1860-Trainer Maurizio Jacobacci:Erst träumen, dann machen

1860-Trainer Maurizio Jacobacci: "Das nächste Ziel sollte sein, eine Serie zu starten": 1860-Trainer Maurizio Jacobacci.

"Das nächste Ziel sollte sein, eine Serie zu starten": 1860-Trainer Maurizio Jacobacci.

(Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Schon lange hatte sich Maurizio Jacobacci dafür interessiert, Trainer in Deutschland zu werden. Um eine Chance zu bekommen, bedurfte es der speziellen Situation beim TSV 1860 München- nun ist er fest entschlossen, sie zu nutzen.

Von Markus Schäflein, München

Maurizio Jacobacci heißt eigentlich nicht Maurizio Jacobacci. Der Trainer des TSV 1860 München sitzt im Biergarten des Löwenstüberls bei einem Latte Macchiato, er hat viel Zeit. Er hat noch keine Wohnung in München, er logiert in einem Hotel, aber eigentlich wohnt er, wenn er nicht gerade schläft, an der Grünwalder Straße 114. Jacobacci verbringt den ganzen Tag am Klubgelände, arbeitet auf dem Platz und im Büro, redet mit den Menschen, geht ins Fitnessstudio. Also hat er es nicht eilig, und im Plaudern kommt er dann darauf, dass er eigentlich Maurizio Iacobaccio heißt. Den Buchstaben J gibt es im Italienischen ja gar nicht.

"Der Name hat eine eigene Story", sagt Jacobacci. Das O am Ende ging schon in der Generation seiner Großeltern in Süditalien verschütt, und das J kam dann auf einem Amt in der Schweiz hinzu, in die seine Eltern als Gastarbeiter kamen. "Der Name wurde irgendwann mal so geschrieben, und mein Vater hat ihn dann nicht korrigiert. Da stand er dann mit einem J." Der Buchstabe steht auch sinnbildlich dafür, dass er zu einem Schweizer wurde: "Ich habe ja immer dort gelebt."

Und das J steht auch für die Geschichte seiner Familie. Die Jacobaccis lebten in Bern zunächst in einfachen Verhältnissen, die Wohnung war viel zu klein, mit einem Gemeinschafts-WC auf dem Flur. Beide Eltern arbeiteten viel und hart, und als Maurizio sechs Jahre alt war, konnte sich die Familie einen Umzug leisten in ein Hochhausquartier, nun gab es ein Bad in der Wohnung und zwei Schlafzimmer, "das war für uns ein bisschen Luxus". Die begrünten Innenhöfe waren seine Welt, "da haben wir Fußball gespielt, nach der Schule, vor dem Abendessen, nach dem Abendessen, so lange es hell war".

Jacobacci wurde Fußball-Gastarbeiter beim BSC Young Boys, man kannte ihn später als kleinen Dribbler mit halblangen Haaren, er wurde 1987 Schweizer Meister mit Xamax Neuchatel, im Uefa-Pokal schoss er mal ein Tor gegen Real Madrid. Und so blieb er auch als Trainer beim J: "Meine Eltern haben heute wieder ein I, mein Bruder auch, aber ich wollte den Namen natürlich nicht mehr ändern."

"Ich habe einfach gedacht, Deutschland könnte für mich als Trainer eine gute Sache sein - und auch für die Spieler."

Maurizio Jacobacci weiß, was es bedeutet, beharrlich zu sein, sich durchsetzen zu müssen. Erst zu träumen und dann zu machen. Er musste bis 2001 fünf Jahre lang warten, bis er in der Schweiz endlich für das Trainerdiplom der Uefa-Pro-Lizenz zugelassen wurde. Und da ist ja auch die Geschichte mit seiner Lebenspartnerin Ilona Hug, der Witwe des in der Schweiz berühmten Kickboxers Andy Hug. "Ich habe sie durch das Fernsehen und die Presse wahrgenommen, als eine sehr spannende und attraktive Frau", sagt Jacobacci. Und er suchte dann die Möglichkeit, sie kennenzulernen. Nach ein paar Monaten klappte das auch, "bei einem Event, bei dem die Rockgruppe Gotthard gespielt hat. Ich kannte Leute von dieser Band, und sie auch, und so kam es dann zu diesem ersten Treffen." Aus dem Treffen wurde ein gemeinsames Leben.

Geträumt, gemacht, so ist es auch mit Jacobaccis Trainerstation in Giesing. Er hat für viele Klubs in der Schweiz gearbeitet, aber er wollte schon lange einen Job in Deutschland. "Die deutschen Tugenden, was Mentalität anbelangt, Beharrlichkeit, nie aufgeben, entspricht meinen Idealen, und ich habe einfach gedacht, Deutschland könnte für mich als Trainer eine gute Sache sein - und auch für die Spieler." Zudem fand er die dritte Liga spannend, "weil sie die Möglichkeit gab, weitere Klubs zu professionalisieren" - so wie in der Schweiz die Promotion League, aus der Jacobacci mit Schaffhausen in die zweite Liga aufstieg.

1860-Trainer Maurizio Jacobacci: "Sie brauchten jemanden, der ihnen zu Hilfe kam." - Trainer Maurizio Jacobacci ist mit der Entwicklung seiner Mannschaft sehr zufrieden.

"Sie brauchten jemanden, der ihnen zu Hilfe kam." - Trainer Maurizio Jacobacci ist mit der Entwicklung seiner Mannschaft sehr zufrieden.

(Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Seit etlichen Jahren schielt er schon nach Deutschland, erzählt er, aber auf das so genannte Trainerkarussell aufzuspringen, gelang ihm lange nicht - zu viele saßen da schon. "Bewerbungen hat es viele gegeben, aber es ist schwierig reinzukommen", sagt er. "Es haben ja so viele die Uefa-Pro-Lizenz. Bevor man einen ausländischen Trainer holt, schaut man oft: Was haben wir hier bei uns?"

Es bedurfte der speziellen Situation bei 1860, mit zerstrittenen Gesellschaftern, einem kleinen Budget, das nur ein paar Monate reichte, Absagen vieler Kandidaten, Uneinigkeit über andere Bewerber, um eine Chance in Deutschland zu bekommen. Und Jacobacci, der eine Vertragslaufzeit nur bis zum Saisonende akzeptierte, ist fest entschlossen, sie zu nutzen: "Das Ziel ist, diese Arbeit dann weiterzuführen." In seiner Probezeit braucht er "gewisse Resultate", das weiß er, vor allem aber eine sichtbare Entwicklung. "Natürlich schaut der Klub jetzt: Wie arbeitet der Trainer mit diesem Team, was gedenkt er zu machen?" Am Wochenende in Aue gelang ihm nach einer Niederlage und zwei Remis der erste Sieg, aber: "Vor diesem ersten Sieg war unser wichtigster Sieg, wieder eine Einheit zu werden."

"Die Seuche ist, wenn ich denke: Ich mache heute etwas weniger. Heute habe ich keine Lust."

Jacobacci fand Ende Februar ja eine Mannschaft vor, die keine mehr war. "Es brauchte wirklich auch meinerseits sehr viel Energie, die ich aber gerne gegeben habe, weil man sieht: Sie warteten auf irgendetwas, das sie selbst nicht lösen könnten. Sie brauchten jemanden, der ihnen zu Hilfe kam." Was war da passiert, dass diese Mannschaft, die aufsteigen sollte und so gut in die Saison gestartet war, unter Interimstrainer Günther Gorenzel und zuvor schon unter Michael Köllner derart hilflos wurde? "Es schleicht sich einfach irgendetwas rein, auf das man nicht aufpasst, das man nicht anspricht", meint Jacobacci. "Das geht dann weiter und nimmt Überhand. Der schleichende Prozess ist ein gefährlicher Prozess, denn man kann ihn irgendwann nicht mehr aufhalten. Wenn man ihn zu Beginn nicht wahrnimmt, ist es wie eine Seuche."

Es gab einiges zu kurieren an der Grünwalder Straße, berichtet Jacobacci. "Die Seuche ist, wenn ich denke: Ich mache heute etwas weniger. Heute habe ich keine Lust. Wieso trainieren wir so lange? Ich spiele ja sowieso nicht, und wieso spielt der andere? Ich muss ja ins Training kommen, weil ich Freude habe, meine Mitspieler zu sehen, mit ihnen etwas auf die Beine zu stellen." So setzt der Trainer im zentralen Mittelfeld etwa auf den 18-jährigen Marius Wörl, der diese Freude ausstrahlt: "Er hat sich aufgedrängt durch seine Trainingsleistung und seine Unbekümmertheit, das Nicht-so-viel-Überlegen war für mich ein wichtiger Aspekt." Auch der für die dritte Liga hoch veranlagte Offensivspieler Jo Boyamba kommt unter Jacobacci wieder zum Zug - und zeigt sein Können.

Offensiv schätzt Jacobacci Individualisten, wie er selbst als Spieler einer war, bei der Defensivarbeit hingegen setzt er auf klare Vorgaben und enge Abstände. "Miteinander verteidigen heißt: Man kann sich auch ausruhen. Damit ich dann die Kräfte bündeln kann, wenn ich offensiv agieren will", sagt er. In Aue habe die Mannschaft "den Matchplan fast zu hundert Prozent umgesetzt", und das soll sie auch an diesem Sonntag (13 Uhr) gegen Borussia Dortmund II wieder tun: "Das nächste Ziel sollte sein, eine Serie zu starten, und eine Serie fängt immer an bei zwei Siegen hintereinander."

Um den ursprünglich angepeilten Aufstieg noch zu schaffen, wäre bei zehn Punkten Rückstand schon eine monströse Serie nötig. Von Planungen für den höchstwahrscheinlichen Fall einer weiteren Drittligasaison ist an der Grünwalder Straße aber nichts zu spüren, Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel steht in der Kritik, 14 Spielerverträge laufen aus. "Ich hoffe, dass sie nicht Nägel mit Köpfen bei den Spielern machen, bevor eine Philosophie klar ist und ein Trainer eingebunden werden kann", sagt Jacobacci. "Aber schon heute bin ich dazu regelmäßig mit Günther Gorenzel im Austausch." Er ist ja fest entschlossen, dieser Trainer zu sein.

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