Süddeutsche Zeitung

Aus von 1860-Trainer Bierofka:Zerrieben im Machtkampf

Daniel Bierofka war der Kitt in einem zerstrittenen Klub, weil ihm sein Herz für Sechzig alle abnahmen. Falls der Erfolg unter seinem Nachfolger ausbleibt, werden die Gräben sich vertiefen.

Kommentar von Markus Schäflein

Bayern bebt: Binnen 48 Stunden haben die drei großen Traditionsklubs des Freistaats ihre Trainer gewechselt. Beim Bundesligisten FC Bayern München war es der spektakulärste Vorgang, beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg der notwendigste, und beim kuriosen Drittligisten TSV 1860 München selbstredend der kurioseste. In Giesing ging der Trainer von selbst.

Es ist ja nicht so, dass Daniel Bierofka keine Lust mehr auf den Job beim TSV 1860 hat, obwohl er so sehr an dem Klub hängt. Die Wahrheit ist: Daniel Bierofka hat keine Lust mehr darauf, weil er so sehr an ihm hängt. Er ist mehr gewesen als der Trainer, er ist sogar mehr gewesen als ein echter Löwe und eine Galionsfigur. Er war der oberste Fan. Wenn er am Wochenende gewann, war es seine größte Genugtuung, wenn er verlor, nagte es die ganze Woche an ihm. Er wollte den größtmöglichen sportlichen Erfolg, zurück in die zweite Liga; der vom Präsidium im Machtkampf mit Investor Hasan Ismaik ausgerufene Konsolidierungskurs setzte ihm dementsprechend zu. In seiner so genannten Freizeit akquirierte er private Gönner, um noch den einen oder anderen Spieler zu verpflichten. Es gibt nicht Wenige, die behaupten, Bierofka habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren 24 Stunden am Tag für Sechzig gearbeitet. Das dürfte der Wahrheit zumindest recht nahe kommen.

Nun kann und will Bierofka nicht mehr. Auch deshalb, weil er der erklärte Lieblingstrainer Ismaiks war, von ihm zu einem Ebenbild des Trainergottes Jürgen Klopp stilisiert wurde und immer wieder instrumentalisiert wurde im klubpolitischen Zwist. Sein möglicher Abschied wurde von der Investorenseite permanent als Drohkulisse benutzt; die Vereinsseite fühlte sich bemüßigt zu erklären, dass der TSV 1860 München auch nach Bierofka existieren werde. Dazu kam das Gerede über sein für Drittligaverhältnisse zweifelsohne hohes Gehalt, das deshalb so hoch war, weil es Ismaik so wollte, das zum neuen Sparkurs aber nicht passte. Das war alles viel Druck, viel zu viel.

Nun, da Bierofka weg ist, wurde er in der abschließenden, ellenlangen Pressemitteilung von allen in den Löwenhimmel gelobt. Bierofka sei "der Anker für das taumelnde Schiff" gewesen, fand Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold, zudem laut Sportchef Günther Gorenzel ein "unglaublicher Fachmann an der Linie", und natürlich: "das Gesicht des Vereins" (Präsident Robert Reisinger). Der Trainer, der sich gemobbt fühlte, wird gestaunt haben über diese warmen Worte von allen Seiten.

Bierofka, der langjährige Löwenspieler, der Aufstiegstrainer, war auch für die wegen des Gesellschafterzwists zerstrittenen Fans eine wichtige Figur. Er war der Kitt des Klubs, weil ihm sein Herz für Sechzig alle abnahmen, die Unterstützer von Reisinger ebenso wie die Ismaik-Getreuen, die Freunde des Grünwalder Stadions ebenso wie die Anhänger aus dem Bayerischen Wald. Wenn nun der sportliche Erfolg unter einem neuen Trainer ausbleiben sollte, drohen die Gräben noch tiefer zu werden. Das Präsidium hat ja Recht mit seiner Aussage, Sechzig werde auch nach Bierofka existieren. Aber es wird nicht mehr dasselbe sein.

Mit dem FC Bayern oder dem Club wird es in nächster Zeit ohnehin nicht mehr viel gemeinsam haben - außer eben den Zeitpunkt des Trainerwechsels.

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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