2. Bundesliga:1860-Investor Ismaik sucht Respekt

13 12 2014 Fussball 2 Bundesliga 2014 2015 17 Spieltag TSV 1860 München Karlsruher SC in der A

Gegen die 50+1-Regel: Ismaik bittet die Fans um "ihre Stimme". Was er damit genau meint, lässt er allerdings offen.

(Foto: M.i.S/Imago)
  • 1860-Investor Hasan Ismaik verblüfft mit einer Medienkampagne, die er in England und Deutschland fährt.
  • Dem Jordanier fehlt offenbar der Respekt in Deutschland, deswegen will er lieber in England in einen Verein investieren.
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Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Tag, als Hasan Ismaik in einem Londoner Hotel erstmals einen konkreten Preis für seine Anteile am TSV 1860 München ansprach, saß neben einigen deutschen Journalisten auch ein englischer Journalist mit im Raum. Warum ihn Ismaik zu dem Termin geladen hatte, war zunächst nicht ganz klar; der jordanische Investor entschuldigte sich mehrmals bei dem Engländer, dass ihn seine Ausführungen über den Giesinger Fußball-Zweitligisten wohl nicht sonderlich interessieren würden. Der aber berichtete, er werde bald eine größere Story veröffentlichen - in drei Tagen wisse man mehr.

Inzwischen ist klar, was Ismaik ihm und anderen englischen Medienvertretern seitdem erzählte. "Gesucht: Milliardär will Verein in der Premier League. Jordanischer Tycoon Hasan Ismaik in Gesprächen mit zwei Teams", titelte rund um Weihnachten die Daily Mail, auch der Telegraph berichtete, und prompt wurden Gerüchte laut, der Investor des TSV 1860 München sei ganz konkret an einem Einstieg beim Premier-League-Klub FC Everton interessiert. "Aufgrund der Probleme, die wir in Deutschland haben, bereuen wir es schon etwas, dass wir nicht nach England gegangen sind", wurde Ismaik zitiert. "Wir wollen das nun nachholen und einen Verein kaufen in diesem Land, in dem Fußball so aufregend ist. Wir wollen auch dorthin gehen, wo wir mehr Respekt entgegen gebracht bekommen."

Ismaik vermisst den Spaß

Respekt vermisst Ismaik in Deutschland vor allem deshalb, weil er trotz seiner Investitionen von angeblich 38,3 Millionen Euro nicht das alleinige Sagen über Sechzig hat; gemäß der 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hat der Verein stets die letzte Entscheidung. Wer in Fußball investiere, wolle "in allererster Linie Spaß haben", sagte Ismaik - den hat er bei Sechzig aus seiner Warte vor allem wegen 50+1 selten bis nie gehabt. Mit zwei englischen Erstligisten und zwei Zweitligisten sei Ismaik in Gesprächen, war zu lesen. Bis er auf der Insel einsteige, könne es "einen Monat oder auch drei Jahre" dauern.

All diese Dinge hätte Ismaik auch in jenem fünfstündigen Gespräch den Münchner Journalisten erzählen können. Stattdessen aber ließ er seine Liebeserklärung zum britischen Fußball in englischen Medien verbreiten - und versah die Informationen offenbar noch mit einer dreitägigen Sperrfrist. Ismaiks Kampagne lief in zwei Episoden ab: Zunächst wurde in Deutschland darüber berichtet, wie unzufrieden er mit seinem Investment in München sei. Dann wurde in England darüber berichtet, wie glücklich er mit einem Investment in England wäre.

Man darf davon ausgehen, dass auch letztere Nachricht an Leser in Deutschland gerichtet war; in jedem Fall blieb die Meldung über Ismaiks Unzufriedenheit mit dem TSV 1860 und der erträumte Verkaufspreis (38,3 Millionen Euro) eine Woche lang - und auch über die Feiertage - im Gespräch. Flankiert wurde all dies von Ismaiks Drohung, dass er seiner eigenen Fußballfirma nicht länger die zum Überleben notwendigen Kredite gewähren wolle.

Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass der millionenschwere Unternehmer beim Kauf des TSV 1860 dachte, dass es nur ein paar Monate oder Jahre dauern würde, bis die 50+1-Regel fallen würde. Womöglich wurde ihm das auch so von seinen Beratern wie dem Investmentbanker Hamada Iraki angekündigt. Darauf deutet eine Klausel im Kooperationsvertrag hin, der der SZ vorliegt. "Für den Fall, dass es zum Wegfall [. . .] der 50+1-Regelung und der damit verbundenen Ausnahmeregelung kommt, streben die Vertragspartner eine [. . .] Übernahme weiterer Anteile/Aktien des TSV 1860 e.V. durch die HAM an."

1860 so stark machen wie Manchester City oder Chelsea

Die DFL-Regel ist bis heute, vier Jahre nach Ismaiks Einstieg, nicht gefallen, und die Vorkommnisse bei den Löwen sind ganz im Gegenteil Wasser auf die Mühlen derjenigen, die sie bewahren wollen. "Reicht es der DFL nicht zu sehen, was geschehen ist?", fragt sich Ismaik. "Verdiene ich nicht ein bisschen Respekt dafür, dass ich so viel Geld in die Liga investiert habe? Ich könnte alles dafür tun, dass 1860 so erfolgreich wird wie Chelsea, Manchester City. Das geht aber nicht, weil in Deutschland die Gesetze so schwierig sind."

Wäre Ismaiks Hoffnung aufgegangen, wäre also die 50+1-Regel gefallen, hätte sich selbstredend der Wert der 1860-KGaA sprunghaft erhöht. Womöglich hoffte er, einen Acker zu kaufen, bevor er Bauland wird. Das allerdings passierte nicht, und offenbar dämmerte es Ismaik, dass es auch in absehbarer Zeit nicht passieren wird. Umso seltsamer mutet es an, dass er die Gelegenheit zu einem Verkauf von 1860 zu hervorragenden Konditionen unlängst nicht annahm: 18 Millionen Euro hatte eine Münchner Familie für Ismaiks Anteile geboten, die er einst für 15 Millionen erwarb und die aufgrund des rapiden sportlichen Absturzes in der Zwischenzeit an Wert sogar deutlich verloren haben.

Ismaik träumt von Demonstrationen

Wollte Ismaik wirklich einen englischen Klub kaufen, wäre seine öffentliche Ankündigung nicht besonders geschickt und seine Verweigerungshaltung beim Verkauf des TSV 1860 noch weniger zu begreifen. Vielleicht hat er seine Hoffnung, Sechzig und den deutschen Fußball zu verändern, ja wirklich noch nicht aufgegeben. In der Autorisierung der Zitate von London ließ Ismaik noch anmerken: "Wichtiger Hinweis: Es wurde nichts wiedergegeben über seinen Aufruf an die Fans, eine Kampagne zur Rettung von 1860 ins Leben zu rufen!" Diese Kampagne soll letztlich zum Ziel haben, dass die Fans gegen 50+1 demonstrieren. Schon vor Jahren träumte Ismaik davon, "eine Turnhalle mit Fans zu füllen", um sie hinter sich zu bringen. Für die Anhänger bei Sechzig, die in dieser Frage auf seiner Seite stehen, braucht er nach Stand der Dinge allerdings keine Turnhalle. Eine Umkleidekabine würde reichen.

Vorstellbar ist es daher auch, dass Ismaik seine kuriose Kampagne vor allem erdachte, um den bevorstehenden Anteilsverkauf zu rechtfertigen. Es geht längst auch darum, dass der Jordanier sein über Jahre hinweg merkwürdiges Verhalten bei Sechzig erklären und sein Ansehen in der globalen Geschäftswelt wahren muss. Und die weiß nun endgültig, dass Hasan Ismaik wahrlich wundersame Dinge widerfahren sind in der schlimmen Welt des investorenfeindlichen Fußballdeutschlands.

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