2:2 gegen den VfB:Pluspunkt Darmstadt

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Dauerläufer, Sprachrohr und auch Torschütze: Darmstadts Peter Niemeyer (M.) (Foto: Eibner/imago)

Die Lilien legen gegen Stuttgart einen leidenschaftlichen Auftritt hin. Das Remis soll vor allem moralisch für die kommenden Wochen im Abstiegskampf helfen.

Von Frank Hellmann, Darmstadt

Eigentlich hatte Peter Niemeyer nicht vor, im zugigen Bereich unter der Haupttribüne noch langatmige Statements abzugeben. Schließlich hatte der Mittelfeldspieler des SV Darmstadt seinen gerade drei Jahre alt gewordenen Sohn Leonard mitgebracht, der ständig am väterlichen Arm zerrte. Mit geduldigem Zureden beim Filius schaffte es der 32-Jährige, seine Einschätzung zum 2:2 (1:2) gegen den VfB Stuttgart aufzusagen. "Wir hätten auch gewinnen können. Ein Dreier wäre mal schön gewesen, denn nur mit Unentschieden könnte es eng werden."

Darmstadts Dauerläufer und Meinungsbildner gab damit die allgemeine Gefühlslage rund ums Stadion am Böllenfalltor wieder. Immenser Aufwand, nicht angemessener Ertrag. "Wir haben gefühlt zu wenig bekommen. Das war unser bestes Heimspiel der Saison", bilanzierte Trainer Dirk Schuster, der den Aufsteiger jedoch auf dem richtigen Weg wähnt, obgleich Darmstadt weiter auf den zweiten Heimsieg seit einem 2:1 gegen Werder Bremen im September vergangenen Jahres wartet. Schuster mochte sich nicht grämen: "Wir hatten die Stuttgarter am Rande einer Niederlage. Mit Leistungen wie diesen werden wir auch in Zukunft noch punkten, das versuchen wir nun nächsten Samstag beim HSV."

Kramny: "Darmstadt war dem 3:2 näher als wir."

Der VfB Stuttgart empfängt dann den FC Bayern - und sollte bis dahin eine Stilfrage klären. "In Darmstadt ist eine andere Art von Fußball gefordert. Es kommt kein richtiges Spiel zustande - und wir haben es nicht geschafft, uns auf diesen Stil einzustellen, außer unseren Kampfgeist auszupacken", analysierte Sportdirektor Robin Dutt. VfB-Trainer Jürgen Kramny war denn auch so ehrlich und sagte: "Darmstadt war dem 3:2 näher als wir."

Kollege Schuster verbuchte derweil einen Pluspunkt für die Moral einer nimmermüd' kämpfenden Mannschaft. "Wir haben hier ein Fundament und eine Basis gelegt. Das wollen wir jetzt krönen." Für einen Klub, der als "designierter Absteiger gehandelt und mit Tasmania Berlin verglichen wurde" (Schuster), scheint die Ausgangslage im sich zuspitzenden Überlebenskampf tatsächlich so schlecht nicht. Der 48-Jährige: "Alles kann, nichts muss - aber wir werden alles versuchen, um am 14. Mai feiern zu können."

Der leidenschaftliche Auftritt der Darmstädter legte die Schlussfolgerung nahe, dass die psychologische Ausgangslage besser als bei manch einem Konkurrenten ist. Denn wie dozierte der auch außerhalb des Platzes enorm selbstbewusste Torjäger Sandro Wagner? "Wir können und dürfen in der Bundesliga bleiben - die anderen müssen. Ich habe in anderen Vereinen gespielt, wo dieser Druck viel größer ist. Ich glaube, unsere harte Arbeit wird belohnt." Und Wagner, der nach einem katastrophalen Fehlpass von Serey Dié beim 1:0 seinen zwölften Saisontreffer erzielte (26.), hatte noch einen Vorschlag zu machen : "Wir sollten mal den Antrag stellen, nur zweimal 40 Minuten zu spielen."

Genickschlag, Tiefschlaf, Sonntagsschüsse

Denn abermals kassierte der widerspenstige Underdog am Ende einer Halbzeit einen Doppelschlag, "der sich wie ein Genickschlag anfühlte", wie Schuster sagte. Der "zweiminütige Tiefschlaf vor der Pause", wie es Kapitän Aytac Sulu formulierte, genügte den Schwaben, um in Windeseile den Rückstand zu drehen. Erst enteilte der flinke Linksaußen Filip Kostic seinem überforderten Gegenspieler Florian Jungwirth und Kapitän Christian Gentner drosch das Spielgerät volley per Aufsetzer ins lange Eck (45.). Dann legte Artem Kravets in seiner besten Szene nach Kostic' Flankenwechsel per Kopf zurück und diesmal nahm Lukas Rupp den Ball direkt - fertig war die Halbzeitführung (45. + 1). "Zwei Sonntagsschüsse, da war nichts zu machen", sagte Darmstadts machtloser Torwart Christian Mathenia.

Seine leidenschaftlich kämpfenden Vorderleute schlugen im zweiten Durchgang mit ihrer - neben Wagners Torinstinkt - stärksten Waffe zurück: einer Standardsituation. Nach Freistoß von Mario Vrancic konnte Niemeyer zum 2:2 einköpfeln, weil VfB-Keeper Przemyslaw Tyton sich völlig falsch verhielt. Erst zwei Schritte vor, dann drei zurück - so ließ sich der Gegentreffer nicht vermeiden (51.). Immerhin machte der polnische Schlussmann seinen Fehler wieder gut, als er nach einem Pfosten-Kopfball von Luca Caldirola reflexartig seinen Fuß ausstreckte, um den Niemeyer-Nachschuss über die Latte zu lenken (84.). "Kompliment, wie er den Ball hält", lobte der Darmstädter Vorzeigeprofi. Dann beugte er sich herunter, wickelte ein Stück Tapeband vom Stutzen und reichte es seinem Sohn, der nach einem Pflaster verlangt hatte. Wegen eines Kratzers am Finger.

© SZ vom 03.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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