr wütend, weil wir heute eine Riesenchance hatten", erklärte Torwart Stefan Ortega.

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Und dass die Löwen diese Chance unbedingt ergreifen wollten, war offenbar Teil des Problems. "Ich versuche immer, Spiele taktisch zu erklären", sagte Pereira und referierte über zu große Räume zwischen den Linien, gab dann aber doch einen Kommentar zur mentalen Lage ab: "Wir wollten zu viel, wir waren zu eifrig." In der Tat hatte seine Mannschaft nach dem 2:1-Sieg in Dresden diesmal den Eindruck gemacht, dass sie "die Sache schnell erledigen" wollte, wie es der Trainer formulierte: "Wir hatten zu wenig Geduld."

Das nutzten die Bochumer, die bereits gesichert waren. Anthony Losilla traf per Kopf die Unterkante der Querlatte (2.), auch danach blieb der VfL - insbesondere über die linke Seite mit dem früheren Sechziger Peniel Mlapa - gefährlich. Während den Löwen wenig einfiel und noch weniger gelang, köpfelte Mlapa erst knapp übers Tor (27.) und traf dann zum 0:1, als ihn Johannes Wurtz in Szene gesetzt hatte und 1860-Torhüter Stefan Ortega seinen strammen Schuss auf die Tormitte nicht parieren konnte (31.).

Die Löwen lagen hinten, zeitgleich führte Bielefeld 2:0 gegen Braunschweig - "Dritte Liga, Sechzig ist dabei", sangen die mit den Bayern-Fans befreundeten Bochum-Anhänger. Abdoulaye Ba beendete die musikalische Einlage vorübergehend mit einem wuchtigen Kopfballtreffer nach Flanke von Michael Liendl zum 1:1 (34.). Ortega parierte noch einen Versuch von Mlapa (42.), dann war Pause.

Danach drängten die Löwen die Bochumer, angefeuert vom lautstarken Publikum, wie erwartet vehement in deren Hälfte - nun schien doch noch klar zu werden, welche Mannschaft die Punkte dringender brauchte. Bis auf ein paar Distanzschüsse von Maxi Wittek, der den gesperrten Marnon Busch ersetzte, wurde es aber nie gefährlich. "Bis zum Sechzehner haben wir uns gut durchkombiniert, aber dann waren wir nicht zwingend genug", meinte Wittek. Beim Blick auf die Tabelle durften sich die Löwenfans freuen, immerhin noch vor Bielefeld zu stehen - bis nach einem Konter der eingewechselte Tom Weilandt den zweiten Treffer für die Bochumer erzielte (79.).

Kurz vor Schluss hatten die Gäste dann noch Glück, dass Schiedsrichter Patrick Schlager ein Handspiel von Tim Hoogland ungeahndet ließ (90.+2). Die Spieler waren, wie Ortega berichtete, von den Ergebnissen auf den anderen Plätzen nie unterrichtet gewesen; den einen Punkt nicht zu riskieren, der das Abrutschen auf den Relegationsplatz verhindert hätte, sei nie Teil des Plans gewesen - regelrechtes Unverständnis riefen solche Überlegungen bei Ortega hervor: "Wenn du so eine Chance hast wie wir heute, spielst du auf Sieg. Wir haben verloren, weil wir mit offenem Visier gespielt haben."

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Nun lauten die Pläne für die Partie am letzten Spieltag in Heidenheim: "Diese Woche noch mal zusammenraufen, nicht lang nachtrauern und am Sonntag unser bestes Saisonspiel raushauen" (Wittek) bzw. "da hinfahren, drei Punkte holen und hoffen, dass die anderen mitspielen" (Levent Aycicek). Wenn Ismaik nicht mehr in Los Angeles tätig ist, wird er vielleicht ein weiteres deutsches Städtchen kennenlernen.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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