1860 München„Das beste Spiel, das ich je von einer meiner Mannschaften gesehen habe“

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Soichiro Kozuki  (Nummer 14, von links), Dickson Abiama und Tim Danhof bejubeln mit Patrick Hobsch (Zweiter von links) dessen Tor zum 4:0.
Soichiro Kozuki  (Nummer 14, von links), Dickson Abiama und Tim Danhof bejubeln mit Patrick Hobsch (Zweiter von links) dessen Tor zum 4:0. (Foto: Heike Feiner/Eibner/Imago)

1860 München glückt gegen den Tabellenzweiten Energie Cottbus dank seiner wohl besten Saisonleistung ein 5:1-Kantersieg. Selbst von einer kuriosen Fehlentscheidung der Unparteiischen zu seinen Lasten lässt sich der Drittligist nicht irritieren.

Von Christoph Leischwitz

Wenn eine Mannschaft im Abstiegskampf gegen den Tabellenzweiten 5:1 gewinnt, wenn hernach der Trainer vom „besten Spiel, das ich je von einer meiner Mannschaften gesehen habe“ (1860-Coach Patrick Glöckner) spricht, und wenn danach trotzdem erst einmal alle nur über diese eine Fehlentscheidung sprechen, dann muss diese Fehlentscheidung sehr eklatant gewesen sein. „Das ist ja wieder Wahnsinn“, sagte Kapitän Jesper Verlaat über die Szene aus der vierten Spielminute. Das „wieder“ bezieht sich darauf, dass sich 1860 München in der laufenden Saison schon öfter von Schiedsrichtern benachteiligt gefühlt hatte – Löwen-Geschäftsführer Christian Werner hatte das Thema unter der Woche noch einmal aufgegriffen.

Es war zum Augenreiben: Ein Abstauber von Sechzigs Soichiro Kozuki wurde zwar noch aus dem Tor gedroschen, aber für einen Großteil des Publikums deutlich sichtbar einen Meter hinter der Torlinie. Der Grund für diese Fehlentscheidung scheint dann obendrein ein sehr kurioser zu sein.

„Wollen wir das mal unter den Teppich kehren“, sagte Patrick Hobsch, der die denkwürdige Szene eingeleitet hatte. Er konnte das sagen, weil Sechzig gegen den auswärtsstarken Tabellenzweiten Energie Cottbus eine solch „extreme Energie auf dem Platz“ hatte (Hobsch), dass Sechzig 5:1 (3:0) gewann. Damit egalisierten die Löwen nicht nur das Ergebnis des Hinspiels, sie haben jetzt endgültig einen lange währenden Heimfluch abgelegt und sich „viel Frust von der Seele geschossen“, wie Kapitän Jesper Verlaat erklärte. Durch Giesing zog anschließend ein Jubelmarsch.

Dabei hatten die Löwen monatelang damit zu kämpfen gehabt, Rückschläge eben nicht richtig verarbeiten zu können. Diesmal hatten sie eine Woche zuvor äußerst unglücklich in Osnabrück 0:1 verloren, dann dieses nicht gegebene Tor, nach dem die labile Sechzig-Mannschaft aus der Hinrunde wohl wieder völlig verunsichert nach dem Faden im Spiel gesucht hätte. Diesmal aber: „Super Reaktion. Wir können da wieder lamentieren, aber wir legen drei Dinger rein“, freute sich Verlaat.

Nach 37 Minuten stand es 3:0. Ausgerechnet Dickson Abiama, der noch kein Tor für Sechzig erzielt hatte, traf nach einer knappen Viertelstunde, obwohl er sich bei seinem Antritt den Ball eigentlich schon zu weit vorgelegt hatte – das machte den anschließenden Lupfer umso schöner. Tunay Deniz traf per Freistoß (18.), bei dem sich die Fans zuvor empört hatten, weil es keinen Elfmeter gab, und Hobsch nach sehenswerter Vorarbeit von Sean Dulic. Jenem 19-jährigen Innenverteidiger, der nun auch schon offensiv Akzente setzt, und von dem auch Trainer Glöckner findet, dass er schon jetzt ein Garant für die neue, defensive Stabilität ist.

Und so war der Fehler des Schiedsrichtergespanns insofern folgenschwer, dass er noch deutlicher aufzeigte, wie gefestigt Sechzig gerade spielt. Das sei schon seit Wochen so, findet Hobsch, „aber das heute war die Krönung, das war die beste Saisonleistung“. Und er war sich sicher: Die Schiedsrichter werden sich am meisten über diesen Fehler ärgern.

Soichiro Kozuki drückt den Ball über die Linie, doch die kleinen Banden der Firma "Burg Wächter" versperrten dem Linienrichter offenbar die Sicht.
Soichiro Kozuki drückt den Ball über die Linie, doch die kleinen Banden der Firma "Burg Wächter" versperrten dem Linienrichter offenbar die Sicht. (Foto: Sven Leifer/foto2press/Imago)

Die Frage muss allerdings erst noch beantwortet werden, ob die Schiedsrichter alleinige Schuld tragen. Festzustellen, ob der Ball hinter der Linie ist, das ist eigentlich die Aufgabe des Assistenten an der Seite. Doch der hatte keine gute Sicht, weil nämlich direkt neben den Toren im Grünwalder Stadion kleine, etwa 50 Zentimeter hohe Werbebanden abgelegt sind – ironischerweise für einen Schlösser- und Tresorhersteller. Auf Nachfrage erklärte Glöckner nach der Pressekonferenz, der Assistent habe sich entschuldigt und erwähnt, er habe den Ball wegen der Bande nicht gesehen. Die fehlende Torlinientechnik in der dritten Liga hat schon öfter Diskussionen ausgelöst, umso wichtiger wäre eine freie Sicht für die Unparteiischen.

„Ich glaube, heute ist bei vielen der Knoten geplatzt“, sagt Kapitän Verlaat

Die zweite Halbzeit wurde dann zum Schaulaufen der Löwen, die jetzt gewillt sind, noch in der gerade gestarteten englischen Woche „einen Haken“ hinter das Abstiegsthema zu machen, wie Patrick Hobsch es ausdrückte. Aufstiegsaspirant Cottbus war jedenfalls so konsterniert, dass Trainer Claus-Dieter Wollitz schon zur Pause vierfach wechselte. Mehr als ein fünfminütiges Zwischenhoch, in dem der Ehrentreffer durch Timmy Thiele (71.) gelang, bekamen die Lausitzer aber nicht zustande. Außerdem hatte Hobsch da schon lange seinen zweiten Treffer des Tages per Kopf erzielt (50.), den Schlusspunkt setzte Julian Guttau kurz vor der Nachspielzeit, sein Schuss wurde entscheidend abgefälscht. Auf den 1:0-Torschützen Abiama angesprochen, ob bei dem 26-jährigen Leihspieler jetzt vielleicht der Knoten geplatzt sei, sagte Verlaat: „Ich glaube, heute ist bei vielen der Knoten geplatzt.“

Trainer Glöckner hat der Mannschaft fraglos neues Selbstvertrauen eingehaucht. Woher dann aber die von ihm gelobte „Leichtigkeit“, die Schnörkellosigkeit in den Angriffen und die konsequente Zweikampfführung plötzlich herrühren, das konnte er auch nicht bis ins letzte Detail beantworten. „Fehler machen ist bei mir irrelevant, es geht immer darum, wie reagierst du auf den Fehler.“ Oder auf Rückschläge. Nach dem Spiel machte dann noch ein Foto von einer komplett zerstörten Gästetoilette die Runde, auch das Thema Vandalismus bleibt der dritten Liga bis auf Weiteres erhalten. Wenn die Löwen am Mittwoch an selber Spielstätte aber auch den SV Sandhausen schlagen, dürfte sich in München zumindest das Thema Abstieg bald verabschieden.

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