1860 München:Nadelstiche im Investorenduell

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1860 München spielt 1:1 beim prominent besetzten KFC Uerdingen. Trainer Bierofka ärgert sich über Herbert Paul, freut sich aber über das Unterzahlspiel.

Von Markus Schäflein

Von Rechtsverteidiger Herbert Paul ist bekannt, dass er gerne meditiert. Nach seiner Zeit beim FC Bayern München II war er eine Zeit lang arbeitslos, da flog er mit einer Freundin nach Sri Lanka in ein Kloster. "Du lebst halt in einem Gemäuer, trägst so eine Kutte und hast den ganzen Tag Affen und andere Tiere um dich herum", berichtete Paul einmal in der tz. Mittlerweile hat Paul wieder einen Job, beim Fußball-Drittligisten TSV 1860 München, und den ganzen Tag Löwen um sich herum. Das Meditieren hat er beibehalten. Auf dem Platz hingegen tritt Paul keineswegs meditativ auf. Am Samstag beim 1:1 in Uerdingen musste er - nach dem 1:3 gegen Jena - bereits den zweiten Gelb-rot-Platzverweis dieser Spielzeit hinnehmen.

Erst rauschte der 24-Jährige mit voller Wucht in Adam Matuschyk, und in der 65. Minute hielt er dann den vorbeieilenden Osayamen Osawe am Trikot fest. "Da muss er einfach den Gegner laufen lassen, da lasse ich lieber die Flanke zu", ärgerte sich 1860-Trainer Daniel Bierofka: "Er ist ein junger Spieler, das muss er noch lernen. Ein solches Risiko zu gehen, war in dieser Situation unnötig." Zumal sich die Spielanteile danach deutlich in Richtung der favorisierten Uerdinger mit ihren zahlreichen früheren Bundesligaprofis - darunter neben dem umgegrätschten Matuschyk auch die ehemaligen Sechziger Stefan Aigner und Maximilian Beister sowie Weltmeister Kevin Großkreutz - verlagerten. Gut für Sechzig war allerdings, dass aus dem Plus an Ballbesitz kein Plus an Chancen entstand. Nach Pauls Platzverweis hatten beide Teams noch je genau eine Großchance, das Spiel für sich zu entscheiden: Uerdingen bei einem Kopfball von Maximilian Beister, der knapp übers Tor ging (63.); Sechzig nach einem Konter über Nico Karger und Stefan Lex, als Efkan Bekiroglu den Ball ungedeckt über die Querlatte drosch (73.). "Ich bin sehr zufrieden, wie wir das in Unterzahl gemacht haben", verkündete Bierofka daher zu Recht.

Bis zu Pauls Platzverweis war es ein ausgeglichenes Duell der beiden gänzlich ungleichen Investorenklubs gewesen. Die Uerdinger Prominentenauswahl des russischen Alleinherrschers Michael Ponomarev, der der Löwen im Winter ihren verletzten Stürmer Adriano Grimaldi wegkaufte, traf auf eine deutlich günstigere, aber willensstarke Formation des TSV 1860. Dort soll der jordanische Investor Hasan Ismaik auf Wunsch des Präsidiums nicht mehr investieren soll, jedenfalls nicht mittels Darlehen und Genussscheinen. In der ersten Spielhälfte ergaben sich auf beiden Seiten keine Chancen, die Uerdinger Führung kurz nach dem Seitenwechsel kam daher überraschend. Nach einem Ballverlust von Daniel Wein gegen Matuschyk setzte sich Großkreutz über rechts bis zur Grundlinie durch und passte überlegt zurück auf Roberto Rodriguez, dessen Schuss, von Paul abgefälscht, an Hiller vorbei ins Tor flog (49.). Der Ausgleich folgte allerdings ebenso prompt wie verdient: KFC-Torhüter Rene Vollath unterlief nach einem Freistoß von Phillipp Steinhart ein Fehler, er ließ den Ball durch die Hände gleiten, und Felix Weber nutzte die Gelegenheit per Kopf zum 1:1 (53.). Der Kapitän, der ein starkes Spiel als Abwehrchef machte und zu seiner gewohnten Form zurückgefunden hat, stellte dann auch zufrieden fest: "Wir waren hochaggressiv, wir haben uns den Punkt verdient."

Uerdingens neuer Trainer Norbert Meier, der nun den ganzen Tag Ponomarev und den Grotifanten um sich herum hat, mühte sich, dem nicht gerade besonders zielstrebigen Ballbesitzfußball seiner Mannschaft etwas Positives zum Einstand abzugewinnen. "Wir haben immer wieder versucht, Chancen zu erarbeiten. Ich bin nicht unzufrieden", sagte Meier, 60, der Uerdingen bei drei Punkten Rückstand auf Platz drei noch zum Aufstieg führen soll. "Nach drei Niederlagen mit zehn Gegentoren war die Kompaktheit jetzt wichtig." Über mangelnde Kompaktheit konnte sich auch Bierofka nicht beklagen. "Wir haben Leidenschaft und Herz auf den Platz gebracht und sogar noch den einen oder anderen Nadelstich gesetzt", stellte er fest. Wobei sein Blick bei weiterhin vier Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze auch künftig nach unten geht. Das Heimspiel am nächsten Montag gegen den Tabellenletzten VfR Aalen ist ein Kellerduell, obwohl Sechzig auf Rang elf steht.

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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