15. Etappe:Slowenische Affäre

15. Etappe: Geschlagen: Titelverteidiger Egan Bernal (r.).

Geschlagen: Titelverteidiger Egan Bernal (r.).

(Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Die beiden Slowenen Tadej Pogacar und Primoz Roglic dominieren auch hinauf zum Grand Colombier. Der Titelverteidiger Egan Bernal erleidet dagegen eine der bislang schwersten Niederlagen in seiner noch jungen Karriere.

Von Johannes Knuth, Grand Colombier/München

Auch in der bislang schwersten Niederlage seiner noch jungen Karriere büßte Egan Bernal nichts von seiner Ehrlichkeit ein. Er trug keine Sonnenbrille, um seine Emotionen zu verstecken, er scheuchte auch das Begleitmotorrad mit der TV-Kamera nicht hinfort, so wie das viele Fahrer tun, wenn sie am Berg in eine schwere Krise stolpern. Bernal biss sich auf die Lippen, er rollte die Augen, er ging aus dem Sattel und schob sich schweren Trittes den letzten Anstieg des Tages hinauf. Manchmal wirkte er fast etwas verträumt, als denke er gar nicht mehr an diesen vermaledeite Quälerei, sondern überlege, ob er zu Hause eigentlich alle Herdplatten ausgeschaltet habe. Zeit dafür hatte er jedenfalls, noch waren es rund 13 Kilometer hinauf bis zum Ziel. So früh war der 23 Jahre alte Vorjahressieger aus Kolumbien aus der Gruppe der Favoriten gepurzelt und konnte nun verarbeiten, dass es mit der Titelverteidigung bei dieser 107. Tour de France ganz sicher nichts mehr werden wird.

Diese 15. Etappe am Sonntag ging durchaus als heimliche Königsetappe durch. Erstmals stand die "Pyramide von Bugey" im Programm, ein imposantes Massiv im Juragebirge, das die Fahrer über drei verschiedene Zufahrtswege erkundeten, am Ende auf dem 17 Kilometer langen Anstieg hinauf zum Grand Colombier. Und diese Plackerei brachte wie erwartet die nächste Vorentscheidung: Die letzte Woche der Tour wird wohl eine slowenische Affäre. Primoz Roglic behauptete am Sonntag sein Gelbes Trikot, auch wenn Landsmann Tadej Pogacar seinen Rückstand im Klassement dank seines zweiten Tagessieges am Sonntag etwas zusammenschmelzen ließ, von 44 auf nun 40 Sekunden. "Im Moment scheint Primoz nicht aufzuhalten zu sein", sagte Pogacar, "aber heute hat es Egan Bernal erwischt, vielleicht passiert Primoz das auch noch. Ich werde nicht aufgeben." Pogacar, das nur zur Erinnerung, ist 21 Jahre alt und bestreitet gerade seine erste Tour.

Die deutschen Profis hatten schon vor der Etappe einen aktiven Ruhetag angekündigt, Lennard Kämna (Bora-hansgrohe) war nach zwei aufreibenden Tagen müde, sein Teamkollege Emanuel Buchmann erkältet - eine Attacke Buchmanns auf den kommenden Alpenetappen wird da zunehmend unwahrscheinlicher. Die letzten Ausreißer waren indes schnell eingefangen, dafür schlug Roglic' Jumbo-Visma-Team in den Anstiegen einfach ein zu hohes Tempo an. Frühe Attacken wurden so im Keim erstickt, während ein Konkurrent nach dem andren aus dem Feld tröpfelte: erst der Kolumbianer Nairo Quintana, der fast vier Minuten auf die Tagesbesten verlor, dann Bernal, der sogar siebeneinhalb Minuten aufgebrummt bekam, bald auch Guillaume Martin, die letzte französische Hoffnung im Klassement, der weitere dreieinhalb Minuten verlor. Der Kolumbianer Rigoberto Uran (jetzt Gesamtdritter/1:34 Minuten zurück) war einer der wenigen Gewinner im ausgedünnten Favoritenfeld, aber auch er war chancenlos gegen Roglic und Pogacar, die den Tagessieg im Zielsprint unter sich ausmachten. Am Montag haben die Favoriten etwas mehr Zeit, diesen aufwühlenden Tag zu verarbeiten: Dann wartet der zweite Ruhetag.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: