TSV 1860 München:Herz- und hirnzerreißend

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"Der TSV 1860 steht wirtschaftlich auf gesunderen Füßen." - Michael Scharold zieht eine positive Bilanz. (Foto: imago images/MIS)
  • Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold verlässt den TSV 1860 zum Saisonende.
  • Beide Gesellschafter - also die Vertreter des e.V. und der Investorenseite um Hasan Ismaik - haben Scharold seine Arbeit nicht gerade erleichtert.
  • Die Suche nach Scharolds Nachfolger könnte kraft- und zeitraubend werden.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Dass der Job als Finanz-Geschäftsführer beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München anstrengend ist, liegt schon angesichts der Wortpaarung Sechzig und Finanzen auf der Hand. Als Michael Scharold, 39, am Montag schriftlich mitteilte, dass er und der Klub den Ende Juni auslaufenden Vertrag nicht verlängern werden, dankte ihm das Präsidium daher für Engagement und Umsicht "in einem schwierigen Arbeitsumfeld". Und Scharold erklärte: "Für mich war und ist die Aufgabe als Geschäftsführer immer eine Herzensangelegenheit. Nicht zuletzt deswegen war die Zeit aber auch für mich und meine Familie extrem intensiv und kraftraubend."

Das Potenzial, Kraft zu rauben, hat bei den Löwen neben Herzensangelegenheiten hauptsächlich der herz- und auch hirnzerreißende Streit zwischen den Gesellschaftern: den Vertretern des e.V. und der Investorenseite um Hasan Ismaik. Schon zum Antritt vor gut zwei Jahren hatte Ismaik den vom e.V. mittels 50+1 ins Amt gehievten Scharold kritisiert: Er sei "kein Anführer" und "schwach". Im vergangenen Sommer legte Ismaik via Facebook nach: In den Aufsichtsratssitzungen habe Scharold "bei seinen Etat-Präsentationen immer wieder unterschiedliche Zahlen vorgelegt".

Das verwunderte kaum. Weil es sich bei den Unterschieden dem Vernehmen nach um die Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zahlen handelte - also etwa der Abweichung der Erlöse aus dem Ticketverkauf in der Realität von den Erlösen, die vor der Saison eingeplant worden waren. Dass sich diese Werte unterscheiden, liegt in der Natur der Sache - Scharold wurde ja nicht eingestellt, weil er eine Kristallkugel zu bedienen weiß. Dessen ungeachtet warf Ismaik Scharold vor, dass er sich beim Etat für die Saison 2018/2019 "verkalkuliert" hatte. Scharold gestand ein: "Ich hatte zu ambitionierte Erlösplanungen im Sponsoring" - und immer noch keine Kristallkugel. Im August forderte Ismaik ihn zum Rücktritt auf: "Er ist ein Buchhalter, kein Geschäftsführer."

Wie bei vielen seiner Amtsvorgänger seit der Fusion des TSV 1860 mit dem ersten und noch immer einzigen arabischen Investor im deutschen Profifußball 2011 gab es zum Abschied noch mal einen Knall. Scharold wird sich geärgert haben, dass seine Pressemitteilung, die er zum Gegenlesen vereinsintern versandt hatte, vorzeitig bei einem e.V.-nahen Anzeigenblatt gelandet war - und, aufgrund eines technischen Problems, versehentlich schon am Sonntag im Internet freigeschaltet worden war, wie das Blatt auf SZ-Anfrage versicherte. Schon zuvor hatten auch die e.V.-Vertreter Scharold Sorgen bereitet. Etwa, als sie sich im Klubumfeld mit Konkurrenten wichtiger KGaA-Sponsoren zeigten. Beispielsweise hielten sie eine Pressekonferenz im Wirtshaus der falschen Biermarke ab.

Die Suche nach einem Nachfolger könnte zeitraubend werden

Scharold wiederum muss sich den Vorwurf gefallen lassen, in der Öffentlichkeit selten aufgetreten zu sein. Das Prinzip des fleißigen und unsichtbaren Geschäftsführers mag sich bei anderen Klubs empfehlen, nicht aber beim Tratschverein aus Giesing. Dort werden naturgemäß permanent Fragen gestellt, weil allerorten merkwürdige Dinge geschehen. Und wenn diese Fragen nicht der Geschäftsführer beantwortet, tun das halt andere.

Im Hintergrund versuchte Scharold lange, mit beiden Gesellschaftern einen Plan für die Zukunft zu erstellen - auf eine sinnvolle Einigung wartete er aber vergeblich, stattdessen hatte er den Konsolidierungskurs des Präsidiums um Robert Reisinger ohne neue Darlehen Ismaiks umzusetzen. Scharold bilanzierte seine Amtszeit dennoch positiv: "Der TSV 1860 steht wirtschaftlich auf gesunderen Füßen, kehrte sportlich in die dritte Liga zurück, in der wir in dieser Saison eine immer bessere Rolle in der oberen Tabellenhälfte spielen."

Klingt alles prima - dennoch ist Scharold "zu der Überzeugung gekommen, dass sowohl der Verein als auch ich neue Impulse benötigen". Diese Überzeugung erklärte er bereits Ende des vergangenen Jahres in einer Aufsichtsratssitzung, und die Gremiumsmitglieder hatten offenbar nichts einzuwenden. Das Blöde ist nur: Die beiden Gesellschafter müssen sich nun auf einen Nachfolger einigen, wenn sie nicht wieder einen 50+1-Geschäftsführer wollen, der sich dann schon aus Prinzip von der Investorenseite beschimpfen lassen muss. Und viel kosten darf er eigentlich auch nicht, weil Sechzig jeden verfügbaren Cent im sportlichen Bereich benötigt, um wechselwillige oder karrieremüde Spieler zum Bleiben zu überreden.

Die Suche nach Scharolds Nachfolger könnte also kraft- und zeitraubend werden. Dem Vernehmen nach gibt es zwar ein klares Anforderungsprofil, wie es so schön heißt. Aber über dieses sind sich bei 1860 normalerweise nicht alle Beteiligten einig. Dass der bei Fortuna Düsseldorf entlassene Robert Schäfer am Samstag beim 1:1 gegen Waldhof Mannheim im Stadion an der Grünwalder Straße gesichtet wurde, sollte übrigens nicht als Initiativbewerbung interpretiert werden. Schäfer hätte sicherlich keine Lust, schließlich war er ja schon mal Geschäftsführer beim TSV 1860 München.

In dieser Zeit hat er sich zu einem scharfen Kritiker Ismaiks gewandelt. "Wenn der Investor nach einem halben Jahr das Gefühl hatte, die Strategie ändern zu müssen, wurden dafür direkt neue Leute geholt, und alles wurde umgeworfen", erzählte Schäfer vor zwei Jahren: "Ein neuer Trainer, eine neue sportliche Führung, neue Spieler. Nichts konnte sich entwickeln. Es führte am Ende zum Chaos und 2017 zum Abstieg in die Viertklassigkeit." Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass Ismaik am Montag in der Abendzeitung ausrichten ließ, er "hoffe, Robert Schäfer kommt wieder, denn er hat in den letzten Jahren in Dresden und Düsseldorf viel gelernt und Erfahrungen gesammelt." Eine der Erfahrungen? "Ich bin ganz klar für den Erhalt der 50+1-Regel", das sagte Schäfer ebenfalls. Hat Ismaik vielleicht überlesen.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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