Dritte Liga:Löwen gegen Küken

Dritte Liga: Ob Handyhülle, Eieruhr oder Bademantel - wer gebrauchte Fanartikel des TSV 1860 auf Ebay verkauft, sollte zuvor sicherstellen, dass es sich um offiziell lizenzierte Originalartikel handelt.

Ob Handyhülle, Eieruhr oder Bademantel - wer gebrauchte Fanartikel des TSV 1860 auf Ebay verkauft, sollte zuvor sicherstellen, dass es sich um offiziell lizenzierte Originalartikel handelt.

(Foto: Robert Haas, Alessandra Schellnegger)

Die 1860-Merchandising GmbH verklagt immer wieder Fans wegen Markenrechtsverstößen. In einem aktuellen Prozess stellt sich die Frage, ob sie dazu überhaupt berechtigt ist.

Von Markus Schäflein

Die Merchandising GmbH des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München, die Investor Hasan Ismaik gehört, beschäftigt bekanntlich eine Anwaltskanzlei, um Anhänger wegen möglichen Verstößen gegen die Markenrechte abzumahnen oder zu verklagen. Diesmal jedoch war das Timing etwas misslungen: Just nachdem der TSV 1860 an seine Zuschauer appelliert hatte, in der Corona-Krise auf Rückerstattung gekaufter Eintrittskarten zu verzichten und sogar neue, so genannte Geisterspiel-Tickets zu erwerben, wurde ein kurioser Fall bekannt: Ein Anhänger hatte bei Ebay zwei gebrauchte Anstecker, so genannte Pins, zum Preis von 2,99 Euro angeboten. Diese stammten nicht aus dem offiziellen Fanshop - dann wäre ein Verkauf erlaubt -, sondern offenbar von einem Straßenhändler oder einem Fanklub. Einer davon zeigte das alte Löwen-Wappen, das derzeit zwar nicht mehr gebraucht wird, bei dem aber eine gewisse Verwechslungsgefahr diagnostiziert wird. Dem Verkäufer ging eine Abmahnung zu, angesetzter Streitwert: 50 000 Euro.

"Reine Abzocke" war das für Anwalt Nicolai Walch, der im investorenkritischen e.V.-Verwaltungsrat sitzt und den Abgemahnten vertrat. Zu einem Prozess kam es jedoch nicht. Zuerst teilte der Fanklub "Blue Vikings 1860", dem der Ebay-Verkäufer angehört, mit: "Sobald feststeht, dass in der laufenden Saison nur noch Geisterspiele stattfinden oder die Saison abgebrochen wird, werden die Mitglieder unsere Gruppe geschlossen ihren Rückerstattungsanspruch geltend machen." Auch Geistertickets kämen nicht in die Tüte, stattdessen solle Geld für anstehende Prozesskosten zurückgelegt werden. Zahlreiche andere Fanklubs und Anhänger zogen nach, beschwerten sich, drohten mit der Forderung nach Rückzahlungen und sorgten damit für helle Aufregung auf der Geschäftsstelle der Profifußball-KGaA.

Zum ersten Mal schadete das Vorgehen der Merchandising GmbH und ihres Geschäftsführers Anthony Power nun dem Lizenzgeber, der Profifußball-KGaA, nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Und die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Es seien beim Schutz der Markenrechte "vereinzelt auch Fans, die Sachen privat und ohne kommerziellen Hintergrund angeboten haben, abgemahnt" worden, "wie leider in der vergangenen Woche", hieß es in einer Mitteilung des TSV 1860: "Die TSV 1860 Merchandising GmbH hat die (...) Abmahnung gegen einen privaten Ebay-Händler zurückgezogen."

Ein anderer Fall läuft hingegen weiter - die Berufung der Merchandising GmbH gegen die "Löwenfans gegen Rechts", die das Löwenlogo in ihrem eigenen Wappen verwenden, neben einer Faust, die ein Hakenkreuz zerschlägt. Auch hier ist Walch der Anwalt der Anhänger, und nach dem Sieg in erster Instanz am Landgericht Nürnberg-Fürth liegt es nach den gerichtlichen Hinweisen nahe, dass er auch in der Berufungsverhandlung Mitte Juni am Oberlandesgericht Nürnberg erfolgreich sein wird.

Walch beruft sich auf mehrere markenrechtliche Einwände. Schließlich führt er aus, es handele sich um "eine Meinungsäußerung, keine Markenrechtsverletzung". In zweiter Instanz sind zusätzlich formale Aspekte in den Fokus gerückt. Die nunmehr vorgelegten Verträge reichen nämlich nach Ansicht Walchs nicht aus, um überhaupt eine Prozessbefugnis der Merchandising GmbH anzunehmen - sie ist ja nur Lizenznehmerin, aber nicht Inhaberin der Markenrechte.

"Das als Lizenzvertrag von 1996 bezeichnete Dokument kann nicht aus dem Jahr 1996 stammen"

Unter anderem ist ein Vertrag, auf den sich die Merchandising GmbH beruft, nämlich entweder nie zustande gekommen oder nicht mehr auffindbar. Gefunden wurde nur ein Dokument, laut Walch undatiert und mit einer fehlenden Unterschrift, bei dem es sich etwa um einen Vertragsentwurf handeln könne und auf das sich die Merchandising GmbH nun stütze, aber: "Das als Lizenzvertrag von 1996 bezeichnete Dokument kann gar nicht aus dem Jahr 1996 stammen, da dieses in Paragraf 11 einen Passus enthält, der eine rückwirkende Geltung zum 1. Juli 1999 vorsieht", meint Walch. "Mithin ist es denknotwendig ausgeschlossen, dass das vorgelegte Dokument aus dem Jahr 1996 stammt." Das Oberlandesgericht schreibt hierzu in seinen Hinweisen: "Die Einwände (...) sind nicht von der Hand zu weisen."

Selbst wenn die Geschäftsführer der KGaA die Merchandising GmbH zur Prozessführung ermächtigen würden, sei das nicht ausreichend: "Sie brauchen dazu die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Geschäftsführungs-GmbH, also des Präsidiums", sagt Walch - dieses Gremium dient im komplizierten Konstrukt des TSV 1860 dazu, die 50+1-Regel zu wahren. Und da die Geschäftsführer Michael Scharold und Günther Gorenzel wissen, dass das investorenkritische Präsidium niemals zustimmen wird, werden sie sich mit der Frage wohl gar nicht erst weiter befassen. Was freilich nicht bedeutet, dass Sechzig künftig gegen Verstöße gegen die Markenrechte nicht mehr vorgehen kann - nur müsste dies, sollte sich Walchs Auffassung bestätigen, eben die KGaA selbst tun, oder sie müsste Ismaiks Firma im Einzelfall dazu beauftragen.

Unterdessen erhielten Fans ein Schreiben, die eine Mund-Nasen-Maske mit der Aufschrift "Einmal Löwe, immer Löwe" herstellen wollten - untersagt. Und auch ein Giesinger Graffiti-Künstler erhielt Post von der Kanzlei: Er verkauft ein Bild mit einem fußballspielenden Küken, das auf einem blauen T-Shirt die Zahl "60" stehen hat. Nun könnte das Küken 60. Geburtstag haben oder einfach die Trikotnummer 60. In der Produktbeschreibung auf dem Verkaufsportal stand allerdings der Begriff "TSV 1860". Dieser wurde nun entfernt, damit dürfte der Fall erledigt sein. Nun muss der Klub hoffen, dass der Künstler nicht Inhaber eine Dauerkarte war - und dass er keine große Fanlobby hinter sich hat.

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