TSV 1860 München:Löwendusel gegen Schweinsteiger

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Garanten des Erfolgs: Jesper Verlaat (links) hat die Münchner Abwehr zusammengehalten, Marco Hiller mit zwei starken Paraden geglänzt. (Foto: Marco Steinbrenner/Kirchner-Media/Imago)

Eine spielerische Krise, die sich kurioserweise nicht in der Tabelle ablesen lässt? Der schmeichelhafte Erfolg in Osnabrück gibt beim TSV 1860 München auch Kritikern neue Argumente.

Von Christoph Leischwitz

Anhänger des TSV 1860 München sind viel gereist und haben viel erlebt, trotzdem stellten sich nach dem Spiel am Samstag beim VfL Osnabrück viele getrennt voneinander dieselbe Frage: Wann haben wir eigentlich zum letzten Mal so unverdient gewonnen? Möglicherweise ist das richtig lange her, vielleicht liegt dieser Sieg ja in jener Zeit, als Tobias Schweinsteiger, 40, Mitglied eines 1860-Fanklubs wurde. Aus Jux, eine Jugendsünde.

Schweinsteiger ist heute Cheftrainer in Osnabrück, auch er hat schon viel erlebt im Profifußball und war in der Fußballlehrer-Ausbildung der Beste seines Jahrgangs. Auch er wirkte nach dem 0:2, als habe er Derartiges noch nicht erlebt. Osnabrück hatte mehr als 70 Prozent Ballbesitz und zahlreiche gute Chancen, doch ein Eckball (7.) und ein Konter (82.) der Löwen entschieden das Spiel, in dem sich die Sechziger kein einziges Mal über eine längere Phase hatten befreien können.

Abwehrchef Jesper Verlaat, Kopfball-Torschütze zum frühen 1:0, hielt seine Abwehr gut zusammen. Angreifer Meris Skenderovic nutzte einen Fehler der Osnabrücker nach Zuspiel von Christopher Lannert zur späten Entscheidung. Dazwischen: drei mehr oder wenige harmlose Torschüsse der Löwen, die zwar Einsatz zeigten, aber wenige Ideen hatten - und zwei überragende Paraden ihres Torwarts Marco Hiller (50., 74.).

Nun könnte ein Aufstiegsaspirant natürlich sehr viel größere Sorgen haben als einen unverdienten Sieg. Trainer Michael Köllner hatte in der Pressekonferenz vor dem Spiel sinngemäß gefragt: Was wollt ihr denn eigentlich? Wir sind Zweiter! Wenn die Saison jetzt zu Ende wäre, würde dann jemand meckern? In der Pressekonferenz nach dem Spiel sagte Köllner dann gar nichts.

Nach Vereinsangaben hatte er seine Stimme verloren, Geschäftsführer Günther Gorenzel vertrat ihn. Die verlorene Stimme des Cheftrainers legte den Verdacht nahe, dass er mit dem Tabellenplatz wohl doch zufriedener war als mit der Leistung - auch wenn Gorenzel den Sieg ähnlich defensiv verteidigte wie zuvor die Spieler.

Geschäftsführer Gorenzel stellt sich hinter den Trainer: "Kritische Stimmen lasse ich nicht zu."

Abwehrboss Verlaat fand deutlichere Worte. Nach der Führung habe sein Team "komplett den Faden verloren" und sei "nur geschwommen". Tatsächlich dauerte es nach seinem Treffer bis zur 20. Spielminute, ehe die Löwen den Ball einmal länger als eine Minute besaßen; meistens war er nach weniger als zehn Sekunden schon wieder weg. Es ist nun schon das dritte Spiel in Serie, in dem der zu Beginn der Saison hochgelobte Kader spielerisch keinerlei Akzente setzte.

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Dabei hatte Köllner, teils freiwillig, teils gezwungenermaßen, viel Neues ausprobiert: Er warf den 18-jährigen Mittelfeldspieler Marius Wörl erstmals in die Startelf. Als Linksverteidiger stand nach zwei Monaten Verletzungspause wieder Phillipp Steinhart auf dem Feld, passenderweise gerade jetzt, wo Fabian Greilinger verletzt fehlt. Ein anderes Anlaufverhalten brachte nichts, Osnabrück war drückend überlegen, vielleicht sogar noch überlegener als der FC Ingolstadt, der vergangene Woche 2:1 bei Sechzig gewann. Steinhart fand nach dem Spiel, die Bremer Brücke sei eben ein schwieriges Pflaster, "so kann man auch mal ein Spiel gewinnen".

Auf dem Status "gerade noch mal gutgegangen" wird der Trainer kaum verweilen wollen. Gorenzel, der nach dem Spiel über "kämpferische Elemente" und "Kompaktheit" als Erfolgsgaranten sinnierte, hatte in der Halbzeit bei Magentasport etwas tiefer blicken lassen. Köllner war in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten ob der faden Spielweise der Löwen - der Geschäftsführer stellte sich, ungefragt, klar hinter den Trainer.

"Kritische Stimmen lasse ich nicht zu", sagte er. Köllner mache klare Ansagen gegenüber der Mannschaft, er habe "klare Ideen". Die Spieler hingegen hätten "schon zu weit nach vorne gedacht", also Richtung Saisonende und Aufstieg, und dabei den Fokus auf das Hier und Jetzt verloren.

Dass es "in München sehr, sehr schnell" gehe mit aufkommender Kritik, kann kaum der Grund dafür sein, dass den Sechzigern im Spielaufbau zurzeit so viele Ballverluste unterlaufen. Am Samstag jedenfalls, wenn der SV Wehen Wiesbaden in München gastiert, könnte neben einem Sieg durchaus auch dessen Art und Weise größere Bedeutung zukommen.

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