1860 in der 3. Liga:Das Thema Aufstieg ist nun bald endgültig durch

1860 in der 3. Liga: Maurizio Jacobacci reagiert verhalten - der neue Löwen-Coach zeigte in Duisburg ohnehin wenig Emotionen.

Maurizio Jacobacci reagiert verhalten - der neue Löwen-Coach zeigte in Duisburg ohnehin wenig Emotionen.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Wieder führen die Löwen, wieder gibt's am Ende eine Enttäuschung: Das 2:2 des TSV 1860 in Duisburg führt zu veritablem Frust - dabei hatte der neue Trainer Jacobacci personell einiges versucht.

Von Christoph Leischwitz

Psychologisch ist dieses Phänomen nicht leicht zu erklären: 1200 Fans des TSV 1860 München waren nach Duisburg gereist, um die Mannschaft zu unterstützen. Fast fünf Monate liegt der letzte Auswärtssieg zurück, die Stimmung im Verein ist nicht einfach im Keller, sie bewegt sich Richtung Erdkern. Trotzdem ist der Auswärtsblock auch beim MSV wieder voll, und auch nächstes Mal: für das Gastspiel gegen Erzgebirge Aue in einer Woche haben sich schon jetzt 1600 Löwen-Fans angekündigt. Man könnte dies als bedingungslose Unterstützung werten.

Aber dann stehen diese Fans nach dem Schlusspfiff im Block, die enttäuschten Spieler schleichen mit hängenden Köpfen auf sie zu, und sie rufen: "Wir ham' die Schnauze voll." Und nächste Woche haben sie womöglich wieder die Schnauze voll. Einer, der zu allen Auswärtsspielen mitreist, sagt dazu, "das Gefühl, jetzt treu bleiben zu müssen", das treibe wohl viele an. Aber Spaß mache die ganze Sache schon länger nicht mehr.

Am Donnerstag war der neue Trainer Maurizio Jacobacci gefragt worden, ob denn die Mannschaft nicht auch einmal einen Psychologen zu Rate ziehen sollte. "Schaden könnte es natürlich nicht, wenn er gut ist", hatte der 60-Jährige geantwortet. Es würde nach dem Spielverlauf in Duisburg noch weniger schaden, einen Seelenklempner zu konsultieren: Nach 2:0-Führung schafften es die Löwen auch diesmal nicht, wie schon vor einem Monat in Oldenburg, einen Sieg einzufahren - 2:2 (0:0) stand es am Ende. Die Floskel, zuletzt von Angreifer Marcel Bär bemüht, dass einfach mal wieder "einer reinfallen" müsse, um Sicherheit ins Spiel zu bekommen, kann jetzt auch nicht mehr bemüht werden. Jacobacci sah nach dem Spiel gute spielerische Ansätze, rein kämpferisch könne er der Mannschaft "sowieso keinen Vorwurf machen. Aber das ist auch die Pflicht."

Dass die Mannschaft einfach nicht mehr gewinnen kann, hat vielerlei Folgen. Erstens ist das Thema Aufstieg nun bald endgültig durch, inzwischen ist der Abstand zum Relegationsplatz auf zehn Punkte angewachsen. Auf die Abstiegsplätze werden es freilich immer weniger (mittlerweile sind es zwölf). Zweitens: Auch wenn die Leistungen der vergangenen Wochen oft geeignet waren, die Schnauze voll zu haben, so lag auf einem sportlichen Erfolg immer noch die größte Hoffnung, endlich mal wieder Ruhe hineinzubekommen in den tief zerstrittenen Verein. Die lautstarke Enttäuschung, die sich diesmal im Gästeblock Bahn brach, ist vielleicht auch so zu verstehen: sich einfach mal kurz über etwas freuen anstatt sich monatelang im Streit zu suhlen, nicht einmal das klappt.

Ruhe ist auch das erklärte Mittel von Maurizio Jacobacci. Vielleicht legt er dabei sogar etwas zu viel Ruhe an den Tag. Denn dem Trainer war keinerlei Begeisterung anzumerken, als sein Matchplan aufzugehen schien: Joseph Boyamba erzielte im Gegenzug nach einer dicken MSV-Chance die überraschende Führung für die Sechziger (61.), nachdem sich die Mannschaft zuvor aufs Verteidigen konzentriert hatte. Jacobacci stand da am Seitenrand und machte sich eine Notiz in ein kleines Blöckchen. Der Torschütze feierte das 1:0 mit einem Flickflack, lief dann auf den Trainer zu. Es gab eine kurze Umarmung, dann schubste Boyamba den Trainer mit wütendem Gesicht von sich weg. Fast wirkte das wie eine Aufforderung, sich doch bitte etwas mehr zu freuen.

Raphael Holzhauser saß ebenso auf der Bank wie Angreifer Marcel Bär

Boyamba dürfte dankbar gewesen sein für seinen Startelf-Einsatz. Unter dem Interimstrainer und Geschäftsführer Günther Gorenzel wurde der 26-jährige Flügelspieler kaum berücksichtigt. Ein bisschen hatte Jacobacci seine Ankündigung wahrgemacht und die Elf umgebaut, ohne Rücksicht auf große Namen: Raphael Holzhauser saß ebenso auf der Bank wie Angreifer Marcel Bär, der allerdings nach dem 1:0 aufs Feld kam. "Ich möchte den Cello aus der Schusslinie nehmen", hatte Jacobacci vor dem Spiel bei Magentasport gesagt, dann werde dieser wieder "seine Leistung abrufen können."

Der Plan ging nicht auf, das 2:0 fiel trotzdem, allerdings erzielte es der Duisburger Tobias Fleckstein (72.) nach einer energischen Vorarbeit von Christopher Lannert auf der rechten Angriffsseite. Zu diesem Zeitpunkt gab es aber auch schon eine Hiobsbotschaft für den Sechzig-Coach: In Minute 67 musste Yannick Deichmann verletzt vom Feld. Ihn hatte Jacobacci in seinen zwölf Tagen Amtszeit schon öfter als wichtigen Führungsspieler bezeichnet.

"Wir haben es verpasst, Ruhe ins Spiel zu bringen und eigene Fehler zu vermeiden", sagte Jacobacci dann über das, was im Anschluss passierte. Der ohnehin an diesem Tag sehr unsichere Semi Belkahia schoss im Spielaufbau Julian Hettwer an, der 19-Jährige übersprintete mit Ball Belkahia ohne Mühe, umkurvte Torwart Marco Hiller und traf zum 1:2 (77.). Drei Minuten später erzielte Alaa Bakir den umjubelten Ausgleich mit einem abgefälschten Schuss. Da waren die Löwen-Schnauzen voll.

Und so zahlreich die Unterstützung auswärts auch sein mag: Für das Duell am Dienstagabend gegen Tabellenführer SV Elversberg, in der Hinrunde noch das absolute Spitzenspiel, waren bis zuletzt immer noch Tickets erhältlich.

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:Der Investorenbruderflüsterer

Der frühere Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny brachte den neuen Trainer Jacobacci zu den Löwen. Er war des Öfteren Gast am Investorentisch im VIP-Bereich. Dass er für die Investorengruppe Pacific Media Group arbeitet, löst Spekulationen aus.

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