Süddeutsche Zeitung

1860 München gegen Dresden:Die Rückkehr des Herbstblues

Lesezeit: 3 min

Drittligist TSV 1860 verspielt die Führung gegen Dynamo Dresden und verliert 1:2. Nach einem vielversprechenden Auftakt fallen die Münchner in alte Verhaltensmuster zurück.

Von Christoph Leischwitz, München

Fünf Minuten vor dem Ende setzte plötzlich ein Schneesturm über dem Grünwalder Stadion ein, als ob die höheren Mächte sagen wollten: Macht Schluss, es ergibt doch keinen Sinn mehr!

Tatsächlich passierte unten auf dem Rasen nichts Erwähnenswertes mehr, der TSV 1860 München verzeichnete in dem so wichtigen Drittliga-Spiel gegen seinen Verfolger Dynamo Dresden nur noch eine Halbchance, verlor verdient 1:2 (1:0). Und die Fans verloren offenbar den Glauben daran, dass es mit dem Aufstieg in die zweite Liga noch etwas werden könnte. Empörte Rufe waren zu hören, als die Spieler in Richtung Kabine gingen, in ihren Gesichtern spiegelte sich Ratlosigkeit. "Wir müssen jetzt als Mannschaft mal die Köpfe zusammenstecken", sagte Mittelfeldspieler Tim Rieder auf die Frage, wie es nun nach nur einem Sieg in den vergangenen sieben Spielen weitergehen soll. Wie es allerdings mit dem Trainer Michael Köllner weitergeht, das hing nach dieser Niederlage am Montagabend noch in der Schwebe.

Neun Tage zuvor, beim 2:1 gegen den FSV Zwickau, hatten die Sechziger noch auf gefrorenem Rasen mit Schneeüberzug gespielt - und zumindest phasenweise mal wieder so etwas wie Kombinationsspiel aufgezogen. Neun Tage später sah das Geläuf sattgrün wie im Hochsommer aus - und für einige Minuten wirkte es tatsächlich so, als hätten die Sechziger ihren Herbstblues endgültig abgelegt. Die Gäste aus Dresden kamen zunächst gar nicht über die Mittellinie, Sechzig gewann fast jeden Zweikampf. Um zum Erfolg zu kommen, bedarf es aber auch nicht immer eines Kombinationsspiels, manchmal reicht auch ein einzelner, ballsicherer Spieler, der sich etwas vorgenommen hat. In der fünfte Minute eroberte Albion Vrenezi die Kugel nahe der Mittellinie und sprintete los, und vom Strafraumrand setzte der 29-Jährige einen perfekten Schuss ab, der an den Innenpfosten klatschte und zur umjubelten Führung ins Netz flog. Aber: "Nach 20 Minuten hat man noch kein Spiel gewonnen", resümierte der Torschütze später selbst.

"Wir waren in der Kette unsortiert", sagte Köllner hernach, "bitter, dass wir dieses Spiel weggegeben haben."

Doch mit zunehmender Spieldauer fielen die Löwen wieder in die Verhaltensmuster der vergangenen Wochen zurück. Plötzlich ging der Ball wieder regelmäßig in der eigenen Hälfte verloren, Torwart Marco Hiller zeigte Schwächen bei Befreiungsschlägen, längere Ballbesitzphasen gab es für die Gastgeber nicht mehr. Und Raphael Holzhauser strahlte diesmal wenig Souveränität aus, es war ein unglücklicher Auftritt des Routiniers. Dresden kam immer besser ins Spiel, das aber auch immer hitziger wurde. So sahen nicht nur Phillipp Steinhart und Semi Belkahia Gelb, sondern auch der ehemalige Sechziger Manuel Schäffler, der für Dresden auf der Bank saß.

Dort saßen zu Beginn auch in Stefan Lex, Jesper Verlaat und Marcel Bär der Kapitän, der Abwehrchef und der Torschützenkönig der vergangenen Saison. Lex und Verlaat wurden zur zweiten Halbzeit eingewechselt, wieder waren die ersten Minuten die auffälligsten, Leandro Morgalla und Verlaat kamen per Kopf zum Abschluss (47., 49.). Doch der Ausgleich in der 56. Minute war zu diesem Zeitpunkt dann doch verdient: Holzhauser und Steinhart ließen Ahmet Arslan völlig ungehindert vom Strafraumrand flanken, Verlaat spekulierte offenbar auf Abseits - doch Stefan Kutschke hatte sich genau im richtigen Moment angeschlichen und köpfelte zum 1:1 ein. "Wir waren in der Kette unsortiert", sagte Köllner hernach, "bitter, dass wir dieses Spiel weggegeben haben."

Ein Dahinplätschern der Partie wurde erst einmal nur durch Meckereien von den Rängen und Rudelbildungen auf dem Platz verhindert. Gefährlicher blieben die Gäste, auch, weil im defensiven Mittelfeld der Sechziger immer wieder Lücken entstanden. So auch in der 76. Minute, als Niklas Hauptmann unbedrängt auf Dennis Borkowski durchstecken konnte, der behielt im Eins-gegen-eins mit Hiller die Nerven. Dresden hatte das Spiel gedreht. Der später eingewechselte Bär köpfelte noch einmal zu zentral aufs Tor (85.), der Rest war Gestöber.

Auf die Frage, wie es für ihn selbst weitergeht, sagte Köllner nur: "Die Mannschaft wird alles dafür tun, auswärts zu gewinnen." Man fahre am Wochenende gemeinsam nach Oldenburg. Es hörte sich so an, als fahre er mit.

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