Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Die sechs Wünsche des Hasan Ismaik

  • Bis Freitag 15.30 Uhr muss Hasan Ismaik dem TSV 1860 München elf Millionen Euro überweisen - sonst bekommt der Klub keine Drittliga-Lizenz.
  • Es droht der Abstieg in die Regionalliga - aber auch dort könnte der Investor dem Klub erhalten bleiben.
  • Die DFL teilt nun mit, eine von Ismaiks Forderungen sei nicht mit der 50+1-Regel vereinbar.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Dienstag, beim Untergang des TSV 1860 München in der Zweitliga- Relegation gegen Jahn Regensburg in der Fröttmaninger Arena, trat Anthony Power erstmals nach mehreren Wochen wieder ins Rampenlicht. "Ismaik raus", rief auf der Ehrentribüne angeblich Thomas Probst, der Kassenwart der 1860-Amateurfußball-Abteilung - und da stürmte Anthony Power, der ehemalige Löwen-Geschäftsführer, auf Probst los. Drei Männer hätten Power, einen Vertrauten des jordanischen Investors Hasan Ismaik, zurückhalten müssen, hieß es.

Diese verhinderte Schlägerei symbolisierte die Lage: Nach dem verheerenden Misserfolg von Ismaiks Plänen, begünstigt durch den Kuschelkurs des Plüschtier-Präsidenten Peter Cassalette, sind die schon immer großen Gräben zwischen dem e.V. und dem Investor tief wie lange nicht. Und dies, kurz bevor Ismaik an diesem Freitag bis 15.30 Uhr elf Millionen Euro bereitstellen muss, um wenigstens für die dritte Liga die Lizenz zu sichern. Power ist also noch da. Und angesichts des Rückzugs von Ian Ayre am Montag wäre Powers Rückkehr auf den Geschäftsführer-Posten der KGaA, der ausgegliederten Profiabteilung der Löwen, eine Möglichkeit, die Ismaik in Erwägung ziehen könnte.

Am Donnerstag erschien Power mal wieder in der Geschäftsstelle in Giesing. Um die Personalie durchzudrücken, würde Ismaik die Mehrheit im vierköpfigen Beirat benötigen, in dem außer ihm noch sein Bruder Yahya sowie Cassalette und der Vereinsvertreter Markus Drees sitzen. Mit Drees hat sich der Jordanier längst überworfen. Bei Cassalette weiß niemand, was er gerade für ein Spiel spielt.

Überwiesen hatte Ismaik am Donnerstagnachmittag nicht. Dafür bestätigten die Vizepräsidenten Heinz Schmidt und Hans Sitzberger in einem Schreiben, dass Ismaik "sein finanzielles Engagement zur Erfüllung der Lizenzbedingungen bereits im Vorfeld der Relegationsspiele ligaunabhängig an eine Reihe von Forderungen geknüpft" hatte, "die der Verein aus rechtlichen und organisatorischen Gründen in der gewünschten Form nicht erfüllen kann" (SZ vom 1.6.). Sie betonten, dass sie Ismaik dies auch beweisen könnten: "Entsprechende Stellungnahmen des Ligaverbands stützen unsere Einschätzung." Ismaik veröffentlichte ein Schreiben mit seiner Sicht der Dinge: "Auch die DFL hat mittlerweile die meisten unserer Vorschläge für die Änderung der gesellschaftsrechtlichen Struktur genehmigt."

Aus einer Stellungnahme der DFL, die der SZ vorliegt, geht aber hervor, dass in den entscheidenden Punkten genau diese Genehmigung eben nicht vorliegt.

Der Investor bleibt also aktiv - es gibt ja für ihn zwei Möglichkeiten, an Bord zu bleiben. Entweder gibt er mit seinen Forderungen klein bei und überweist trotzdem das Geld. Oder die Zahlung bleibt aus - und 1860 kann ab diesem Freitag für die Regionalliga planen. Was aber längst nicht bedeuten würde, dass Ismaik raus und die KGaA insolvent wäre. Der abgetretene Geschäftsführer Ian Ayre betonte, dass alle Gehälter gezahlt seien. Aus Spielerkreisen war zu erfahren, dass sie am Donnerstag tatsächlich eingetroffen waren. Die KGaA könnte auch in der vierten Liga unter Ismaiks Führung fortbestehen.

Sollte der Investor auf seinen sechs Forderungen aus jenem Briefwechsel bestehen, der der SZ vorliegt, wird es eine Drittligazukunft jedenfalls nicht geben. Er wünscht: Erstens die Verlegung von Kompetenzen aus dem paritätisch besetzten Beirat der KGaA in den Aufsichtsrat, in dem er die Mehrheit besitzt (nur teilweise möglich). Zweitens die partielle Abschaffung des Weisungsrechts des e. V. an den KGaA-Geschäftsführer (gar nicht möglich). Drittens die Übertragung der Jugendabteilung aus dem e.V. in die KGaA (im Verein äußerst umstritten).

Viertens fordert Ismaik einen "hinreichenden Nachweis, dass die Gemeinnützigkeit des e.V. gesichert ist". Sichern ließe sich diese allerdings gerade dann, wenn die KGaA Sachwerte, etwa eine Immobilie oder Fußballplätze, an den e.V. abgibt. Die e.V.-Vertreter antworteten hierauf, sie hätten ihre Lösungsvorschläge "dem jeweiligen Geschäftsführer (...), zuletzt im Oktober 2016 Herrn Gerges bzw. im Dezember 2016 Herrn Power bzw. Anfang Mai 2017 Herrn Ayre" mitgeteilt, sie warteten aber "bis heute leider auf eine Antwort". Ismaik wiederum erklärte: "Auch hier hat der e.V. anerkannt, dass dieses Problem ausschließlich sein Fehler ist und dass er es allein lösen muss." Widersprüchlicher könnten die Stellungnahmen der beiden Gesellschafter kaum sein.

Fünftens fordert Ismaik eine "Neuverhandlung des Servicevertrages zwischen der KGaA und dem e.V.", dessen vorgesehene Zahlungen von der KGaA an den e.V. zuletzt nicht mehr geleistet wurden. Und sechstens eine "Rückübertragung aller Marken und Rechte, die im Jahr 2013 unter suspekten Umständen (...) an den Verein zurückübertragen wurden". Es handelt sich dabei laut dem Antwortschreiben der Vereinsvertreter um die Marken "Turn- und Sportverein von 1860 e.V." und "TSV München von 1860 e.V." - diese seien "Anfang der 2000er Jahre versehentlich mit ausgegliedert" und unter Übergangspräsident Hep Monatzeder auf Wunsch der e.V.-Mitglieder rückübertragen worden. Ismaik meinte, es seien noch andere Marken übertragen worden. "Die Einnahmen aus diesem Bereich belaufen sich (...) auf maximal 15 000 Euro im Jahr", teilten die e.V.-Vertreter mit, "sollen wir uns dem Willen der Mitglieder widersetzen für einen vergleichsweise niedrigen Betrag?"

An diesem Freitag geht es jedenfalls erst einmal um elf Millionen. Ismaik erklärte überraschend, es gebe "keinerlei Kontroverse über unsere Wünsche", die Führung des e.V. habe es bloß "bisher nicht geschafft, (...) zu reagieren oder Ergebnisse zu liefern". Ismaik erklärte zudem: "Die einzige Kontroverse zwischen den Parteien ist hinsichtlich des Zeitrahmens."

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Quelle:
SZ vom 02.06.2017/schm
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