Süddeutsche Zeitung

2:3-Niederlage in Manchester:Aussetzer beim Betriebsausflug

Der FC Bayern verliert trotz zwischenzeitlicher Führung bei Manchester City sein erstes Champions-League-Spiel in dieser Saison. Agüero erzielt beim 3:2 alle drei Treffer gegen die Münchner, die nach einem Platzverweis für Benatia lange in Unterzahl spielen müssen.

Der FC Bayern hat am Dienstag in Manchester seine letzte Chance auf den Einzug in die K. o.-Runde der besten 16 europäischen Teams verpasst. Auswärts bei Manchester City gab es ein bitteres 0:6 für die Münchner, es war bereits die vierte Niederlage im fünften Gruppenspiel - der Uefa Youth League. Die U19-Junioren bekamen gleich zweimal Anschauungsunterricht: Nach der Niederlage vor ein paar Hundert Zuschauern auf der Sportanlage Ewen Fields von Hyde, östlich von Manchester, durften sie im Etihad Stadium den Profis in der Champions League zusehen - und sich noch einmal wundern: Der FC Bayern unterlag Manchester City 2:3 (2:1), statt des fünften Siegs im fünften Gruppenspiel gab es die erste Niederlage. Doch die großen Münchner standen ja schon vorher als Gruppenerster fest, längst hatten sie den Einzug ins Achtelfinale gesichert.

Bankett mitnehmen, Mund abwischen und heimfliegen - viel mehr bleibt nicht von dieser letzten Auslandsreise 2014, deren tiefere Bedeutung sich nur betriebswirtschaftlich veranlagten Menschen innerhalb der Bayern-Belegschaft erschloss, also beispielsweise Karl-Heinz Rummenigge, der nicht nur Vorstandsvorsitzender der AG ist, sondern auch gelernter Bankkaufmann und somit argumentierte, dass für den Gewinner eine Million Euro vom Verband ausgeschüttet werden und es zudem um wichtige Punkte im Uefa-Ranking gehe. Da aber kaum noch ein Fußballprofi eine solide Banklehre absolviert, wird man mit solchen Argumenten nur schwer Gehör finden. Wie also sollten sie sich motivieren bei dieser Reise, die offiziell nicht als Betriebsausflug deklariert werden durfte?

Bastian Schweinsteiger beispielsweise zeigte schon vor dem Anpfiff, wie wichtig es ihm ist, wieder dabei zu sein, und wie vielfältig er sich inzwischen aufstellt: Am Samstag, beim Comeback nach 132 Tagen, war er für die großen Gefühle zuständig, fürs Herz und für die lustigen Boxeinlagen mit Bernie, dem bärigen Maskottchen; hier nun in Manchester zeigte er sein Talent als Torwart, auf dieser Position bieten sich beim FC Bayern derzeit ja notgedrungen auch für Quereinsteiger wie den Praktikanten Heinz Müller überraschende Perspektiven.

Der Torwart Schweinsteiger jedenfalls, so ist es in einem You-Tube-Filmchen des FC Bayern vom Dienstag dokumentiert, hielt beim Anschwitzen am Mittag sechs von acht gezeigten Schüssen, und auch wenn er zuweilen wie ein Basketballer den Ball zu fangen versuchte, so zeigte er doch Fortune und Leidenschaft, selbst auf der Reservebank, wo er nach 25 Spielminuten eine durchaus wichtige Aufgabe hatte: Er nahm Sebastian Rode freundschaftlich in den Arm.

Rode nämlich, der sich so viel vorgenommen hatte, wurde früh zum Feierabend genötigt, ein taktischer Wechsel, den er seinem Mitspieler Benatia zu verdanken hatte. Der Verteidiger holte in der 20. Minute Sergio Agüero von den Beinen, das Foul wurde mit einem Elfmeter bestraft, den der Gefoulte zum 1:0 einschoss - und obendrein mit einer roten Karte für Benatia.

Trainer Pep Guardiola brachte also Dante für Rode, und dieser Wechsel rentierte sich schon 18 Minuten später, als Dante Manchesters Mauer bei einem Freistoß derart nachhaltig irritierte, dass Xabi Alonsos Flachschuss an der Mauer der Gegner vorbei im rechten Toreck landete - ein schönes Geschenk, das sich der Spanier da an seinem 33. Geburtstag selbst bereitete, der Auftakt zur Wende, noch vor der Pause gingen die Gäste in Führung: Querpass Ribéry auf Boateng, der marschierte nach vorne, Flanke auf Lewandowski, der sich gegen zwei Mann durchsetzte und per Kopf/Schulterball den unglücklich postierten City-Torwart Joe Hart überlistete.

Trocken und humorlos drehten die Bayern mit einem Mann weniger das Spiel, nach einer Stunde wiesen die Statistiker 63 Prozent Ballbesitz aus für die Zehn in Unterzahl, und kaum jemand hätte noch ein Pfund darauf gesetzt, dass die Engländer zurückkehren sollten ins Spiel.

Alonso mit folgenschwerem Fehlpass

Erst recht nicht, als Bastian Schweinsteiger hineinkam, im Ernstfall eben doch nicht als Torwart. In der 77. Minute feierte der Weltmeister sein internationales Comeback, er kam für Ribéry. Und plötzlich kippte das Spiel erneut, doch dies hatte nichts zu tun mit Schweinsteigers Rückkehr, er fand sich solide ein - sondern mit unerklärlichen Aussetzern ausgerechnet der verlässlichsten und arriviertesten Bayern der Saison. Erst ist es Xabi Alonso, ausgerechnet Alonso, der beste Münchner der letzten Wochen - ihm unterläuft im Mittelfeld ein folgenschwerer Fehlpass, Jovetic spielt auf Agüero, der sprintet davon und trifft aus 13 Metern.

Und dann ist es Boateng, der souveränste Abwehrspieler der letzten Wochen: Ihm rutscht der Ball unbedrängt durch, wieder ist Agüero zur Stelle, der Argentinier erzielt sein drittes Tor, das 3:2 für Manchester City, das jetzt wieder alle Chancen hat aufs Achtelfinale. Und die Bayern? Nahmen das Unerklärliche gefasst zur Kenntnis. "Es ist ganz einfach, wir machen zwei Fehler. Aber wir können auch stolz sein, ich muss der ganzen Mannschaft ein Riesen-Kompliment machen. Wir haben uns ja nicht versteckt", sagte Arjen Robben. Gut gespielt, den Gegner zu zehnt im Griff gehabt - bis zu jener 85. Minute, als Xabi Alonso das erste wirkliche Missgeschick im Bayern-Dress unterlief.

"Wir hatten alles unter Kontrolle", sagte der Spanier, "dann kamen diese beiden Fehler - das war etwas ganz Verrücktes." Oder vielleicht doch nur das wenig folgenschwere Ende eines letztlich unbedeutenden Betriebsausflugs. "Es war nur ein Testspiel", sagte Torschütze Robert Lewandowski, "und wir haben gut gespielt." Gegen diese Wertung könnte allenfalls ein Betriebswirt Einwände vorbringen.

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SZ vom 26.11.2014/schma
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