Stadion des TSV 1860 München:Dem Löwen eine Heimat

Sechziger-Stadion

Die Präsentation der Umbau- und Sanierungspläne für das Stadion an der Grünwalder Straße, die das Architekturbüro Albert Speer + Partner 2019 vorgelegt hat. Grafik: AS+P Albert Speer + Partner GmbH

Sechzig klopft an die Tür zur zweiten Liga - aber nicht mehr an die Eingangstore der Arena, obwohl sie den Klub viel Geld gekostet hat. Wenn die Stadträte entscheiden, was in Giesing passiert, sollten sie auch nach Fröttmaning blicken.

Kommentar von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Trainer Michael Köllner hat die Lage beim TSV 1860 München vor der anstehenden Fußball-Drittligasaison treffend analysiert: "Wenn man Vierter wird, dann kann man in der nächsten Saison nicht sagen, wir wollen Zehnter werden." Vor allem nicht, wenn die Mannschaft, die den Aufstieg knapp verpasst hat, zusammen bleibt, punktuell noch verstärkt wird und im Trainingslager eine Wanderung macht, um das Gefühl am Gipfelkreuz zu erleben.

Viel hätte nicht gefehlt, und sie hätten alle gemeinsam vor Vorfreude gejodelt. Erstmals nach dem Abschied aus der zweiten Bundesliga und aus der Allianz Arena 2017 klopfen die Löwen also wieder lautstark an die Tür zu Liga zwei. An die Eingangstore zum Fröttmaninger Fußballtempel klopfen sie hingegen nicht mehr - der ist mittlerweile in Rot-Weiß gekleidet und FC-Bayern-gebrandet, eine Rückkehr von Sechzig ist selbstredend ausgeschlossen.

Der TSV 1860 fühlt sich ja auch löwenwohl in der Giesinger Heimat, im Stadion an der Grünwalder Straße - zweitligatauglich ist es aber derzeit nicht. Schon in diesem Sommer hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) die eingereichten Lizenzunterlagen nach SZ-Informationen mit großem Grummeln entgegengenommen - zwar steht ein zweitligatauglicher Ausbau im Raum, doch seit der Machbarkeitsstudie im Sommer 2019 ist nichts Entscheidendes vorangegangen, was auch die DFL zur Kenntnis nimmt.

Ein neues und zweitligataugliches Flutlicht für rund 1,2 Millionen Euro kommt, dafür steigt auch die Miete - mehr ist noch nicht passiert. Eine Entscheidung zum Ausbau wurde im Stadtrat erneut vertragt, diesmal von Juli in den Herbst.

Das sieht nach Hinhaltetaktik aus - und es ist ja auch insbesondere in Pandemiezeiten eine schwere Entscheidung, bis zu 60 Millionen Euro in ein Stadion zu stecken. Die Billigheimer-Variante bräuchte maßgeblich nur eine Komplettüberdachung - die DFL interessiert sich zwar nicht für Lärmschutz, möchte aber nicht, dass das Publikum nass wird - und genügend TV-Stellflächen, was eine komplizierte Angelegenheit ist.

Die Variante mit 18 150 Zuschauern statt 15 000 und einigen Vip-Logen wäre die Premiumlösung. Klar ist, dass Sechzig nach einer solchen Luxussanierung eine weit höhere Miete abzudrücken hätte - wie viel, soll noch das Kommunalreferat bewerten. Auch für den Verein wird der Ausbau also zu einer Abwägungssache. Doch irgendwann müssen sich die Beteiligten mal entscheiden: Ob die DFL bei der Lizenzierung für die kommende Saison nochmal ein Auge zudrückt, wenn bis dahin nicht mehr passiert, ist sehr fraglich. Zu lange ist das Projekt schon in der Schwebe.

Insgesamt hat Sechzig über 100 Millionen Euro in 12 Jahren zum Abbezahlen der Allianz Arena beigesteuert

Bei allen Überlegungen zu Giesing lohnt sich ein Blick nach Fröttmaning. Dort leuchtete die Arena nur noch während der Europameisterschaft noch mal in Blau, ansonsten gehört sie mittlerweile alleine dem FC Bayern. Dabei hat der TSV 1860 dem FC Bayern und der Stadt entscheidend geholfen, dieses Wahrzeichen zu bekommen. Zunächst als Miteigentümer, der die Subventionen in die Infrastruktur erst ermöglichte - weil das Objekt einer ganzen Branche zugute kommen musste (was es jetzt nicht mehr tut).

Dann als Mieter. Insgesamt kommt man auf einen Betrag von über 100 Millionen Euro, die Sechzig in den zwölf Jahren in der Arena zum Abbezahlen dieses Stadions beigesteuert hat. Dazu kommt die kommunale Unterstützung: Das Gelände, auf dem die Arena steht, gehört der Stadt, die Stadion-GmbH des FC Bayern zahlt dafür einen Erbpachtzins. Vor dem Bau wurde das Gelände von einem Gewerbegebiet in ein weniger wertvolles Sondernutzungsgebiet umgewandelt, was nicht nur nach Ansicht des Grünen-Landtagsabgeordneten Martin Runge dazu führt, dass dem FC Bayern "jährlich ein Millionen-Betrag in den Rachen geschmissen" wird.

Und wer nun findet, es sei angesichts der Kapazitätsobergrenze völliger Unsinn, übermäßig viel Geld in das Grünwalder Stadion zu stecken: Auch das Angebot eines adäquaten Grundstücks für einen eigenen Bau würde wohl auf Interesse stoßen.

Eine zweitligataugliche Spielstätte zu angemessenen Konditionen in ihrer Heimat hätten sich die Löwen nach dem politisch erwünschten Exil, das sie in den finanziellen Abgrund und in die Abhängigkeit von einem Investor trieb, allemal verdient. Und ja, das gilt auch, wenn die Löwen selbst schuld sind, weil sie einst dem öffentlichen Druck nachgaben. Und wenn sie die Verträge, insbesondere den Mietvertrag nach 2006, zu diesen Konditionen niemals hätten unterzeichnen dürfen.

Wenn die Stadträte irgendwann mal entscheiden, was mit der Stadionsituation der Löwen passiert, sollten sie nicht nur gegen Kindergärten und Sozialwohnungen abwägen, sondern auch gegen die städtische Unterstützung des Weltkonzerns Bayern München. Auch Löwen zahlen Steuern.

Hören Sie zu diesem Thema auch den SZ-Podcast "Inside 1860 - Die Löwen, die Arena und das Geld." Im Zentrum der Geschichte steht der Bau und Betrieb der Allianz Arena - und wie dieses Stadion zum Niedergang der Löwen führte.

Zur SZ-Startseite
Inside 1860 Podcast

SZ PlusDie Löwen, die Arena und das Geld
:Inside 1860

Der große Traditionsverein 1860 München schlittert seit Jahrzehnten von einer Krise in die nächste. Aber wer ist dafür verantwortlich? Eine Podcast-Doku über windige Manager, mysteriöse Investoren und viele falsche Entscheidungen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: