TSV 1860 München:"Es wird getrickst, getäuscht und getarnt"

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Aufgemerkt: Hasan Ismaik hat sich mal wieder zu Wort gemeldet, und er sagt: "Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass in diesem Verein so dermaßen falsch gespielt wird." (Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Am Sonntag findet die Mitgliederversammlung des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München statt.
  • Davor herrscht Unruhe, mal wieder.
  • "Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass in diesem Verein so dermaßen falsch gespielt wird", teilt Investor Hasan Ismaik mit.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Am Sonntag findet die Mitgliederversammlung des Fußball-Drittligisten TSV 1860 München statt, und man fragte sich schon lange, wann denn nun der Wahlkampf der Investorenseite und ihrer Anhänger beginnen würde. Nun gut, der 70-jährige Allgemeinmediziner Thomas Schummer aus Mainburg hatte einen Rundbrief an alle Mitglieder verschickt, in dem er dazu aufrief, das Präsidium um Robert Reisinger nicht wieder zu wählen - weil es keine Darlehen von Investor Hasan Ismaik annehmen möchte und daher "Amateurisierungstendenzen" zu erkennen seien. Aber sonst war wenig los, eine angekündigte Demonstration am Trainingsgelände fand nicht statt, und Ismaiks Münchner Statthalter Saki Stimoniaris, der gerne anstelle von Reisinger Präsident wäre und normalerweise gerne Pressemitteilungen verschickt, tritt seltsamerweise seit Wochen nicht mehr in Erscheinung.

Nun also doch noch ein großer Wahlkampfauftritt, und siehe da, Trommelwirbel: von Ismaik selbst, und zwar nicht auf Facebook, sondern diesmal im Fachmagazin Kicker. Er wünsche sich, "dass so viele Mitglieder wie möglich zur Wahl gehen und ein Zeichen setzen für die Vernunft". Also: für ihn - wobei Ismaik spätestens seit der von ihm maßgeblich mitverantworteten Geldverbrennungssaison 2016/17 samt Regionalliga-Abstieg von Teilen der Anhänger nicht mehr als Inbegriff von Vernunft gesehen wird. "Wenn Robert Reisinger wiedergewählt werden sollte, ist das kein positives Signal für die Zukunft", sagte er. "Wenn dagegen die Vernunft einkehrt, fliege ich am nächsten Tag gleich nach München und bin bereit, über alle wichtigen Dinge zu sprechen, damit der Profifußball von 1860 wieder aufsteht."

"Ich werde meine Anteile niemals verkaufen"

Das Präsidium um Reisinger hatte Ismaik klare Regeln gesetzt, um Geld in den Klub zu stecken: Sponsoring oder Genussscheine bei Sofortüberweisung. Mit diesem Vorschlag kann der Investor erwartungsgemäß nichts anfangen, aus seiner Perspektive dürfte es sich um ein Scheinangebot handeln. "Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass in diesem Verein so dermaßen falsch gespielt wird", teilte er nun mit. "Es wird getrickst, getäuscht und getarnt - nur um mich loszubekommen."

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Allerdings, und das ist zwar nichts Neues, klingt aber immer wieder spektakulär: "Ich werde meine Anteile niemals verkaufen. Nicht heute, nicht in fünf Jahren. Und auch nicht in 30 Jahren." Er werde allerdings "erst wieder Geld geben, wenn 1860 es schafft, vernünftig zu wirtschaften. Die andere Alternative: Diese unsinnige 50+1-Regel fällt." Dann hätte der Investor aufgrund der Vereinbarungen, die im Kooperationsvertrag festgehalten sind, das alleinige Sagen in der Profifußball-KGaA.

Zuletzt hatte sich Ismaik allerdings durchaus bereit gezeigt, Geld zu geben - um ein Engagement des Hauptsponsors "Die Bayerische" zu verhindern, bei dem er eine Nähe zum Präsidium erkennt. Die Geschäftsführung zog allerdings das Sponsoring über 500 000 Euro einem Darlehen Ismaiks in gleicher Höhe vor. Dass man lieber ein Sponsoring annimmt als einen Kredit, erscheint logisch. Wenngleich dieser nach Ismaiks Angaben mit einem Zins von gerade einmal 0,01 Prozent sogar in vogelwilden Niedrigzinszeiten als ausgesprochen fair hervorstach.

So kam es zum noch größeren Bruch mit Ismaik. Und auf ihn ist die Geschäftsführung regelmäßig angewiesen - er muss Darlehen stunden, um eine positive Fortführungsprognose zu ermöglichen, damit Michael Scharold und Günther Gorenzel keine KGaA-Insolvenz anmelden müssen; und er muss auch in diesem Jahr zum 31. Dezember Darlehen in Genussscheine wandeln, um eine Strafe des Deutschen Fußball-Bundes im sechsstelligen Bereich wegen Verstoßes gegen die Eigenkapitalauflagen zu verhindern. Das hat Ismaik schon zum vergangenen Jahreswechsel nicht getan.

Jetzt will er erst einmal Reisinger stürzen

Das Bizarre, typisch Sechzig: Von den schönen neuen 500 000 Euro konnte nur ein einziger Spieler verpflichtet werden, der Rest musste auch zur Seite gelegt werden, um für die erneut drohende Strafe gewappnet zu sein. Finanzchef Scharold plant mittlerweile konservativ, weil sich seine Hoffnung, in der Euphorie nach dem Drittligaaufstieg für neue Sponsoren attraktiv zu sein, zuletzt nicht erfüllte.

Könnte sein, dass das mit der Außendarstellung der Gesellschafter zu tun hat. Ismaik sagte in seinem Interview: "Für mich ist dieser Verein eine Geldvernichtungsmaschine. Es ist alles undurchsichtig." Und das mitten im vom Präsidium ausgerufenen Konsolidierungskurs - und kurz nachdem Scharold die Etatzahlen in ungewöhnlich detaillierter Art öffentlich und transparent gemacht hatte.

An einer positiven Außendarstellung seines Unternehmens ist Ismaik derzeit eher wenig interessiert, jetzt will er erst einmal Reisinger stürzen und in dessen Folge den Verwaltungsrat, der als noch investorenkritischer gilt als das Präsidium und auf der vergangenen Versammlung mit überaus deutlicher Mehrheit gewählt wurde. Scharold würde der Investor auch gerne absägen. "Was ist in den letzten zwei Jahren unter Reisinger besser geworden?", fragte Ismaik, und selbstredend findet er: "Nichts." Reisinger wollte dazu keine Stellungnahme abgeben, er sagte: "Ich gebe die Antwort auf der Mitgliederversammlung."

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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