Süddeutsche Zeitung

3. Liga:1860 München ist zurück an der Spitze

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Der TSV 1860 untermauert beim 2:0 gegen Unterhaching seine jahrelange Derby-Dominanz - und führt die dritte Liga wieder an.

Von Christoph Leischwitz

Es erschließt sich nicht, warum das Duell zwischen der SpVgg Unterhaching und dem TSV 1860 München neuerdings so gerne "S-Bahn-Derby" genannt wird. Am Vereinsgelände der Löwen befindet sich weit und breit keine S-Bahnstation, mit dem Fahrrad jedenfalls käme man wahrscheinlich schneller zum Hachinger Sportpark. Außerdem waren ja auch diesmal, entgegen ursprünglichen Planungen der hiesigen Gemeinde, wieder keine Zuschauer zugelassen. Es reiste also niemand mit der S-Bahn an, niemand ging von der Station Fasanenpark durch den Dauerregen zum Stadion, wo vor dem Anpfiff das Bayernlied von leeren Rängen zurückgeworfen wurde.

Die Gästefans freilich wären tanzend und singend durch den Regen zurückgelaufen, denn die Sechziger behielten mit einem 2:0 (1:0)-Sieg nicht nur ihre jahrelange Derby-Dominanz bei; sie blieben ausgerechnet gegen den acht Kilometer entfernten Erzrivalen erstmals in dieser Spielzeit ohne Gegentor - und schossen sich zurück an die Tabellenspitze der dritten Liga. "Das war eine richtig starke Kollektivleistung", freute sich Sechzigs Trainer Michael Köllner.

Von "Wiedergutmachung" war vor der Partie sowohl in Giesing als auch in der Vorstadt die Rede gewesen, beide hatten am vergangenen Spieltag verloren. Den Gastgebern war das zu Beginn sofort anzumerken, aber eben auch nur zweieinhalb Minuten lang. Da hatte Patrick Hasenhüttl völlig freistehend einen Kopfball deutlich über das Tor gesetzt, Max Dombrowka hatte Sechzigs Torwart Marco Hiller geprüft. Dieser nutzte dabei die Gelegenheit, bei der Abwehr recht spektakulär durch die Luft zu fliegen. Dabei hatte er keine Ahnung, dass es für lange Zeit die letzte Möglichkeit war, sich auszuzeichnen. Denn bis zur Pause waren die Sechziger dominant, verlagerten das Spiel in die Unterhachinger Hälfte und holten Eckball um Eckball heraus.

Der letzte Unterhachinger Sieg liegt schon 14 Jahre zurück

Einer Ecke entsprang dann auch die Führung: Die Flanke an den ersten Pfosten wurde nach vorne herausgeköpfelt, allerdings genau in die Mitte, wo Dennis Dressel schon richtig stand. Sein strammer Schuss wurde noch von Dombrowka abgefälscht, dann zappelte der Ball vor der leeren Unterhachinger Südtribüne im Netz (13. Minute). Vier Monate zuvor hatte Dressel beim Derby im Grünwalder Stadion alle drei Treffer des 3:0-Siegs der Löwen erzielt; nun traf er erneut, und das auch noch an seinem 22. Geburtstag. Phillipp Steinhart, nach einer Gelb-Rot-Sperre wieder in der Startelf, hatte die nächste große Möglichkeit, Hachings Keeper Nico Mantl konnte seinen Schuss mit der Faust klären (19.).

Der letzte Unterhachinger Sieg gegen den TSV 1860 liegt schon 14 Jahre zurück, damals gewann die SpVgg 5:1. Einer der damaligen Torschützen war Robert Lechleiter, heute Co-Trainer von Arie van Lent. Er stand nach einer halben Stunde wild gestikulierend neben dem Cheftrainer. Ihre Mannschaft fand auch diesmal wieder keinen Zugriff. Wenn sich die Hachinger einmal aus der Umklammerung befreien konnten, verloren sie oft mit Fehlpässen den Ball oder lief sich im Zentrum fest. Vertikal soll das Spiel unter van Lent sein. Oft ging es aber aus Ermangelung an freistehenden Mitspielern nur vertikal zurück.

Die Hachinger Trainer antworteten mit einem Doppelwechsel in der Offensive, Luca Marseiler und Felix Schröter kamen in die Partie, und das machte sich bald bemerkbar: Marseiler gab nach einer Dreiviertelstunde endlich mal wieder einen Torschuss ab (50.). In der 59. Minute leitete er mit einem Sprint über links die spektakulärste Szene des Abends ein: Er schickte Lucas Hufnagel steil, der alleine aufs Tor zulief. Keeper Hiller grätschte ihm mit vollem Risiko gerade noch den Ball weg, den resultierenden Nachschuss aufs leere Tor setzte Schröter aus 35 Metern zu hoch an.

Eine halbe Stunde lang wirkte Unterhaching präsent, dann aber wieder dem Schicksal ergeben. Die Sechziger hatten sich aufs Konterspiel verlegt. In der Schlussphase bestand die Begegnung auch nur noch aus Kontern der Sechziger gegen Unterhachinger, die teilweise gar nicht mehr hinterherliefen. Beinahe wäre erneut Dressel erfolgreich gewesen, doch der traf, wieder vom Strafraumrand, nach einem groben Schnitzer von Mantl diesmal das leere Tor nicht (78.). Auch Martin Pusic, erstmals in der Startelf, zielte deutlich daneben (83.), aber Sascha Mölders hatte Glück: Sein trockener Distanzschuss wurde leicht, aber unhaltbar abgefälscht (85.) - so hatte in diesem Duell also doch mal wieder ein anderer als Dressel getroffen. "Im ersten Moment dachte ich: Der wird doch jetzt nicht schießen", schilderte Köllner später lachend. Spätestens nach diesem Schuss war der Zug für Unterhaching abgefahren.

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SZ vom 27.10.2020
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