1860 München:"Der Klub und meine 60 Prozent stehen nicht zum Verkauf"

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Hasan Ismaik im November 2016 bei einer Pressekonferenz. (Foto: imago/Sven Simon)
  • Investor Hasan Ismaik sagt, dass er trotz des Mitgliedervotums gegen ihn seine Anteile an der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht verkaufen wolle.
  • Der Klub hat trotzdem ab jetzt sechs Monate Zeit, den Kooperationsvertrag mit Ismaik zu kündigen.
  • Wenn Ismaik nicht einlenkt, müssen sich die Vereinsvertreter auf eine langwierige juristische Auseinandersetzung einstellen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Das Wort "unverzüglich" ist vorzüglich geeignet, Geschichte zu schreiben. Es hat schon die sogenannte Deutsche Demokratische Republik eingerissen, warum also nicht auch die Mauern beim TSV 1860 München?

Am Abend des 9. November 1989 geriet Günter Schabowski kurz vor dem Ende einer Pressekonferenz in Ost-Berlin ins Stammeln. Er war gerade gefragt worden, ab wann wohl die gerade verkündete neue Reglung für die Ausreise aus der DDR gelten solle? Nervös blätterte der SED-Funktionär in den Unterlagen. Dann antwortete Schabowski: "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich!" Und schon rollten die Trabis in Richtung innerdeutschen Grenze und damit in die Freiheit, obwohl die Ausreise eigentlich nicht unverzüglich, sondern geregelt und kontrolliert vonstatten gehen sollte.

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Auf einer hitzigen Mitgliederversammlung stimmt der TSV 1860 für die Beendigung des Kooperationsvertrages. Der Verein hat nun sechs Monate Zeit, sich vom jordanischen Investor zu trennen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Bei der Mitgliederversammlung des TSV 1860 München spielte das Wörtchen ebenfalls eine große Rolle. Allerdings wurde es am Abend des 23. Juli 2017 nicht gestammelt, sondern auf den letzten Drücker gestrichen. Und deshalb verzögert sich der Weg des Klubs in die Freiheit so oder so noch ein wenig. Wenn er überhaupt beschritten werden kann. Auf Bitte des Präsidium wurde das Wort aus dem Antrag von Ulla Hoppen entfernt, den Kooperationsvertrag mit dem jordanischen Investor Hasan Ismaik aufzukündigen. Anstatt unverzüglich Fakten zu schaffen wie Schabowski, haben der frisch bestätigte Präsident Robert Reisinger und seine Stellvertreter nun ein halbes Jahr Zeit, den Antrag auf Scheidung von Ismaik einzureichen. Wenn Ismaik bis dahin nicht einlenkt und seine Anteile verkauft, müssen sich die Vereinsvertreter auf eine langwierige juristische Auseinandersetzung einstellen. In Hoppens Antrag steht zudem: "Nach Zustimmung des Verwaltungsrats." Das ist eine haftungsrechtlich wichtige Passage - der frühere Präsident Gerhard Mayrhofer etwa hat sich einst nicht getraut, den damaligen Geschäftsführer Gerhard Poschner mittels 50+1-Regel zu entlassen, weil ihm der Auftrag des Verwaltungsrats fehlte.

Etwas unscheinbarer kam ein Antrag der beiden neuen Verwaltungsräte Sascha Königsberg und Sebastian Seeböck daher, der aber nicht minder brisant ist. Für Anteilsveräußerungen ist in Mitgliederversammlungen künftig eine Dreiviertelmehrheit notwendig; bislang mussten nur zwei Drittel der Anwesenden zustimmen. Die Hürde, Anteile des e.V. an Ismaik oder einen Dritten zu veräußern oder eine Kapitalerhöhung vorzunehmen und auf diese Weise die Anteilsverhältnisse zu verschieben, ist künftig also enorm.

Mit 346 Ja- und 79 Nein-Stimmen wurde dieser Antrag ebenfalls, gegen die Bedenken von Vereinsanwalt Guido Kambli, spät am Abend angenommen - als die Mehrzahl der Mitglieder die Veranstaltung längst verlassen hatte, zermürbt von endlosen Berichten der Abteilungsleiter, Anträgen auf Geheimwahl und mangelnder Verpflegung angesichts der schnell vergriffenen Wiener (die Behauptung Ismaiks, der Verein werde "wie eine Würstchenbude" geführt, ist seit Sonntag eindeutig widerlegt). Insbesondere die Anhänger der investorenfreundlichen Fanorganisation Arge waren längst gegangen - einerseits, weil sie von weiter her angereist waren, andererseits, weil sie sich ohnehin in der deutlichen Minderheit sahen, wie der stellvertretende Arge-Vorsitzende Andy Kern meint: "Die Anträge wären sowieso durchgegangen." Dass insgesamt so wenige Arge-Fans erschienen waren, verwunderte ihn nicht: "Die Leute sind der Vereinspolitik müde. Wir können sie ja nicht hinprügeln."

Dass Ismaiks Bruder Yahya nicht in den Verwaltungsrat gewählt und bei seiner Vorstellung ausgebuht und ausgelacht wurde, dass im Auditorium zudem ausdauernd die Melodie des Spottlieds "Scheiß auf den Scheich" gepfiffen wurden, rundete das Bild ab, dass der Investor - zumindest von der großen Mehrheit der Anwesenden - nicht mehr gewünscht ist. Ismaik zeigte sich von der offensichtlichen Aversion am Montag gegenüber der SZ wenig beeindruckt. "Was passiert ist, ist okay. Meine Antwort ist: Der Klub und meine 60 Prozent (an der KGaA, d. Red.) stehen nicht zum Verkauf. Das war nicht die Mehrheit. Die Mehrheit sind 25 000 Mitglieder. Die, die gestern erschienen sind, waren gegen mich als arabischen Investor."

Dass sein Bruder nicht in das Kontrollgremium gewählt worden ist, sei sogar "besser" so, findet Ismaik - warum auch immer.

Die Gruppe, die der investorenfreundliche Fanklubverband Arge gestellt hatte, sei leider "very little" gewesen, also sehr klein. Dazu ergänzte er: "Wenn der e.V. den Kooperationsvertrag kündigen will, ist das okay für mich. Warten wir das Gerichtsurteil ab." Damit meint er seine Klage gegen die 50+1-Regel. Ohne juristische Gegenwehr wird Ismaik auf den Vertrag, der ihm die komplette Machtübernahme für den Fall eines Sturzes der 50+1-Regel garantiert, wohl auch nicht verzichten.

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Aus dem fernen Singapur meldete sich dann auch noch Uli Hoeneß zu Wort. "Solange dieses Hickhack um den Herrn Ismaik nicht beendet ist, wird Sechzig nicht weiterkommen", sagte der Präsident des FC Bayern. Er sprach sich für einen Einstieg des Münchner Geschäftsmanns Gerhard Mey aus. "Als ich vor einigen Wochen gelesen haben, dass der Gesellschafter von Webasto offensichtlich Interesse hat, da einzusteigen, wenn der Ismaik da aufhören würde, da habe ich mir gedacht, hoppla, das wäre mal eine Sache, die man ernst nehmen sollte", sagte Hoeneß.

Stellt sich nur noch die Frage, ob die Mitglieder von 1860 ernst nehmen, was Uli Hoeneß denkt.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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