Freunde und Verwandte von Patrick Glöckner werden am Samstag nicht im Grünwalder Stadion sein. „Es ist leider so, dass ich das erstmal verboten habe“, sagt der neue Trainer des TSV 1860 München. Er würde sowieso keine Zeit haben für Smalltalk, „den Fokus erstmal komplett auf Sechzig“, sagt der 48-Jährige, und merkt spitzbübisch an: „Ich habe einfach gesagt, es ist ausverkauft.“ Lachen im Presseraum. Das war schon lange nicht mehr zu hören beim nervösen Fußball-Drittligisten.
Glöckners Vorgänger Argirios Giannikis beantwortete auf Pressekonferenzen jede Frage so schnell und technokratisch, als müsste er ein Pferderennen moderieren. Dessen Vorgänger wiederum, Maurizio Jacobacci, legte immer so viel Pathos in seine Worte, dass es dem Humor zu eng wurde. Egal, wie das Spiel eins unter dem neuen Cheftrainer ausgehen wird gegen den VfB Stuttgart II (14 Uhr), das hat er schon einmal hinbekommen: dass die Stimmung gelöster ist. Jetzt mal sehen, wie lange.
Eigentlich hat Glöckner mit seiner scherzhaften Ausrede ja ein bisschen Glück, die Partien waren zuletzt nämlich nicht ausverkauft, oder zahllose Jahreskarten-Inhaber waren zu Hause geblieben. Womöglich schöpfen die Fans jetzt wieder etwas Hoffnung und werden neugierig. Neben Glöckner und dessen Co-Trainer Nicolas Masetzky kommt ja auch noch Philipp Maier vom SSV Ulm, der im Mittelfeld für Zucht und Ordnung sorgen soll. „Ich bin generell ein aggressiver Typ“, sagt Glöckner über sich selbst, und es scheint, als solle die Mannschaft diesen Wesenszug übernehmen. Als wichtigstes „Stilmittel“ gegen die junge Stuttgarter Mannschaft habe man „Zweikämpfe gewinnen“ ausgemacht.
Wenn es also darum geht, den vermeintlichen Widerspruch aufzulösen zwischen nötigem Defensivfußball (nach 1:11 Toren in drei Spielen) und der Wiederbelebung der Heimatmosphäre auf Giesings Höhen, dann also am liebsten mithilfe der Kampfbereitschaft. Lustigerweise ist es genau das, was Giannikis zuletzt eingefordert hatte. Glöckner sagt es nur anders. Und wenn er anmerkt: „Wenn man nicht bereit ist, für sich zu laufen, dann muss man das eben für die Anhänger tun“, dann hört es sich schon ein wenig so an, als ob da ein Kern des Problems gefunden wurde: das, was Marco Hiller nach dem 0:4 in Saarbrücken „Alibi-Fußball“ genannt hatte.
Schwierig wird die Aufgabe aber schon allein deshalb, weil „wir ein bisschen improvisieren müssen“, wegen all der verletzten Spieler. Auf der Rechtsverteidiger-Position zum Beispiel könnte am Samstag ein Talent stehen, es könnte aber auch zu einer „Neukreierung“ kommen, dass also ein Routinier eine andere Position übernimmt. Glöckner spricht von „Taktgebern“, die nötig sind. Danach gefragt, wer diese Taktgeber sein könnten, antwortet er: „Das kann ich gerne machen. Ich kann Ihnen auch gleich die ganze Aufstellung sagen.“ Lachen.
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass beide Gesellschafter dem neuen Trainer wohlwollend gegenüberstehen – gleichzeitig!
„Ich bin wie ein Fisch, der ins Wasser geworfen wurde“, freut er sich, nach 22 Monaten trockener, trainerfreier Zeit. Jegliche Haifischbecken-Sinnbilder verbitten sich erst einmal. Es scheint ja tatsächlich so zu sein, dass beide Gesellschafter dem neuen Trainer wohlwollend gegenüberstehen – gleichzeitig! Zumindest hatte Geschäftsführer Christian Werner freie Hand bei der Entscheidung gehabt, er durfte einen Kandidaten seines persönlichen Vertrauens aussuchen, keine Selbstverständlichkeit bei Sechzig. Bei Bekanntgabe von Glöckners Verpflichtung hatte sich Werner bei Investor Hasan Ismaik für etwas bedankt, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nämlich für „die Tatsache, dass HAM Ltd. keine Auflagen und Forderungen an die KGaA gestellt hat“.
Doch natürlich hat auch Glöckner schon Tabuthemen zu umgehen. Dass Angreifer Patrick Hobsch vom Liga-Konkurrenten Rot-Weiss Essen umworben sein soll, dazu könne er gar nichts sagen. Was bedeuten würde, dass er ihn noch nicht einmal gefragt hat. Aggressiv ist das nicht gerade. Die Zurückhaltung der Löwen bei diesem Thema spricht eher für einen Weggang.