Schon unter der Woche hatten sie hart daran gearbeitet, inmitten des Drittliga-Abstiegskampfs noch dämlicher auszusehen als sowieso schon. Am Mittwoch hatten die Profis des TSV 1860 München in einem 50-Minuten-Match gegen ihre eigene U21 verloren, in einem öffentlichen Spiel, die Blamage hatte also höchste Aufmerksamkeit bekommen. Solche Randnotizen finden später gerne den Weg in eine Chronik, wenn man absteigt.
So manche Szene aus dem Pflichtspiel am Samstag aber auch.
Der nächste Höhepunkt an Lächerlichkeit ereignete sich in Spielminute 49 bei Hannover 96 II: Jesper Verlaat köpfelte aus fünf Metern gedankenschnell aufs Tor, nachdem der gegnerische Keeper Leon-Oumar Wechsel den Ball fallengelassen hatte. Alle Gegner waren überwunden, doch der Ball klatschte an den Rücken des Mitspielers Philipp Maier. Der hatte nämlich schon abgedreht, weil er die Eckballflanke nicht erreicht hatte, und stand nun zur schlechtesten Zeit am schlechtesten Ort. Genau genommen stand er im Moment der Ballberührung schon hinter der Linie, also im Tor. Ob die Kugel die Linie komplett überquert hatte, wird ein Rätsel bleiben in einer Liga ohne Torlinientechnik. Der Schiedsrichter pfiff jedenfalls Abseits. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Löwen 0:1 zurück.

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Am Faschingsdienstag im Jahr 1900 begann die Geschichte des Fußballvereins, der seitdem auf vielen Plätzen der Stadt Erfolge gefeiert hat – vom ersten Bolzplatz im Künstlerviertel bis zur Arena am Stadtrand.
Die Szene hatte für ein paar der weit angereisten Fans etwas so Demütigendes, dass sie das Stadion verließen und sich ein Spiel auf einem Nebenplatz des Eilenriedestadions ansahen. Doch 25 Spielminuten genügten, um aus den Deppen der Woche die Helden der Woche werden zu lassen: Sechzig siegte 3:1, hielt damit einen Abstiegskandidaten auf Distanz und verschafft sich selbst ein bisschen Luft. 13 Endspiele hatte Trainer Patrick Glöckner unlängst ausgerufen, Finalspiele also von Anfang März bis Ende Mai – „das erste Finale haben wir gewonnen“, freute sich Torschütze Tunay Deniz nach dem Spiel am Magenta-Mikro.
Auch das perfekt herausgespielte Gegentor (27.) hatte zunächst schon etwas Demütigendes. In Valmir Sulejmani traf nun schon zum neunten Mal in der laufenden Saison ein einstiger Sechziger gegen seinen ehemaligen Klub. Der 29-Jährige hatte in seinen zwei Jahren für Sechzig auch Tore erzielt – im Länderpokal gegen den 1. FC Stockheim (Bezirksliga), gegen den TSV Aindling (Landesliga) und gegen die SpVgg Heßdorf (Kreisliga) – in der 3. Liga aber kein einziges. Für Hannover II lief er erst zum zweiten Mal auf und kehrte, pünktlich für das Spiel gegen Sechzig, von einer Rotsperre zurück.
„Was hast du jetzt verbrochen? Das kann ja nicht sein, dass man als Mannschaft so bestraft wird“, das waren die Gedanken, die Trainer Glöckner dann nach dem slapstickhaften Nicht-Tor von Verlaat und Maier plagten. Doch er fand auch: „Wichtig ist, dass du nicht ins Zweifeln kommst.“ Und da wollte er nach zuletzt zwei deutlichen Niederlagen mit gutem Beispiel vorangehen. Unter der Woche hatten sich schon die kritischen Fragen aufgrund seiner überaus positiven Sicht auf die jüngsten Leistungen gehäuft.
Hannover hilft kräftig mit beim Sieg des TSV 1860
Es war dann Tunay Deniz, einer jener Spieler, die zuletzt eher verunsichert auftraten, der die Wende brachte. Allerdings unter starker Mithilfe des 19-jährigen Hannoveraner Keepers Wechsel, der überraschend in der Startelf stand. Er stellte vor dem Freistoß in der 66. Minute eine Ein-Mann-Mauer so weit versetzt, dass für Deniz das nahe Toreck komplett offenstand. „Ich bin ein bisschen bekannt für meine Geniestreiche, das habe ich heute bewiesen“, sagte er nach dem Spiel. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen für die ausstehenden zwölf Endspiele.
Es folgt prompt ein ähnlicher Streich: von einem Spieler, der zuletzt wegen seines Leistungsabfalls besonders in der Kritik und in Hannover deshalb zunächst nicht auf dem Platz stand. „Er kann definitiv mehr. Vielleicht ist er ein bisschen überspielt, vielleicht hat er sich zu sehr unter Druck gesetzt“, hatte Trainer Glöckner unter der Woche über Julian Guttau gesagt. In Hannover kam der 25-Jährige erst nach einer Stunde ins Spiel, zehn Minuten später traf er mit einem traumhaften Volleyschuss aus 17 Metern zum 2:1 (70.). Weil dann auch noch der eingewechselte Patrick Hobsch mit einem Kopfball gegen die Laufrichtung des Keepers traf (76.), hatte Glöckner an diesem Nachmittag letztlich alles richtig gemacht. „Es war ein Spiel mit zwei genialen Momenten“, fand er, bescheinigte seiner Mannschaft aber auch diesmal eine insgesamt gute Leistung. In der ersten Halbzeit hatten sie allerdings die Unsicherheiten des Gegners nicht genutzt, auch hatten sie aus dem Spiel heraus wenige Möglichkeiten – alle drei Löwen-Tore fielen nach ruhenden Bällen.
Beim 0:3 acht Tage zuvor gegen die Mannschaft der Stunde, Arminia Bielefeld, habe man sich in gewisser Weise „die Tore selber reingeschossen“, fand Glöckner. Angesichts der Maierschen Rückenabwehr darf man sagen: Diesmal haben sie sogar ein Tor selbst nicht reingeschossen. Doch sie haben eben auch schon zum zweiten Mal unter dem neuen Trainer ein Spiel gedreht. Und so wird sich Philipp Maier wohl noch einiges anhören dürfen von den Kumpanen, aber er wird darüber lachen können.