2:1-Sieg des FC Bayern:BVB Richtung Abstiegskampf gedrängt

FC Bayern München - Borussia Dortmund

Jérôme Boateng (re.) im Kopfballduell mit Pierre-Emerick Aubameyang.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Dortmund kriege irgendwann die Kurve, sagte Bayern-Boss Rummenigge vor dem Spiel. In München verhindern dies Lewandowski und Robben. Dem BVB droht der Absturz auf Rang 17.

Aus dem Stadion von Claudio Catuogno

Wahrscheinlich hatte Karl-Heinz Rummenigge es einfach nur nett gemeint. Ist ja auch wirklich nicht leicht: alle zwei Wochen wieder ein Grußwort fürs Stadion-Magazin zu verfassen. Alle zwei Wochen wieder das stolze, siegesgewisse "Mia san mia" transportieren - aber trotzdem ein freundlicher, höflicher Gastgeber sein. Wenn dann Borussia Dortmund zu Besuch kommt, ist das schon eine besondere Herausforderung. Und wenn dann, wie im Topspiel am Samstagabend, Borussia Dortmund auch noch als Tabellen-15. zu Besuch kommt: Tja, was schreibt man da? "Ich empfinde wegen der Lage in der Tabelle überhaupt keine Häme", schrieb Rummenigge. "Das ist für mich auch nur ein Momentum." Und ganz generell sei er "davon überzeugt, dass Borussia Dortmund irgendwann die Kurve kriegt".

Wahrscheinlich kann es nur gönnerhaft klingen, wenn der Vorstandsboss des Tabellenersten den Tabellen-15. begrüßt, der sich doch eigentlich vor der Saison fast auf Augenhöhe wähnte - der aber nach neun Spieltagen schon 14 Punkte Rückstand als Hypothek mit sich herumschleppte und zum Beginn des Spiels sogar auf Platz 16 abgerutscht war. Am Samstag saß der Verfasser des Grußworts dann auf seinem Ehrenplatz in der Münchner Arena, und bis kurz vor Spielschluss musste er fürchten, dass er Recht behalten sollte, nur anders als vermutet: dass nämlich Borussia Dortmund gleich hier und jetzt die Kurve kriegen würde. 41 Minuten lang lag der BVB in Führung durch einen Treffer von Marco Reus (31.). Ehe Robert Lewandowski (72.) und Arjen Robben per Foulelfmeter (83.) doch noch den Münchner 2:1 (0:1)-Sieg herausschossen.

Am Sonntag könnte Dortmund auf Platz 17 durchgereicht werden

"Dortmund - zweite Liga", sangen sie im Münchner Fanblock. Und auch wenn das dann doch eine eher unrealistische Perspektive ist angesichts der Qualität dieser Elf: Vor dem Anpfiff war Dortmund tatsächlich vom 15. auf den 16. Tabellenplatz abgerutscht. Und wenn am Sonntag der SC Freiburg in Köln gewinnen sollte, geht es für die Dortmunder sogar noch weiter hinab. Anders als "Abstiegskampf" kann man das dann nicht mehr nennen. "Kurve gekriegt" jedenfalls nicht.

Bayern gegen Dortmund. In den vergangenen vier Jahren war das immer das heißeste Duell des deutschen Fußballs, in allen Wettbewerben. Man kennt sich, man nervt sich - und inzwischen redet man vor allem übereinander, kaum noch miteinander, weil nach diversen Scharmützeln einfach keiner mehr Lust hat auf gemeinsame Mittagessen an den Spieltagen. So war es auch diesmal: Die Debatten um einen möglichen Reus-Wechsel im kommenden Sommer hatten die Gemüter erhitzt. Mal wieder.

Und doch kamen die Dortmunder diesmal als Überraschungsgast. Die Frage war ja: Welcher BVB würde sich hier in München vorstellen? Der völlig verunsicherte Bundesliga-BVB, der vor dieser Partie in München sechs seiner neun Ligaspiele verloren hatte? Oder der BVB im Champions-League-Modus, der in Europas Königsklasse seine Tabelle anführt mit neun Punkten und 9:0 Toren, und der in dieser Saison noch kein Flutlicht-Spiel verloren hat?

Die Antwort darauf dauerte keine zehn Minuten. Die erste Chance der Bayern nach fünf Minuten: Ein Angriff über rechts, Robben auf den in den Strafraum gelaufenen Lahm, der mit der Hacke zurück auf Robben - den Schuss des Niederländers lenkt Roman Weidenfeller gerade noch über die Latte. Die erste Chance der Dortmunder: Ein Angriff über links, Shinji Kagawa mit der Hacke auf den heranstürmenden Henrikh Mkhitaryan, kein Münchner kann folgen - der Schuss des Armeniers streift den Pfosten. Lattenkante hier, Außenpfosten da - in der Sprache des Fußballs gesprochen war das wohl ein Beginn "auf Augenhöhe".

Ausgerechnet Reus erzielt das Dortmunder Führungstor

Die Dortmunder machten den Bayern den Spielaufbau so schwer wie möglich. Durch frühes Anlaufen - und indem der Dortmund-Japaner Shinji Kagawa den München-Spanier Xabi Alonso quasi am Bayern-Strafraum in Manndeckung nahm. Statt wie sonst Alonso die Spieleröffnung anzuvertrauen, mussten die Münchner Verteidiger häufig auf Umwegen um ihn herumspielen.

Und dann nahm dieses intensive Spiel nach einer halben Stunde eben so richtig Fahrt auf mit einer dieser Geschichten, von denen der Fußball gerne behauptet, dass nur er sie schreibt. Ein Abwurf des BVB-Keepers Roman Weidenfeller, ein Hackentrick von Pierre-Emerick Aubameyang auf Henrikh Mkhitaryan, der spielt den Ball wieder in den Lauf von Aubameyang, der wiederum flankt aus vollem Lauf auf Reus. Kopfball aus zehn Metern, 0:1 (31.). Zwischenfazit in der Fußball-Sprache: "Ausgerechnet Reus!"

Bisher, das musste man sagen, ging die Taktik des BVB-Trainers Jürgen Klopp ziemlich gut auf.

Unzählige Gelegenheiten hatten die Münchner allerdings trotzdem, vor allem Robben und Thomas Müller spielten die Dortmunder Defensive regelmäßig schwindelig. Womöglich auch deshalb sah der Bayern-Trainer Pep Guardiola keine Veranlassung, all seine Pläne über den Haufen zu werfen, wie er das ja sonst häufig tut. Er schob lediglich seine Abwehrreihe etwas weiter nach vorne. Guardiola vertraute der identischen Formation wie beim 7:1 kürzlich beim AS Rom: mit Medhi Benatia, Jérôme Boateng und David Alaba in der Dreierkette - und Mario Götze in der Spielgestalter-Rolle. Jedenfalls bis zur 70. Minute, dann musste Götze nach einem insgesamt blassen Auftritt Franck Ribéry weichen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte alleine der unglaublich agile Müller ein halbes Dutzend Großchancen nicht im Tor untergebracht; die allergrößte in der 38. Minute, als er alleine vor dem BVB-Schlussmann dessen Oberarm anschoss. Robert Lewandowski wiederum traf - auch aus kürzester Distanz -Weidenfellers Standbein (51.).

Mats Hummels verletzt sich und wird wohl Wochen fehlen

Dortmund musste in der zweiten Halbzeit ohne Mats Hummels auskommen, der verletzungsbedingt in der Kabine geblieben war. Jürgen Klopp berichtete: "Er ist hoch gesprungen, aufgekommen, hat große Schmerzen gehabt. Sieht nicht gut aus." Der Dortmunder hatte Schmerzen an der Stelle, an der er schon mal einen knöchernen Bänderausriss hatte. Eine Diagnose stand am Abend noch aus, eventuell wird der Verteidiger aber Wochen fehlen. Der Nationalspieler fehlte im Spiel zunächst hinten als Stabilisator, aber auch in der Spieleröffnung.

Der Alonso-Beschatter Kagawa wurde in der 71. Minute entkräftet ausgewechselt. Dann dauerte es nur noch Sekunden, ehe den Bayern der Ausgleich gelang. Einen Steilpass von Ribéry lenkte der (für Hummels gekommene) Neven Subotic unglücklich in den Lauf von Lewandowski. Der nutzte die Verwirrung und schickte den Ball ohne Umwege ins Tor (72.). Und etwas später verhakten sich Subotic und Ribéry im Strafraum: Arjen Robben verwandelte den Elfmeter sicher zum 2:1 (85.). Jürgen Klopp bilanzierte leise: "Es ist zwar hart, weil wir viel investiert, die beste erste Halbzeit seit langem gespielt und trotzdem nichts bekommen haben. Daran haben wir zu knabbern, auch wenn der Druck irgendwann zu groß wurde und die Niederlage nicht unverdient war." Tatsächlich schaffte es Dortmund in der zweiten Hälfte fast überhaupt nicht mehr, den Ball zu behaupten, geschweige denn Chancen herauszuspielen. Klopps Gegenüber Pep Guardiola hob die Rolle eines Eingewechselten heraus: "Franck Ribéry hat uns nach seiner Einwechslung sehr geholfen."

Um es mit Karl-Heinz Rummenigge zu sagen: Der FC Bayern hatte gerade noch mal die Kurve gekriegt. Hier und jetzt. Auf dem Platz.

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