Süddeutsche Zeitung

1860-Niederlage gegen Frankfurt:Hilflos im Abstiegskampf

Der Zeitpunkt erscheint gewagt: Mitten im Abstiegskampf setzt 1860-Trainer Markus von Ahlen gegen den FSV Frankfurt auf zahlreiche Spieler aus der eigenen Jugend - und wird bestraft. Seine Alternativen im Kader sind rar.

Von Mathias von Lieben

13 800 Zuschauer. Saison-Minuskulisse. Als der Stadionsprecher in der 74. Minute die Zuschauerzahl durchsagte, stimmten die Anhänger des TSV 1860 München auf der Nordtribüne das Lied an: "Grünwalder Stadion, wir singen Grünwalder Stadion!" Das machen sie häufiger. Mit der Arena in Fröttmanning können sich viele bis heute nicht anfreunden, und das nicht nur, weil das Stadion zu knapp einem Fünftel gefüllt war.

Ein Großteil der Löwen-Fans denkt oft zurück an die alte Zeit. An das Grünwalder-Stadion in Obergiesing, das Charme hatte und nicht so trist wirkte wie die große Multifunktionsarena - besonders dann, wenn sie im trüben Voralpen-Nebel versinkt. Oder an Zeiten, in denen Nachwuchstalenten wie den Bender-Zwillingen, Kevin Volland, Moritz Leitner oder Marcel Schäfer der Durchbruch gelang. Junge Spieler aus der eigenen Jugend, auf die man stolz sein kann - das ist Vergangenheit.

Vier Spieler aus der eigenen Jugend in der Startelf

Bei der 0:2-Niederlage gegen den FSV Frankfurt am Sonntagnachmittag waren Parallelen erkennbar. Vier Spieler aus der eigenen Jugend standen in der Startelf. Am Ende sogar sechs. Geholfen hat es nicht. Platz 15 und nur zwei Punkte Abstand zum Relegationsplatz sind das Resultat. "Wir hatten durch die Verletzungen aber doch gar keine andere Möglichkeit, als auf die Nachwuchsspieler zu setzen", rechtfertigte sich Trainer Markus von Ahlen nach der dritten Heimpleite in Serie, "außerdem hatten sich die Jungs im Training aufgedrängt."

Von Ahlen hatte tatsächlich keine besonders große Auswahl. Der Kader ist dezimiert. Neben den spanischen Zugängen Rodri und Bedia werden auch Stephan Hain und Dominik Stahl noch länger fehlen. Leonardo löste Anfang der Woche seinen Vertrag auf, für das Spiel gegen den FSV Frankfurt meldete sich auch noch Zehn-Tore-Mann Rubin Okotie ab. Sechs potentielle Stammkräfte weniger - eine Chance für die zweite Garde?

Es hat ja mit den Jung-Löwen schon funktioniert. Bereits in der Vorwoche standen beim 4:1-Auswärtssieg bei Union Berlin sechs Spieler aus dem eigenen Nachwuchs oder der zweiten Mannschaft auf dem Platz: Maximilian Wittek (19), Marius Wolf (19), Fejsal Mulic (20) und Korbinian Vollmann (21). Christopher Schindler (24) und Julian Weigl (19) sind zwar auch der Nachwuchsabteilung des TSV entsprungen, waren aber vor der Saison fest für die Profis eingeplant. Die anderen nicht.

Gegen den FSV Frankfurt wiederholte sich das Bild. Gemeinsam standen die Nachwuchsleute nach Schlusspfiff auf dem Rasen. Marius Wolf und Maximilian Wittek spielten wieder von Beginn an: Wolf im Wechsel mit Daniel Adlung mal Rechtsaußen und mal Sturmspitze, Wittek lief wie in den vergangenen drei Partien als Linksverteidiger auf.

Einfluss auf das Spiel nehmen konnten beide nicht. Sie agierten zwar mit viel Einsatzfreude und machten kaum Fehler, es mangelt ihnen jedoch schlicht an Erfahrung und Reife, um das momentan behäbige Spiel der Mannschaft entscheidend beeinflussen zu können. Auch vom 20-Jährigen Fejsal Mulic oder vom ein Jahr älteren Korbinian Vollmann, die erst spät in der zweiten Halbzeit eingewechselt wurden, können noch keine Wunderdinge erwartet werden. Die Schuld an der Misere tragen die jungen Spieler nicht.

Was aber in Berlin noch als gelungene Integration der Jugend bewertet werden konnte, wirkte gegen die Frankfurter hilflos. Es drängte sich der Eindruck auf, dass von Ahlen die jungen Leute nur einsetzte, weil sie eben jung sind. Doch die Löwen befinden sich im Abstiegskampf - kein guter Zeitpunkt, um gleich mehrere Jugendspieler einzubinden. Sie kommen in eine Mannschaft, die verunsichert ist und kein festes System hat. Doch es zeigt auch, dass die Alternativen in diesem ursprünglich für die Aufstiegsplätze ausgerichteten Kader rar sind.

"Wir müssen uns neue Varianten erarbeiten"

Neben den Verletzten und dem abwesenden Marin Tomasov (zweites Kind), gibt es im Kader der Löwen allerdings weitere Optionen. Die kommen entweder nicht zum Einsatz, sind außer Form oder gar nicht mehr im Kader. Der Südafrikaner Daylon Claasen saß genau wie sein uruguayischer Kollege Gary Kagelmacher gegen Frankfurt 90 Minuten nur auf der Bank, Markus Steinhöfer und Bobby Wood trainieren seit drei Wochen sogar nur noch bei der U21. Kai Bülow wurde erst in der 85. Minute eingewechselt.

"Wir müssen uns neue Varianten erarbeiten", erklärte von Ahlen. Dazu gehöre in der Konsequenz auch, "dass wir Spieler aus der Nachwuchsabteilung einbinden. Das ist Teil unserer Spielidee." Wie das beim TSV 1860 so ist, könnte zu diesen neuen Varianten auch gehören, dass sich der Klub in der Winterpause nach neuen Spielern umsieht. Das erscheint dringender denn je.

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