1899 Hoffenheim beim FC Bayern:Demirbay, der Zaubertorschütze

Bayern Muenchen v TSG 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Ruhig am Ball, gute Übersicht, unermüdlich im Stören des Gegners: Der Hoffenheimer Kerem Demirbay, hier im Zweikampf mit Mats Hummels.

(Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Beim FC Bayern gelingt Hoffenheims Kerem Demirbay ein spektakulärer Treffer - ob dieser hilft, eine unangenehme alte Geschichte vergessen zu machen?

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Für Kerem Demirbay sind das bewegte Tage. Gerade hatte er aus dem Fachmagazin kicker erfahren, dass die Entscheidung gefallen sei und er nun für die türkische Nationalmannschaft spiele. So erklärte es der Mittelfeldspieler jedenfalls in der Münchner Arena. Und fügte hinzu: Die ganze Sache sei "eine Ehre für mich. Aber entschieden ist noch nichts." Mehr wollte er über diese skurrile Geschichte nicht sagen.

Sein Verein TSG Hoffenheim hatte zuletzt im Internet eine Liste mit Nationalspielern veröffentlicht, die nun für ihre Länder unterwegs seien. Darunter: Kerem Demirbay, für die Türkei am 12. November gegen Kosovo. Problem: Demirbay hat gar keinen türkischen Pass. Der 22-Jährige hat wohl eine Anfrage vom türkischen Verband erhalten, schließlich soll seine Mutter über die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft verfügen und sein Vater nur über die türkische. Für den Filius einen Pass zu besorgen, dürfte also eine Formalie sein. Wenn er denn möchte.

Warum die Türken Kerem Demirbay gerne in ihrer Auswahl sehen würden, zeigte der in München. Ruhig am Ball, gute Übersicht, unermüdlich im Stören des Gegners. Er war wie zuletzt häufiger ein Garant für einen selbstbewussten, technisch guten Auftritt seiner Mannschaft, die nach dem am Ende glücklichen 1:1 beim Tabellenführer weiterhin in der Bundesliga ungeschlagen ist. Auch, weil Demirbay nach einer guten Viertelstunde ein Zaubertor gelang.

"Und so habe ich den Ball mit links reingeknallt"

Hinten hatte er noch selbst das Pressing des FC Bayern überspielt, den eigenen Angriff eingeleitet, der wenig später vorne bei Nadiem Amiri ankam. Weil dieser von den Münchnern überhaupt nicht behelligt wurde, konnte Amiri auf den heraneilenden Demirbay warten. "Nadiem spielt ihn überragend rein, und so habe ich den Ball mit links reingeknallt", beschrieb der Torschütze. Die Kugel steckte links oben im Winkel. 1:0. Beim großen FC Bayern.

Der Hoffenheimer Plan war in diesem Moment perfekt aufgegangen. Trainer Julian Nagelsmann sollte später erklären: "Bayern München ist mit Ball die wohl gefährlichste Mannschaft in Europa. Entweder verteidigst du dagegen hinten mit Mann und Maus. Oder du versuchst, hoch zu pressen und schnell selbst in Ballbesitz zu kommen." Nagelsmann entschied sich zunächst für Letzteres und brachte damit die Münchner mehr in Bedrängnis, als es ihnen lieb war. Der Hoffenheimer Mut führte zu einem offenen Spiel. Allerdings nur 30 Minuten lang.

Der liebe Gott hilft Hoffenheim

Danach merkten die Frischlinge im vorderen Tabellendrittel, wer ihnen da gegenüber stand. Die Dynamik und Schnelligkeit von Arjen Robben und Douglas Costa, die Spielintelligenz von Mats Hummels und Thiago, Einwechselspieler wie Thomas Müller und David Alaba - Hoffenheim musste sich immer weiter zurückziehen. Der schöne Plan des Trainers griff nicht mehr. Steven Zuber traf bei einer verunglückten Rettungsaktion zum Ausgleich ins eigene Netz. Bayern hatte am Ende 21 Torschüsse. "Wir mussten uns mehr und mehr aufs Verteidigen besinnen", sagte Nagelsmann. Demirbay drückte es etwas herber aus: "Am Ende haben wir sehr dreckig verteidigt."

Hoffenheim läuft in München mehr als jeder andere Gegner bisher

Auch das hätte nichts genutzt. Doch "der liebe Gott hat die Pfosten etwas nach innen gedrückt", erklärte Nagelsmann. Die Bayern hatten am Ende durch Hummels und Müller zweimal die Torstangen getroffen. Dadurch durften sich die Gäste über einen Punkt freuen und der junge Trainer darf weiterhin mit Schwung an seinen Ideen feilen und sich über "Leidenschaft, Siegeswillen und Charakter" seiner Spieler freuen. Laut dem TV-Sender Sky liefen diese am Samstag in München so viel wie kein anderes Team in dieser Saison (123 Kilometer).

Sein spektakuläres Tor hilft Kerem Demirbay wohl auch dabei, eine alte Geschichte vergessen zu machen. Noch im Trikot von Fortuna Düsseldorf hatte er eine gelb-rote Karte von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus kommentiert mit: "Ich finde, Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen." Für diesen Spruch wurde er vom DFB dazu verurteilt, als Schiedsrichter ein Mädchenfußballspiel zu pfeifen. Er kam dem Urteil nach, erschien allerdings im Designermantel und feinen Schuhen zum Spiel, was ihm die nächste Kritik einbrachte.

Nun also nach Istanbul zu seinem ersten Länderspiel? Ungewiss. Gewiss scheint hingehen nach den Eindrücken in München, dass sich so oder so sowohl der 22-jährige Mittelfeldspieler wie auch sein Verein auf eine sportlich schöne Zukunft freuen dürfen.

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