Dieser Satz von Julian Guttau auf eine Standardfrage hörte sich zunächst wie eine Standardantwort an. Aber ein einziges Wort kann einen großen Unterschied machen. Wie man jetzt bei 1860 München mit dieser Niederlage umgehen werde? Der 25-Jährige sagte: „Wir werden’s wahrscheinlich analysieren.“ Wenn man Trainern und unterlegenen Spielern glauben darf, wird im deutschen Profifußball so dermaßen viel analysiert, dass man sich fragen muss, ob eigentlich noch Zeit für Training bleibt.
Mit dem Zusatz „wahrscheinlich“ zielte Guttau darauf ab, dass sich sein Trainer eigentlich die Zeit sparen könnte nach dem Gastspiel beim VfL Osnabrück an diesem Samstag. Denn einen einzigen individuellen Fehler zum Gegentor muss man nicht lange analysieren, einen Pfostenschuss auch nicht, wenn überhaupt, müsste es am Ende der Analyse heißen: Weiter so! Ihr könntet vielleicht noch ein bisschen genauer zielen! Freilich, nach diesem 0:1 (0:1) an der Bremer Brücke und einem Blick auf die Tabelle steht mal wieder die Frage im Raum, ob man sich jetzt wieder Sorgen machen muss um die Löwen, die Abstiegsränge rücken schon wieder näher. Passende Antwort diesmal: wahrscheinlich nicht.
Trainer Patrick Glöckner hatte prophezeit, dieses Spiel würde kein Leckerbissen werden, Kampf werde im Vordergrund stehen. Schwer zu verdauen dürfte das Ergebnis sein, ungenießbar war der Auftritt aber nicht. Sechzig hatte viel Ballbesitz und Spielkontrolle, die Mannschaft gewann viele Zweikämpfe, sie hatte „vier, fünf gute Chancen, mehr kriegst du hier auch nicht“, sagte Glöckner. Es gab nur einen Schönheitsfehler. Es waren gerade fünf Minuten gespielt, da setzte der 18-jährige Lukas Reich zu einem fatalen Rückpass an. Reich hatte in der Länderspielpause zwei Einsätze in der U19-Nationalmannschaft absolviert, vielleicht stimmte jetzt im anderen Trikot das Timing nicht, der Ball war für seinen Kapitän Jesper Verlaat jedenfalls kaum zu erreichen. Osnabrücks Ba-Muaka Simakala überlief den Holländer und schob dann auch noch aus spitzem Winkel an Torwart Marco Hiller vorbei ins Tor.
In den folgenden 85 Minuten machte sich bemerkbar, dass in Patrick Hobsch und Maximilian Wolfram gleich zwei Offensivkräfte der Sechziger gesperrt fehlten (sie kommen zusammen auf 15 Tore und neun Vorlagen). Aber vier, fünf gute Chancen hatten sie eben trotzdem gehabt. Die erste davon gehörte Dickson Abiama. Der Leihspieler aus Kaiserslautern spielt stets auffällig und scheint unter Glöckner gesetzt zu sein, bleibt im Abschluss aber meist unglücklich und konnte noch kein Tor erzielen.
Diesmal köpfelte er aus aussichtsreicher Position knapp vorbei (10.). Weil diesmal auch die vielen Ecken und Freistöße des formstarken Tunay Deniz ungenutzt blieben, lag der Ausgleich erst wieder kurz vor der Pause in der Luft. Guttau verzog zunächst um 20 Zentimeter (40.), nach dem Seitenwechsel setzte er einen Ball an den linken Pfosten (49.). Manchmal, findet Glöckner, habe im Spiel nach vorne „die Leichtigkeit gefehlt“, insgesamt sei die Niederlage „sehr frustrierend, es regt mich total auf!“
Damit war er offensichtlich nicht alleine im Lager der Blauen: 150 bis 200 Löwen-Anhänger machten ihrem Ärger auf der Heimfahrt in einem ICE Luft, sie sollen andere Reisende belästigt und beleidigt haben. Die Fenster, Tische und Toiletten des Zugs wurden mit Fan-Parolen beschmiert und mit Stickern beklebt.
Die SpVgg Unterhaching verliert das Heimspiel gegen Alemannia Aachen
So wichtig ein Remis gegen den Tabellennachbarn aus Niedersachsen auch gewesen wäre: Bei Glöckner fällt auf, dass er selbst in brenzligen Situationen immer wieder Nachwuchsspielern die Gelegenheit gibt, sich zu bewähren. Diesmal durfte Tim Kloss, 20, für eine knappe Viertelstunde versuchen, einen Punkt zu retten. In der Nachspielzeit kam sogar der 19-jährige Mike Gevorgyan zu seinem Drittliga-Debüt – sein Torschuss aus 16 Metern kurz vor Abpfiff wurde geblockt, Osnabrück rettete das knappe 1:0 über die Zeit. Übrigens fielen in den fünf Drittliga-Partien am Samstagnachmittag gerade mal vier Treffer. Die SpVgg Unterhaching verlor das Heimspiel gegen Alemannia Aachen, das wegen des wackeligen Sicherheitskonzepts so lange auf der Kippe gestanden hatte, 0:2. Spät siegte noch Energie Cottbus (1:0), der nächste Gegner der Sechziger am kommenden Samstag.
Am Freitagabend hatten die Löwen bekanntgegeben, dass der Vertrag von Geschäftsführer Christian Werner verlängert wird. Der etwas technokratische Kommentar des Präsidenten Robert Reisinger lautete: „Wir freuen uns sehr, dass Christian Werner auch in Zukunft seine sportfachliche Expertise und seine strategische Kompetenz zur Weiterentwicklung des Profifußballs beim TSV 1860 München einsetzen wird.“ Reisinger darf bekanntlich im Sommer nicht mehr zur Neuwahl antreten, sein designierter Nachfolger Gernot Mang stand auch diesmal wieder mit den Fans im Gästeblock – Werner und Mang haben also schon genug Gelegenheit, sich kennenzulernen, wahrscheinlich nicht nur auf weiten Auswärtsreisen. Werner sagte bei Magentasport noch, dass er einfach „Riesenbock“ auf die Aufgabe habe. Es ist davon auszugehen, dass er auf Liga vier keinen Riesenbock hat, aber dazu kommt es ja nicht. Wahrscheinlich.