1860 München:Jenseits von Chemnitz

TSV 1860 Muenchen v Eintracht Braunschweig - 3. Liga

Der TSV 1860 München hofft, mit Schwung aus der Corona-Pause zu kommen - und die dritte Liga bald zu verlassen.

(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images for DFB)

Zum Start in die Restrunde überzeugt der TSV 1860 München beim 4:1 gegen Braunschweig mit mutigem und selbstbewussten Offensivfußball.

Von Markus Schäflein

Es dauerte eine ganze Weile, bis man bei diesem fulminanten Start des TSV 1860 München in die Restrunde der dritten Fußball-Liga einen Schönheitsfehler fand. Es dauerte sogar bis weit nach dem Schlusspfiff. Da stand Dennis Dressel, der Torschütze zum zwischenzeitlichen 2:0 beim 4:1 (2:1) gegen Eintracht Braunschweig, auf dem Zaun, um mit den Fans zu feiern. Dabei wurde klar, mit was für Schuhen er den Treffer für die Blauen erzielt hatte: mit roten! "Zieht dem Dressel die roten Schuhe aus!", forderten also singend die Anhänger, und der Mittelfeldspieler kam dem Wunsch nach.

Ansonsten gab es am optischen Gesamtbild der Löwen beim achten Spiel ohne Niederlage hintereinander kaum etwas zu beanstanden. Wer gefürchtet hatte, die Winterpause habe ihren Lauf unter dem neuen Trainer Michael Köllner unterbrochen, sah, dass sie in der Pause erst recht Schwung aufgenommen hatten. "Wir haben vor der Winterpause gut gearbeitet, wir haben in der Winterpause sehr gut gearbeitet", formulierte es Aaron Berzel, der Kapitän Felix Weber vorerst aus der Innenverteidigung verdängt hat, und: "Wir haben einen spielerischen Ansatz gefunden." Für Drittligaverhältnisse nicht ganz gewöhnlich, bei Köllner aber üblich, ist ja, dass sie überhaupt einen suchen. "Wir hatten einen klaren Plan und haben ihn gut umgesetzt", meinte auch Dressel, und dieser Plan war: auch nach seinem Treffer "in jeder Minute aufs 3:0 oder dann aufs 3:1" zu spielen - mutigen und selbstbewussten Offensivfußball zu zeigen.

Und weil auch die zu den Aufstiegskandidaten zählenden Braunschweiger mitspielten, wurde es eine sehr ansehnliche Partie. Efkan Bekiroglu führte Regie; der junge Noel Niemann, wie erwartet in der Startelf, rannte und presste ohne Unterlass; der etwas ältere Sascha Mölders traf mal wieder zwei Mal; und auch sonst ließ sich kaum einer finden, der nicht explizit zu loben gewesen wäre. Die Löwen gingen früh in Führung, Bekiroglu setzte auf dem linken Flügel Phillipp Steinhart ein und verwertete dessen Flanke dann per Kopf. "Ich als Achter muss auch mal torgefährlich werden", sagte Bekiroglu, "ich hoffe, das Tor wird mir auch anerkannt." Steffen Nkansah hatte den Ball beim Rettungsversuch nämlich noch abgefälscht (7.).

Dann zeigten sich mal kurz die beiden neuen Stürmer der Eintracht, im Winter aus der zweiten Liga gekommen: Marvin Pourie (vor zehn Jahren mal bei 1860 tätig, bis sein Vater im Training "Marvin, wir gehen!" rief) kam vom Karlsruher SC; Merveille Biankadi, ausgebildet beim FC Bayern und beim FC Augsburg, kam aus Heidenheim. Pourie setzte Biankadi in Szene, der das Tor allerdings verfehlte (11.).

Niemann und Bekiroglu werden bei der Auswechslung gefeiert, als seien die Löwen aufgestiegen

Danach kamen wieder nur noch die Löwen zu Chancen, Dressel traf rotbeschuht nach einer Drehung per Flachschuss (22.), Daniel Wein (23.), Berzel (24.) und Sascha Mölders (26.) scheiterten allesamt an Eintracht-Torwart Jasmin Fejzic. Der Anschlusstreffer der Braunschweiger nach einer halben Stunde durch einen Kopfball von Marcel Bär kam mehr als überraschend. Weitere gute Chancen der Münchner, zum Beispiel durch Wein, Dressel und Berzel, folgten. Es hätte 4:1 zur Pause stehen können, es stand aber 2:1, und Köllner musste in der Pause an seine Mannschaft appellieren, das Spiel weiterhin "zu dominieren", wie er berichtete.

Was sie dann auch tat. Nachdem sich Braunschweig eine Weile ergebnislos um mehr Offensive bemüht hatte, kamen die Löwen zum 3:1, in der 67. Minute, "zum denkbar günstigsten Zeitpunkt", wie Köllner fand - durch Mölders auf Vorlage von Stefan Lex. Beim 4:1 (79.) war wieder Lex der Vorbereiter und wieder Mölders der Schütze, dann verhinderte der Innenpfosten (82.) einen Hattrick des 34-jährigen Angreifers, der mittlerweile doch zu einem weiteren Jahr bei Sechzig zu tendieren scheint. "Sascha ist alt genug, um kluge Entscheidungen zu treffen", meinte Berzel dazu.

Niemann und später Bekiroglu wurden bei ihren Auswechslungen gefeiert, als seien die Löwen aufgestiegen, und bei noch vier Zählern auf Rang drei gab Bekiroglu die Gefühlslage korrekt wieder, als er sagte: "Jeder macht sich Hoffnung, dass man am Ende oben schnuppern kann." Köllner schnupperte in die andere Richtung, roch aber von den Abstiegsplätzen her kaum noch etwas: "Wir sind glücklich und zufrieden, dass wir den Abstand auf Chemnitz von neun auf elf Punkte ausbauen konnten. Das war die Prämisse."

Viel zu verbessern gibt es bei den Löwen derzeit nicht, außer natürlich Dressels Schuhwerk. Er plant da allerdings keine Änderung: "Ich werde sie wohl noch ein paar Spiele lang tragen, denn sie haben mir heute Glück gebracht." Auf den Zaun wird er allerdings wohl nicht mehr damit steigen. "Rote Schuhe sind da scheinbar nicht so gerne gesehen", stellte Dressel fest. Es war nun wirklich die am wenigsten überraschende Erkenntnis des Nachmittags.

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