Süddeutsche Zeitung

Münchner Derby:Ein bisschen Feuerwerk

Weil eine engagierte Mannschaft des TSV 1860 München nicht über die volle Distanz das Tempo mitgehen kann, unterliegt sie gegen Drittliga-Spitzenreiter FC Bayern II mit 1:2.

Von Christoph Leischwitz

Ein Anflug von Derby war zu spüren rund um das Grünwalder Stadion am Mittwochabend, ein paar Polizisten zu Pferd, schreiende Fans, zumindest in den Fenstern auf der anderen Straßenseite, und in der 70. Spielminute dann auch noch ein kleines Feuerwerk, gezündet hinter der Nordwestecke des Stadions.

Es war schon ein wenig mehr los als sonst bei einem Drittliga-Geisterspiel, das in normalen Zeiten zweifelsohne für stadtweites Kribbeln gesorgt hätte: Der FC Bayern München II als Tabellenführer gegen 1860 München, und der TSV braucht im Kampf um einen Aufstiegsplatz jeden Punkt. Den gab es aber nicht, trotz anfänglicher 1:0-Führung: Die Bayern siegten 2:1 (1:1), die Löwen rutschten auf Rang neun.

Der ebenfalls im Aufstiegskampf befindliche FC Ingolstadt spielte im zeitgleich ausgetragenen Spitzenspiel gegen Waldhof Mannheim 2:0 (1:0); die Tore für Ingolstadt erzielte Stefan Kutschke per Foulelfmeter (42.) und Maximilian Thalhammer (70.). Damit steht die Mannschaft von Tomas Oral drei Spieltage vor Saisonende auf Rang vier.

Die Bayern seien "das stärkste Team der Liga", hatte 1860-Trainer Michael Köllner vor dem Spiel gesagt. Und nach nur 14 Sekunden hatte er die Bestätigung: Nach einer Flanke von der rechten Seite köpfelte Kwasi Wriedt aus kurzer Distanz über das Tor. Der Respekt vor der spielerischen Stärke der Bayern mündete bei den Sechzigern von Beginn an in einer lange bewährten Sechzig-Taktik: viele, sehr viele lange Bälle, egal ob hoch oder flach, auf Sascha Mölders. Wiederum nur eine Minute später hätte sich das beinahe ausgezahlt: Der Löwen-Kapitän legte einen hohen Ball mit dem Kopf perfekt in den Lauf von Timo Gebhart, der allerdings den Ball nicht richtig verarbeiten konnte. Die präzise geschlagenen Bälle übertölpelten die Bayern-Abwehr. Als nächstes stand Stefan Lex plötzlich frei, zögerte allerdings einen Tick zu lange, sodass Bayerns Angelo Stiller seinen Schuss zur Ecke ablenken konnte (7.). Doch es zeigte sich: So viel Respekt musste der Verfolger vor dem Kombinationsspiel des Favoriten gar nicht haben. Die Bayern liefen sich häufig fest, flankten mehrmals ungefährlich in den Strafraum, oft wurden ihre Fernschüsse geblockt. Dagegen wirkten die Sechziger zielstrebiger und schnörkelloser. So fiel auch die verdiente Führung: Dennis Dressel hatte im Mittelfeld den Ball erobert und sofort zu Mölders befördert. Der überwand Bayern-Keeper Ron-Thorben Hoffmann im Eins-gegen-eins mit einem Flachschuss ins kurze Eck (34.). Die Ersatzspieler schrien vor Freude, auch von der Straße hinter der Osttribüne war Jubel zu hören.

Als der Halbzeitpfiff ertönte, jubelten aber dann die roten Auswechselspieler, nach einer eigentlich harmlosen Situation in der Nachspielzeit: Nicolas Kühn hatte einen unpräzisen Steilpass in den Sechzig-Strafraum gespielt, doch Wooyeong Jeong sprintete los und nahm auf kurzer Distanz seinem Gegenspieler Dennis Erdmann mehrere Meter ab. Der Südkoreaner dreht sich um Erdmann herum, schob den Ball quer, und Wriedt erzielte sein 24. Saisontor per Abstauber (45.+1).

Der überraschende Ausgleich hatte offensichtlich die Selbstsicherheit zurückgebracht, die das Spiel der Bayern über weite Strecken seit dem Restart geprägt hatte. Jetzt bekam die Mannschaft von Sebastian Hoeneß öfter Tempo ins Spiel und kam so zu deutlich mehr Abschlüssen. Allerdings blieben die Bayern im Abschluss zu zögerlich: Ein Schuss von Mert Yilmaz wurde geblockt (56.), einer von Kühn ebenfalls (61.), der außerdem zweimal knapp im Abseits stand.

Sechzig blieb nicht ungefährlich, kurz nach dem Feuerwerk hätte der eingewechselte Noel Niemann aus zehn Metern die erneute Führung erzielen können, schoss aber halbherzig in Hoffmanns Arme (72.). Das Mittelfeld hatten nun beide Mannschaften weitgehend aufgegeben, was den jüngeren, flinkeren Bayern zu Gute kam. So kam in der 79. Minute Jeong völlig frei an der gegnerischen Grundlinie zum Flanken, der eingewechselte Malik Tillman köpfelte ein. Da jubelte auch Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic ganz oben auf der Haupttribüne.

Sechzigs Trainer Köllner versuchte wenig später, das Spiel seiner Mannschaft mit einem Dreifachwechsel zu beleben (84.). Sie mussten jetzt das Spiel machen - und kamen nur noch selten gefährlich vor das Bayern-Tor. Am Schluss blieb ein Feuerwerk aus. Und nach dem Schlusspfiff herrschte wieder die ganz normale Geisterspiel-Atmosphäre. Für 1860 bedeutet sie: Das war's wohl mit den Aufstiegsträumen.

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SZ vom 25.06.2020
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