1. FC NürnbergFrust zum Fest

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Auf dem Weg von der Lorenzkirche zum Stadion: der Fanmarsch vor dem Spiel gegen Elversberg.
Auf dem Weg von der Lorenzkirche zum Stadion: der Fanmarsch vor dem Spiel gegen Elversberg. (Foto: Daniel Marr/Zink/Imago)

An seinem 125. Geburtstag verliert der 1. FC Nürnberg trotz Führung 1:3 gegen die SV Elversberg. Vor allem zwei Statistiken lassen tief blicken.

Von Sebastian Leisgang

Nach allem, was man weiß, lag 1954 keine Maske hinter dem Tor bereit, als Helmut Rahn aus dem Hintergrund schoss. Und 1974, als Gerd Müller aus der Drehung traf, hüpfte er bloß in die Luft und riss die Arme nach oben. Es war Freude in Reinform, ein authentischer Ausdruck eines Hochgefühls, das einen nach einem Tor nun mal übermannt. In der guten alten Schwarzweiß-Zeit gab es das ja noch nicht: dass ein Jubel inszeniert wurde, dargeboten wie eine Szene auf einer Theaterbühne.

Miroslav Klose, 46, hat seine Tore früher zwar auch nicht gerade auf schlichte Art und Weise bejubelt, als er Richtung Eckfahne lief und einen Salto schlug – eine Maske hat er in all den Jahren seiner langen Karriere aber auch nie zur Hand genommen.

Am Sonntag lief dann die 44. Minute im Spiel zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SV Elversberg, als sich auch Janis Antiste Richtung Eckfahne aufmachte. Soeben hatte Nürnbergs Stürmer mit einem Fallrückzieher das 1:0 für seine Mannschaft erzielt, jetzt ließ er sich eine Spiderman-Maske nach Art des früheren Weltklasse-Stürmers Pierre-Emerick Aubameyang reichen, hielt sie sich vors Gesicht und lief zu den Fans. Es war ein feierlicher Moment an einem an feierlichen Momenten nicht gerade armen Nachmittag.

Der Club beging gegen Elversberg ja seinen 125. Geburtstag und bot zu diesem Anlass ein Spiel, das ihm wie auf den Leib geschneidert war. Oder hätte es wirklich zum 1. FCN gepasst, wenn er zum Jubiläum gewonnen hätte, noch dazu durch dieses traumhafte Tor per Fallrückzieher?

Es wäre wohl ohnehin zu viel des Guten gewesen, und so verspielte Nürnberg seine Halbzeitführung auf standesgemäße Art und Weise und verlor am Ende 1:3. „Ich habe mir das alles anders vorgestellt, auch für die Fans“, sagte Klose später und wirkte ernsthaft angefasst. Dann wies Nürnbergs Trainer auf zwei Statistiken hin, die ziemlich tief blicken lassen: „Wenn man über die Saison 25 Punkte nach Führungen liegen lässt, ist das schon Wahnsinn. Ich habe das vorhin erst gehört, und es hat mir fast die Schuhe ausgezogen“, gestand Klose und fügte dann noch an: „Wir haben in den letzten fünf Spielen viermal drei Gegentore bekommen, das sagt schon alles.“

Verspielte Führungen, eine Flut an Gegentreffern und obendrein ein lahmendes Offensivspiel: Es sind gleich mehrere Themen, die den 1. FC Nürnberg im Frühjahr 2025 umtreiben. Am Tag des Elversberg-Spiels trat die Gegenwart aber in den Hintergrund. Der Club feierte sich selbst und fuhr zu seinem Geburtstag alles auf, was er zu bieten hat. Um das Format dieses großen und ruhmreichen Vereins zu begreifen, genügte es schon, am Sonntagnachmittag auf der Tribüne des Max-Morlock-Stadions zu sitzen und die Choreografie auf sich wirken zu lassen. So viele Fahnen! So viele Kehlen, die die Hymne singen! Was für Szenen! Was für Momente! Selbst Klose, als Mittelstürmer weit gereist, war überwältigt. „Ich hätte mir gewünscht, noch mehr Zeit zu haben, um es zu genießen“, sagte Nürnbergs Trainer und war hin und weg.

Schon am Samstagabend hatte es einen Festakt im Rathaus gegeben, zu dem Vereinslegenden aller Generationen zusammenkamen – und am Sonntagvormittag versammelten sich rund 10 000 Anhänger für einen Fanmarsch von der Lorenzkirche zum Stadion, um ihrem Verein zu huldigen. So entfaltete der Club seine ganze Wucht und seine gesamte Faszination, die sich auch daraus speist, dass der FCN ein gleichermaßen einzigartiger wie eigenartiger Klub ist.

Niemand kann ja ernsthaft bestreiten, dass Nürnberg ein ziemlich sonderbarer Verein ist – und das liegt bei weitem nicht nur daran, dass es der FCN 2008 tatsächlich fertigbrachte, als Pokalsieger abzusteigen. Der Club ist ebenso oft deutscher Meister geworden, wie er aus der Bundesliga abgestiegen ist (neunmal). Er hat schon mal ein Tor kassiert, das gar keines war (Helmers Phantom-Tor 1994). Und er hat mal einen Teil seiner Mannschaft entlassen und nicht seinen Trainer, als die Spieler mit Coach Heinz Höher über Kreuz lagen (Spielerrevolte 1984).

All das ist ein wesentlicher Teil der Nürnberger Geschichte – und nun auch, jedenfalls als Randnotiz, der Maskenjubel von Janis Antiste gegen Elversberg.

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