Süddeutsche Zeitung

1860 München verliert gegen Kaiserslautern:Blutiges Ende aller Träume

Der TSV 1860 München beweist gegen Kaiserslautern, dass er sich ordentlich verstärkt hat. Doch es ist eine Erkenntnis ohne Wert: Durch eine späte 0:1-Niederlage sind die Aufstiegs-Ambitionen der Löwen hinfällig. Die größten Schmerzen muss Kai Bülow ertragen, er verliert in einem Zweikampf eine Krone.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Gabor Kiraly, Torwart des TSV 1860 München, hatte nun also die unangenehme Aufgabe, den Moment des Abends zu beschreiben. Für ihn war das besonders unangenehm, weil er in der Geschichte eine recht unschöne Rolle gespielt hatte. "Es kommt ein Ball von rechts", sprach Kiraly also, "zwei Spieler sind ausgerutscht, ich komm' noch ein bisschen an die Flanke ran, aber am zweiten Pfosten steht ein Spieler - und: Tor." Der eingewechselte Florian Riedel war das, dem Kiraly den Ball vor die Füße gelenkt hatte, in der 87. Minute. Sechzig verlor 0:1 gegen Kaiserslautern, der Abstand auf den Aufstiegs-Relegationsplatz beträgt damit nun acht (!) Zähler - nach einem lange gutklassigen Spiel mit den viel besseren Chancen für 1860.

Leistung hin oder her, Chancen für die Katz': Die Aufstiegsträume der Münchner waren nach 90 Minuten vor nur 19.100 Zuschauern jäh beendet - die Erkenntnis, dass sich Sechzig im Winter ganz ordentlich verstärkt hatte, war nun ohne Wert und klang wie Hohn. "Im Endeffekt war nur das Ergebnis scheiße", analysierte der neue Linksverteidiger Malik Fathi die Sache so prägnant wie treffend. Ob acht Punkte noch aufzuholen seien, wurde Trainer Alexander Schmidt gefragt, der auf die Beantwortung naturgemäß wenig Lust hatte: "Dazu will ich jetzt nichts sagen. Ich muss jetzt erstmal die Spieler wieder aufrichten." Klar, das sei "ein Dämpfer", sagte er: "Denn wir hätten den Sieg mehr verdient gehabt als Kaiserslautern."

1860 gegen Kaiserslautern, das war zunächst ja eben das große Kräftemessen der Winterzugänge. Gleich sechs neue Spieler hatten die Pfälzer verpflichtet, und Trainer Franco Foda setzte vier von ihnen von Beginn an ein: Linksverteidiger Chris Löwe, Markus Karl im defensiven Mittelfeld, Mitchell Weiser auf dem rechten Flügel und Linksaußen Benjamin Köhler. Schmidt wollte bei der Präsentation seiner Shoppingtour sichtlich gerne dagegen halten und ließ seinerseits alle drei neuen Akteure auflaufen. Allesamt waren sie ja Wunschspieler und keine Nottransfers, wie Schmidt in der Woche noch einmal versichert hatte.

In Ermangelung des noch immer gesperrten Benny Lauth stürmten also Ola Kamara und Rob Friend - und der zweimalige Nationalspieler Fathi durfte sich nun in der zweiten Liga versuchen. Damit war zu rechnen gewesen. Auch damit, dass Schmidt auf der linken Seite zunächst Daniel Halfar vertraute und nicht Marin Tomasov. Gleich in Minute sieben ließ sich Daniel Bierofka zu einem kleinen Hackentrick hinreißen; er legte ab auf Moritz Stoppelkamp, der sich dann zielgenau festrannte an der Kaiserslauterer Abwehr. Denn es ist ja so: Sechzigs Spiel unter Schmidt ist inzwischen wesentlich laufintensiver als unter seinem Vorgänger Reiner Maurer, auch verspielter und risikofreudiger. Das Problem war indes schon vor dem Winter die Chancenauswertung gewesen - und sie ist es noch immer. "Wir müssen auch vorne Tore machen, nicht nur hinten dicht sein", sagte Kiraly. "Wir haben einige Chancen gehabt, auch gute."

Von Kaiserslautern war nicht viel zu sehen, nur ein Versuch aus der Distanz von Mimoun Azaouagh aus 20 Metern über die Latte (13.). Mehr Chancen hatten die Löwen: Friend scheiterte, leicht überrumpelt ob der guten Gelegenheit, mit einem kläglichen Not-Schüsschen an Torwart Tobias Sippel (17.). Sechzig drehte nun auf, kombinierte teilweise sehr ansehnlich in der zu Saisonbeginn spielerisch so toten Zone des offensiven Mittelfeldes. Was vor allem an Kamara lag, der vortrefflich für Alarm sorgte. Nach einem Doppelpass mit Stoppelkamp sah sich Benjamin Köhler zu einer unsanften Vollbremsung des Norwegers veranlasst; den fälligen Freistoß setzte Daniel Halfar aus 25 Metern an die Latte (24.).

Und es ging immer weiter: Die nächste Riesengelegenheit hatte Friend, der mit der Hacke eine feine Passstafette über Stoppelkamp und Halfar einleitete, dann aber das Außennetz anschoss (28.). Auf den Rängen erhoben sich die Sechzig-Fans, selbst auf der Gegengerade setzten sie zu Sprechchören an, während sich die Pfälzer in Ermangelung von spielerischen Kreationen nun auf das ruppige Spiel verlegten. Mohammadou Idrissou, bislang sehr unauffällig, erwischte Kai Bülow im Zweikampf mit dem Ellbogen, er blutete leicht, Christopher Schindler kam für ihn in die Partie (36.). In der Halbzeitpause verbreitete sich bereits die Nachricht, Bülow sei eine Krone aus dem Kiefer geflogen.

Was Kaiserslautern dagegen hielt, waren zunehmend Einzelaktionen. Azaouagh setzte über rechts zu einem hinreißenden Sprint an, im Strafraum umkurvte er Halfar, Stoppelkamp und Fathi, doch Kiraly fing die dann folgende Flanke ab (39.). 1860 hätte zu diesem Zeitpunkt die Führung längst verdient gehabt, und ehe es in die Pause ging, köpfelte Friend noch einen stoppelkampschen Eckball über die Latte. Er raufte sich die Haare, klar, Friend wusste: Er hätte die Partie im Alleingang entscheiden müssen. Er tat es nicht. In der zweiten Hälfte kam noch Wood für Kamara (60.), auch er traf nicht. Kaiserslautern blieb gelassen und wartete ab - und dann kam Riedel.

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SZ vom 05.02.2013/kjan
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