1860 München:Standortnachteil

Lesezeit: 3 min

Der TSV plant mit einem siebenstelligen Minus für 2019/20. Bevor Geschäftsführer Scharold die Lage präsentiert, überrascht Investoren-Vertreter Stimoniaris mit einer Ankündigung.

Von Markus Schäflein

Michael Scharold hatte zu einer Finanz-Pressekonferenz bei 1860 München geladen, und eine Finanz-Pressekonferenz bei 1860 München verheißt erfahrungsgemäß nichts Gutes. Und auch nicht, dass Scharold dabei ein Zitat von Karl Valentin bemühen musste: "Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch." Der Geschäftsführer begann seinen nicht freudigen, aber betont sachlichen Lagebericht dann auch mit der besten verfügbaren Nachricht: Die Löwen bekommen die Lizenz für die kommende Saison der dritten Fußball-Liga, mit Bedingungen und Auflagen zwar, aber immerhin.

Der Konsolidierungskurs, der nötig wird, weil das Präsidium Geld von Investor Hasan Ismaik künftig nur gegen Vorkasse annehmen möchte, was Ismaik ablehnt, hat längst begonnen. Das Sportbudget der Profimannschaft sinkt von 4,5 Millionen Euro auf drei. "Es muss aber klar sein, dass wir auch bei diesem Etat mit einem Defizit im siebenstelligen Bereich planen", sagte Scharold. Das war dann schon die erste von einigen eher regnerischen Nachrichten. Um den kalkulierten Verlust zu decken, greift der Geschäftsführer der Giesinger Profifußball-KGaA zurück auf "zugesagte Finanzierungen von der HAM und der Bayerischen" - also auf noch ausstehende rund 600 000 Euro gegen Genussscheine von Ismaik und ein jederzeit abrufbares Darlehen des Hauptsponsors über zwei Millionen Euro, wobei er darauf baut, von Letzterem für die kommende Spielzeit nur einen Teilbetrag zu benötigen.

"Die Finanzierung ist bis Ende der nächsten Saison sichergestellt", konnte Scharold versprechen - das Blöde ist ja nur, dass es auch noch eine übernächste Saison und sogar noch weitere Saisons geben wird. Und da sei der Klub "von der wirtschaftlichen Planung her nicht weiter als im Winter, als ich schon angemahnt habe, dass wir einen Horizont brauchen. Den haben wir immer noch nicht, das ist schade".

Trotz Scharolds Appellen kommen e.V. und Investor im Zwist um Gesellschaftermittel nicht weiter. Am frühen Donnerstagmorgen, rund vier Stunden vor Scharolds Pressekonferenz, hatte Ismaiks Statthalter Saki Stimoniaris mal wieder mit einer Pressemitteilung überrascht. Er versprach an die Spieler gerichtet: "Keiner muss sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen." Wie er die Arbeitsplätze der teuersten Profis erhalten will, während Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel bereits mit deren Beratern über anstehende Abschieds-Szenarien im Konsolidierungskurs gesprochen hat, blieb völlig offen. Scharold erklärte allgemein: "Ich glaube schon, dass die Gesellschafter Überlegungen haben, aber zu mir ist nichts durchgedrungen." Vielleicht kann sich Ismaik vorstellen, Gehälter direkt zu bezahlen - so könnte man Stimoniaris' Aussage zumindest interpretieren. "Das wäre möglich, so lange die KGaA nicht belastet wird, aber es gab noch nie einen solchen Vorschlag", sagte Präsident Robert Reisinger der SZ.

Überrascht von Scharolds Lagebericht können beide Gesellschafter hingegen nicht sein. "Die Zahlen, wie sie jetzt eingetreten sind, waren immer so an alle Gremien kommuniziert", erklärte er. Ebenso die Zahlen, die noch eintreten werden: Um das Budget der laufenden Saison wieder zu erreichen, müsse 1860 seine Erlöse um 35 bis 40 Prozent steigern; um zumindest das Budget der Spielzeit 2019/20 zu erhalten, um 20 Prozent. "Die größte nachhaltige Stellschraube" sei das Sponsoring; das Wirrwarr um die Gesellschafter erleichtert allerdings nicht unbedingt die Akquise.

Dennoch glaube er, "dass wir ein durchschnittliches Drittligabudget aus eigener Kraft stemmen können, wenn wir alle Kräfte bündeln" - dass es also gelingen kann, mit Hilfe von Sponsoren zumindest den Drei-Millionen-Etat von 2019/20 zu sichern. Scharold hofft dabei auch auf Veränderungen beim Deutschen Fußball-Bund, was die Vermarktungserlöse der Spielklasse angeht; die Klubs der dritten Liga machen durchschnittlich ein siebenstelliges Minus pro Saison. "Der DFB sieht auch Handlungsbedarf und versucht, Wege zu finden", sagte Scharold.

Aber auch mit diesem Etat wird es schwer werden. Talentierte junge Spieler, auf die Gorenzel dann setzen muss, seien in der dritten Liga in einem Gehaltsrahmen von 1500 bis 4000 Euro brutto zu verorten, sagte Scharold - und plötzlich wird aus dem attraktiven München, in dem sich hoch bezahlte Profifußballer tendenziell lieber niederlassen als in Zwickau oder Meppen, ein sehr unattraktives München: "Da ist der Standort eher ein Wettbewerbsnachteil", sagte Scharold, "denn damit zu leben, ist in München schwerer als anderswo." Da hilft es nur, sich gehörig über die Lebenshaltungskosten zu freuen.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: