1860 empfängt Dynamo Dresden:Risiko-Spiel! Nein! Doch!

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Fragwürdige Ansetzung: Ausgerechnet während des Oktoberfestes kommt an diesem Wochenende Dynamo Dresden mit Tausenden Fans zum Hochsicherheitsspiel gegen den TSV 1860 nach München. Die Polizei äußert Bedenken, verhindert den Termin aber nicht - wohl auch, weil Behörden, DFL und eine beratende Informationsstelle die Gefahr unterschiedlich einschätzen.

Thomas Bierling

Es klingt nach einer zumindest fragwürdigen Idee: Das letzte Wiesn-Wochenende steht an, München erwartet rund eine Million Besucher in der Stadt, die Polizei ächzt vor der Bewältigung der gigantischen Aufgabe. Und dann findet auch noch ein so genanntes "Hochrisikospiel" statt: Am Sonntag (13.30 Uhr), zur besten Wiesn-Zeit, trifft Fußball-Zweitligist 1860 München in der Arena auf Dynamo Dresden.

Verfeindete "Problemfans": Ausgerechnet am letzten Wiesn-Wochenende treffen in München Anhänger des TSV 1860 und von Dynamo Dresden aufeinander.  (Foto: Joerg Sarbach/dapd)

Nach dem Spiel, immer noch zur besten Wiesn-Zeit, drängen die meisten Fans dann in Richtung Theresienwiese. Das Kräftemessen zwischen beiden Klubs hat große Brisanz, was auch das Polizeipräsidium München unumwunden zugibt. "Die Problemfans der beiden Vereine sind verfeindet", erklärt Pressesprecher Gottfried Schlicht. Für die Partie werden 10.000 Dynamo-Anhänger erwartet, die Polizei rechnet mit überwiegend friedlichen Fans, aber auch mit bis zu 300 gewaltbereiten Personen.

Randale vor einer Woche

In München begleitet die Polizei einige Fangruppen auch in die Stadt hinein, eine Überwachung auf dem Oktoberfest ist allerdings schwierig. Der Zutritt zur Wiesn wird ihnen aber nicht verwehrt. "Das ist ihnen nicht verboten - solange alles im Rahmen bleibt", sagt Schlicht. "Die Ordnungsdienste auf der Wiesn können einzelnen Fans natürlich den Einlass verwehren, wenn sie zu betrunken sind oder Straftaten begehen." Zusätzlich zu den beim Oktoberfest anwesenden rund 320 Beamten werden für das Spiel 400 Polizisten eingesetzt.

Die Zwischenfälle mit den Dresdner Problemfans sind in den vergangenen zehn Jahren weniger geworden, es kommt jedoch nach wie vor immer wieder zu Ausschreitungen. Vor einer Woche beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt versuchten 250 teils vermummte Dynamo-Anhänger, die Frankfurter Fans an der Abreise zu hindern. Die Polizei schritt ein, es kam zu Tumulten, drei Polizisten wurden verletzt. Gegen Mitternacht ereignete sich in der Nähe des Stadions erneut eine Auseinandersetzung, diesmal waren 80 Personen beteiligt, neun wurden festgenommen. Über 1000 Beamte waren nach Polizeiangaben bei diesem Spiel im Einsatz.

Die Frage ist: Wieso wird eine solch brisante Partie ausgerechnet auf das letzte Wiesn-Wochenende gelegt? Und wer legt das fest? Um die Polizei nicht zu überlasten, hatte sich der "Münchner Ausschuss Sport und Sicherheit" ursprünglich gegen das Spiel am Wiesn-Wochenende ausgesprochen.

Im Ausschuss sitzen der TSV 1860 und FC Bayern, zusammen mit dem Fanprojekt, dem Kreisverwaltungsreferat - und der Münchner Polizei. "Erfahrungsgemäß muss damit gerechnet werden, dass die fußballtypischen Sicherheitsstörungen durch übermäßigen Alkoholkonsum auf der Wiesn noch verstärkt werden", schreibt die Stadt München zu dem Anliegen des Ausschusses.

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Herrin der Ansetzungen ist jedoch die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Einen Spielplan zu erstellen, ist eine komplexe Angelegenheit, die DFL muss beispielsweise auch die gespiegelten Spieltage beachten. Besonders kompliziert ist dies in München, wo sich 1860 und der FC Bayern die Arena teilen. Um neben den logistischen Faktoren auch die Sicherheit zu beachten, stützt sich die DFL auf die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (Zis), die auch Fußball-Gewalttäter registriert und überwacht.

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Sie wird von der Polizei in Nordrhein-Westfalen betrieben und hat ihren Sitz in Duisburg. Die Zis kategorisiert die Spiele und gibt eine Risikoeinschätzung ab. "Wenn die lokalen Behörden Einwände haben, fließt das natürlich in unsere Bewertung ein", sagt Zis-Sprecher Hans-Jörg Sommerfeld: "Wir sind aber nicht weisungsberechtigt, wir geben der DFL nur Empfehlungen."

Kein behördliches Schreiben"

Die Polizei in München habe sich zusammen mit dem Ausschuss und der Stadt München "eindeutig gegen die Ansetzung ausgesprochen", sagt Schlicht. Merkwürdig: Die Polizei sprach sich zwar öffentlich dagegen aus, dass dieses Spiel stattfindet - schickte aber kein entsprechendes Schreiben an die DFL und wand sich auch nicht an die Zis.

"Der DFL liegt kein behördliches Schreiben vor, wonach die Sicherheitslage eine Durchführung des Spiels an diesem Wochenende ausschließen würde", sagt ein DFL-Sprecher, "vor diesem Hintergrund wurde einvernehmlich mit den Sicherheitsbehörden sowie der Zis der Sonntag als Spieltermin festgelegt." Auf die Einschätzung, dass die Sicherheitslage die Partie "ausschließen" würde, mochte sich die Polizei offenbar nicht festlegen.

1860 hätte indes nichts gegen eine Spielverlegung gehabt: Sie hätte zwar finanzielle Einbußen verursacht, sagt Geschäftsführer Robert Schäfer, "aber damit hätten wir leben müssen. Sicherheit geht eben vor."

© SZ vom 01.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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