1. FC Nürnberg:Ungenauigkeiten und Applaus

1. FC Nürnberg v FC St. Pauli - Second Bundesliga

Am Boden: Iuri Medeiros (l.) und seine Nürnberger scheitern an der Abwehr von Daniel Buballas St. Pauli.

(Foto: Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images)

"Wenn wir eine Spitzenmannschaft wären, dann hätten wir heute gewonnen": Der Club spielt gegen St. Pauli nach einfachen Fehlern nur 1:1 - und verpasst so den Anschluss an die Aufstiegsplätze.

Von Thomas Hürner

Eineinhalb Jahre sind eine lange Zeit im Fußball, für die Anhänger des 1. FC Nürnberg dürften sie sich anfühlen wie eine halbe Ewigkeit. So lange warten sie und ihr Club bereits darauf, auf einen Sieg einen weiteren folgen zu lassen. Aber zum Verdruss aller, die es mit der Heimelf hielten, misslang auch der neuerliche Versuch am Sonntag gegen den FC St. Pauli. Unnötigerweise, muss man sagen, für die Nürnberger wäre nämlich mehr möglich gewesen als das 1:1 nach Toren von Viktor Gyökeres (23. Minute) und Hanno Behrens (51.). Club-Trainer Damir Canadi sprach von einer "hervorragenden Leistung" und davon, dass man sich zumindest spielerisch der Spitze in der zweiten Liga annähere. Das Nürnberger Publikum dürfte das ähnlich empfunden haben, es bedachte die Mannschaft nach dem Schlusspfiff mit Applaus und nicht mit Pfiffen, die es in dieser Saison ja auch schon gab.

Bereits vor der Partie hatte Canadi angemahnt, dass selbst beim sehr überzeugenden 4:0 am vergangenen Montagabend gegen Hannover 96 phasenweise die Balance gefehlt habe, wobei er den Begriff "Balance" wenig später in "Ballbesitz" übersetzte und seine Hoffnung ausdrückte, gegen St. Pauli deutlich mehr davon zu haben. Für die Umsetzung dieser Maßgabe sei es übrigens völlig egal, ob seine Mannschaft nun wie in den vergangenen beiden Spielen mit Vierer- oder wie zuvor mit einer Dreierabwehrkette aufläuft - die grundsätzliche Spielidee bleibe von derartigen Bagatellen ja ohnehin unberührt, hatte Canadi sinngemäß gesagt.

Die lästige und eigentlich irrelevante Systemfrage beantwortete der Österreicher dann jedenfalls mit einer Viererkette, es war personell dieselbe wie gegen Hannover. Viel schwieriger dürfte Canadi hingegen die Entscheidung gefallen sein, ob er den zuletzt so erfrischend aufspielenden Robin Hack von Beginn an aufstellt oder nicht. Der U21-Nationalspieler hatte aus dem Hannover-Spiel muskuläre Probleme mitgenommen, für Canadi überwog letztlich der sportliche Mehrwert gegenüber dem Risiko.

In der Vorstellung des österreichischen Trainers ist Ballkontrolle ein notwendiges Instrumentarium für fußballerische Dominanz, und eigentlich wären im Nürnberger Kader einige Voraussetzungen dafür gegeben, diese Grundidee auch in Erfolg zu überführen. Einzig: In der ersten Halbzeit gab es dafür wieder zu viele Ungenauigkeiten im Aufbauspiel des Clubs, weshalb der Gegner die eigene Hälfte ohne große Mühe so verdichten konnte, dass für die Männer in den rot-schwarzen Trikots nur wenig Raum zum Kombinieren blieb.

Und dann wären natürlich noch Dissonanzen zu nennen wie jene, die dem Führungstreffer St. Paulis vorausging. Auch im fußballerischen Zeitalter des Videoassistenten sollte eigentlich so lange konzentriert weitergespielt werden, bis der Schiedsrichter pfeift - in der 23. Minute hob der Linienrichter aufgrund einer vermeintlichen Abseitsstellung die Fahne, für die Nürnberger offenbar ein Anlass, nur halbkonzentriert weiterzuspielen, weil sie sekündlich mit einem Pfiff des Schiedsrichters Lasse Koslowski rechneten. Dieser erfolgte jedoch nicht, Viktor Gyökeres traf im Strafraum zum 1:0 für St. Pauli. Nach Überprüfung des Videoassistenten wurde die Entscheidung unter lauten Protesten der Club-Spieler für richtig erklärt. Der Nürnberger Torwart Christian Mathenia drückte den Unterschied zum analogen Fußballzeitalter so aus: "Der Videobeweis ist ja eigentlich dafür da, dass man weiterlaufen lässt und dann überprüft." Man konnte es aber auch so sehen wie der Kapitän Behrens: "Wir müssen einfach weiterspielen - und am Ende war's halt kein Abseits."

In der Folge erhöhten die Nürnberger den Druck und erarbeiteten sich auch die ein oder andere Torchance. Nach einer Kopfballabwehr des St. Pauli-Torwarts Robin Himmelmann kam Club-Kapitän Behrens aus 30 Metern zum Schuss, er verfehlte das leer stehende Tor aber knapp. Die beste Möglichkeit hatte Angreifer Hack, sein Versuch wurde von Himmelmann an die Latte gelenkt. "Wir hätten nicht mit einem Rückstand in die Pause gehen müssen", sagte Behrens, der dann selbst in der zweiten Halbzeit mit einem leicht abgefälschten Schuss den Nürnberger Ausgleich erzielte (51.). Am Ende standen für die Nürnberger 54 Prozent Ballbesitz, ein Schuss an den Innenpfosten von Angreifer Hack sowie weitere vergebene Chancen zur Führung. Die Heimelf hatte aber auch Glück, dass Borys Tashchy in der letzten Minute nicht freistehend vor Mathenia den Siegtreffer für St. Pauli erzielte.

Wie dieser Sonntagmittag nun zu bewerten ist? Club-Trainer Canadi jedenfalls sagte: "Wenn wir eine Spitzenmannschaft wären, dann hätten wir heute gewonnen."

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