Süddeutsche Zeitung

1860 München siegt gegen Paderborn:Kompliment vom alten Schweden

Zweitligist 1860 München bezwingt den SC Paderborn 1:0. Investor Hasan Ismaik kommt doch nicht, dafür aber wieder Sven-Göran Eriksson, der diesmal Löwen-Trainer Alexander Schmidt lobt - und sich als Berater bezeichnet.

Von Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Um kurz nach 17 Uhr war die Frage geklärt, ob der Mann auftauchen würde, der so viel Wirbel verursacht seit über einer Woche. Ja, er komme gleich, sagte Hamada Iraki, bisher die rechte Hand des Löwen-Investors Hasan Ismaik; gemeint war Sven-Göran Eriksson, der sich schon die Spiele des TSV 1860 München gegen den 1. FC Köln und bei Union Berlin angesehen hatte. Der einst erfolgreiche schwedische Coach galt bis dato als Trainerkandidat für den Posten beim TSV, jedenfalls beim arabischen Miteigentümer, der mit forschen Forderungen einen kostspieligen Kurswechsel im Verein einleiten will. Auch der Geschäftsmann aus Abu Dhabi wurde als Besucher zur Partie der Löwen gegen den SC Paderborn erwartet, um bei einem "Showdown", wie der Boulevard mutmaßte, mit Klubpräsident Dieter Schneider Differenzen zu klären. Doch er sagte in der Nacht zum Dienstag ab.

Damit wird es so rasch erst mal keine Fortsetzung der Gespräche um die Zukunft der Sechziger geben, und ein weiteres Mal entging dem offenbar viel beschäftigten Ismaik ein Spiel seines eigenen Vereins. Bei dem 1:0 hätte er - wenigstens phasenweise - Spaß gehabt. Die Löwen verbessern sich zumindest bis Mittwochabend auf den fünften Rang. "Das war unheimlich wichtig für uns, dass wir uns mit dem Erfolg belohnt haben", sagte der Schütze des Siegtores Benjamin Lauth (38.).

Nur 13 300 Zuschauer wollten sich das Duell zwischen den beiden Mannschaften antun, die in der Tabelle auf Patzer der Spitzenteams hoffen müssen. "Ich ziehe meinen Stil hier durch", das hatte Sechzigs neuer Trainer Alexander Schmidt vorher gesagt, der die Spekulationen um Eriksson cool an sich abperlen ließ. Für das Spiel gegen den SC bedeutete dies, dass gleich vier Profis aus der jüngsten Startelf rotierten. Grzegorz Wojtkowiak, Guillermo Vallori, Maximilian Nicu und Sebastian Maier wurden durch Moritz Volz, Kai Bülow, Arne Feick und den jungen Bobby Wood ersetzt. Die neue Formation benötigte jedoch Anlaufzeit, um ein paar Reaktionen beim eigenen Anhang hervorzurufen. Von der Akustik her war es anfangs ohnehin wie in der Bayernliga, jeder Ruf war zu hören, was mit dem zwölfminütigen Fanboykott zu tun hatte. Damit wollen die Stimmungsmacher an diesem Spieltag in beiden Bundesligen zeigen, dass sie gegen die Maßnahmen sind, die im DFL-Entwurf "Sicheres Stadionerlebnis" geplant sind.

Als die Fans zu singen anfingen, änderte sich das Geschehen kaum. Es überwogen die statischen Momente, wenigstens 1860 war nicht ganz eingefroren. "In der ersten Halbzeit haben wir gut gegen den Ball gearbeitet", befand Schmidt später. "Wir haben den Ball gut von hinten rausgespielt", urteilte Bülow, der in die Innenverteidigung gerückt war und sich Hoffnungen auf eine dauerhafte Rückkehr ins Team machen darf. Am Stimulierendsten in der Offensive war ein Fernschuss von Daniel Bierofka gewesen, den Lucas Kruse für Paderborn parierte (19.). Und Wood vergab eine gute Kopfballchance (20.). Immerhin waren genügend Menschen in der Arena, um Stille Post zu spielen, so wurde die Zeit des Stillstands damit überbrückt, Erikssons Ankunft weiterzuflüstern.

Der 64-Jährige soll, dieses Gerücht tauchte vor dem Anpfiff auf, nun nicht mehr als Trainer von der Investorenseite gehandelt werden, sondern als Sportlicher Berater oder Direktor - was Eriksson tatsächlich dann zur Hälfte bestätigte: "Diese Mannschaft hat einen guten Trainer, sie brauchen keinen neuen", stellte er klar. Er selbst sei als Berater der Familie Ismaik in der Arena, er bekomme dafür kein Geld. Nun reise er nach Schweden weiter, nachdem er zuletzt in München, Abu Dhabi und Berlin war. In welchen Fragen er den Investor genau berate, präzisierte Eriksson nicht, aber: "Ich bin ziemlich sicher, dass sie hier etwas Bedeutsames aufbauen wollen", sagte er in der Pause. Zuvor hatte der Schwede charmant übertrieben. Er habe "45 sehr gute Minuten" der Löwen gesehen, denen in der 38. Minute das 1:0 gelungen war. Volz, viel über rechts unterwegs, hatte geflankt, Lauth spitzelte den Ball mit der rechten Hacke ins Tor. Eine feine Aktion. Lauth ist seit Wochen - neben Torwart Gabor Kiraly - Sechzigs wertvollste Kraft. Es war sein sechster Treffer.

In der zweiten Halbzeit geriet das Spiel der Löwen ins Stocken, Paderborn wurde offensiver. Die Abwehr hielt dem Druck stand, aber es dauerte bis zur 72. Minute, ehe die Löwen sich gefährlich in Szene setzten. Nach einem Strafraumgewühl scheiterte Lauth mit einem Kopfball. Bis zum Ende blieb die Partie umkämpft, fast hätte Daniel Brückner in der letzten Sequenz den Ball zum Ausgleich ins Tor gehämmert. Doch Sechzig rettete die Führung. "Die Mannschaft hat um jeden Quadratmeter gekämpft", lobte Trainer Schmidt, der auch Kritik aussprach. "Wir hatten nicht mehr die Ruhe am Ball, wir haben Situationen nicht mehr spielerisch gelöst", tadelte er. Zufrieden durfte er dennoch sein, denn nach Erikssons Bekenntnis und dem Sieg war Schmidt der Gewinner. Und ein bisschen durfte sich auch Schneider so fühlen.

Offenbar hatte er bei den Verhandlungen mit Ismaiks Bruder Abdel Rahman am Montag einen zeitlichen Aufschub erwirkt: Die Installierung eines Trainers Eriksson ist vorerst abgewehrt. Viel Zeit zum Freuen bleibt nicht. Am Mittwoch ist die mit Spannung erwartete Delegiertenversammlung in Planegg, am Freitag muss das Team zum VfR Aalen. Und nebenbei stehen ja wichtige Gespräche mit Ismaik an, wobei sich 1860 zur Kontaktaufnahme nicht mehr an dessen bisherigen Vertreter Iraki wenden muss. "Ich berate ihn nur noch in anderen Belangen", sagte der Investmentbanker. Ismaiks Cousin soll mehr Verantwortung übernehmen; Noor Adnan Hasan Basha hatte im Gegensatz zu Ismaik das 1:0 miterlebt in der Arena. Iraki, der vermitteln will, fordert: "Man muss sich jetzt unbedingt an einen Tisch setzen." Für Ende nächster Woche hat Ismaik nun abermals einen Besuch angekündigt.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2012
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