Süddeutsche Zeitung

1860 im DFB-Pokal:"Ich gewinne gegen Schalke natürlich besonders gerne"

Stürmer Sascha Mölders überklebt den Namen "Schalke" auf seinem Trikot und beruft sich auf seine Ruhrgebietsherkunft. Die Löwen sind nach dem Sieg im Pokal kurz euphorisch - doch es ist die Situation in der Liga, die weiter Sorgen macht.

Von Christoph Leischwitz

Zur Halbzeit, auf dem Weg in die Kabine, sei ein Schalker Gegenspieler auf ihn zugekommen, erzählte Stefan Lex. "Ob's hier immer so zugeht", habe dieser wissen wollen. Lex hat ihm sinngemäß geantwortet: Ja, wenn Corona es zulässt. Vielleicht war es ja kein Zufall, dass die bislang wohl beste Saisonleistung des TSV 1860 München zusammenfiel mit der Rückkehr der aktiven Fanszene. Und damit dem ersten Spiel, zu dem das Grünwalder Stadion nicht nur ein bisschen voll und ein bisschen laut, sondern eben ganz voll und ohrenbetäubend laut war. Der Plan, die "aufgeheizte Atmosphäre" (Lex) für sich zu nutzen, war aufgegangen. "Ich glaub', des war eine Symbiose heut'", sagte der Siegtorschütze über die Stimmung beim 1:0 des Drittligisten im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten Schalke 04.

Nun ist es bei 1860 München so, dass es immer ziemlich zugeht, auch und gerade auch, wenn auf dem Platz nicht viel passiert. In den vergangenen Wochen allerdings war es schon fast bedrohlich still geworden beim TSV, der vergangene Saison nur einen Sieg von der Aufstiegs-Relegation entfernt gewesen war. Natürlich war auch die Rolle von Trainer Michael Köllner thematisiert worden, aber das ist branchenüblich, wenn selbstgesteckte Ziele so weit entfernt liegen: Der bislang letzte Sieg in der Liga datiert von Ende August, mit jedem Unentschieden rückt man den Abstiegsrängen näher.

Doch der ganz große Wutausbruch, egal ob von irgendeinem ehemaligen Spieler des Klubs oder von einem der sportlich Verantwortlichen, war ausgeblieben. Bei einem Verein wie 1860 München, in dem es stets etwa 1860 unterschiedliche Meinungen gibt, wirkt Stille fast schon resignativ. Das Pokalspiel kam gerade recht: Als Außenseiter lässt es sich etwas befreiter aufspielen.

1860 München hat den emotionalen Turnaround geschafft

Der Gemütszustand des gesamten Vereins lässt sich immer recht zuverlässig ablesen aus der Körpersprache und der Mimik von Sascha Mölders. Der 36-jährige Kapitän hat zuletzt auch kaum noch Tore geschossen, manche sahen ihn schon auf dem Weg vom Fußballgott zum Edelmaskottchen. Aber bereits am vergangenen Wochenende, beim 1:1 in Saarbrücken, hatte der zuletzt auf die Bank verbannte Mölders leicht aufsteigende Form gezeigt. Gegen Schalke war er mal wieder in seinem Element, auch wenn ihm kein Tor gelang.

Und prompt funktionierte auch wieder das Zusammenspiel mit den Medien vorzüglich. Den Schalke-Schriftzug auf dem Pokal-Trikot, das habe er als "Essener Junge" natürlich abkleben müssen, sagte er in die Fernsehkamera, während er seine beiden Kinder im Arm hielt: "Ich tue mich schwer damit, wenn Schalke 04 auf meinem Trikot steht." Und, folgerichtig: "Ich gewinne gegen Schalke natürlich besonders gerne." Mölders hatte das Ruhrgebiet 2010 mit seinem Wechsel von Rot-Weiss Essen zum FSV Frankfurt verlassen, pflegt die alten Rivalitäten aber offenkundig bis heute.

Köllner erwähnte kurz auch noch eine "magische Nacht", weil es ja gelungen war, zumindest die Fans einmal wieder abzuholen. Der emotionale Turnaround war geschafft. Doch wie tief die Sorge über den eigenen Zustand in der Liga sitzt bei den Löwen, das war nur Minuten nach der großen Pokal-Überraschung schon wieder herauszuhören.

Wer da in der nächsten Runde dann auf dem Feld stehe, das sei ihm egal, sagte Stefan Lex, "die Hauptsache ist, dass wir bis dahin möglichst viele Punkte in der Liga holen." Ob denn zumindest ein bisschen gefeiert werden könnte? Ganz trocken antwortete der 31-Jährige, er habe den Mitspielern schon gesagt: "Am Samstag können wir wieder was trinken, heute nicht." Am Samstag steht das Drittligaspiel gegen den Tabellennachbarn SC Freiburg II an - wenn da kein Sieg gelingt, dürfte die ganze Euphorie gleich wieder verfolgen sein.

Was man von dem Sieg mitnehmen könne? "Ich hoffe Selbstvertrauen, Überzeugung", antwortet Trainer Köllner

Die Außenverteidiger Yannick Deichmann und Phillipp Steinhart mussten in der aufreibenden Partie verletzt vom Feld. Angesichts dessen, dass der Pokalsieg auf Kosten von Personalnot in der Liga erkauft wurde - Steinhart fällt sicher aus, Deichmann ist fraglich -, merkte Lex zum Thema Feiern noch an: "Wir können es uns nicht leisten, in der Regeneration nachlässig zu werden. Sonst haut's uns am Samstag den nächsten raus."

Was man denn von dem Sieg mitnehmen könne? "Ich hoffe Selbstvertrauen, Überzeugung", antwortete Trainer Köllner. Das sei es doch, was "in den letzten Wochen ein bisserl abgegangen" sei. Es habe immer wieder diese Momente gegeben, in denen man das Überlegen anfange, und als er so über die Stimmung schwadronierte erschien nicht ganz klar, ob er damit nur die Spieler oder auch ein kleines bisschen sich selbst meinte in der Beurteilung der eigenen Arbeit. Das Schalke-Spiel habe gezeigt, dass man den eigenen Qualitäten doch vertrauen könne. Damit meint er: aggressiv zu Werke gehen, den Gegner unter Druck setzen, aber auch spielerisch zum Abschluss kommen. Wenn das sogar gegen Schalke klappt, und wenn, wie Köllner sagt, es bei Spielern wie Lex zuletzt "bergauf" gegangen sei, dann: Glückauf.

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