Club verliert in Fürth:Ohnmacht im Ronhof

Club verliert in Fürth: Zum Rapport vor der Kurve: Kapitän Christopher Schindler (vorne) und seine Nürnberger Kollegen nach der Derbyniederlage.

Zum Rapport vor der Kurve: Kapitän Christopher Schindler (vorne) und seine Nürnberger Kollegen nach der Derbyniederlage.

(Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

Das 0:1 im Frankenderby lässt tief in die Seele des 1. FC Nürnberg blicken. Die Krise setzt dem Club mehr und mehr zu, die Spieler wirken wie gelähmt. Wie ist der Mannschaft jetzt noch zu helfen?

Von Sebastian Leisgang

Der Stadionsprecher der SpVgg Greuther Fürth wusste, dass er das jetzt nicht bringen konnte. Die Leute, die es mit dem Kleeblatt halten, hätten es ihm zwar nicht nur nachgesehen, sie hätten ihm vermutlich sogar gehuldigt - aber der generelle Aufschrei wäre einfach zu groß gewesen. Fürths Stadionsprecher konnte das wirklich nicht durchziehen: vor dem Spiel die Aufstellung des 1. FC Nürnberg zu unterschlagen und einfach nur darauf hinzuweisen, dass die Fürther ned allaans spielen.

Er rang sich also doch dazu durch, die Namen zu verlesen, er ließ es sich aber erst nicht nehmen, den Club bloß "die anderen" zu nennen - und die Nürnberger Startformation dann in einer Tonlage vorzutragen, dass man mit geschlossenen Augen beinahe hätte meinen können, man sei auf einem Friedhof.

Knapp zwei Stunden später waren es dann die Nürnberger, die derart bedrückt daherkamen, als ob sie nicht nur ein verlorenes Fußballspiel betrauerten, sondern einen Verlust, der eine tiefe Wunde hinterlassen hatte. In der Nachspielzeit war Ragnar Ache zum Helden des 270. Frankenderbys aufgestiegen und hatte den Club mit dem entscheidenden 1:0 noch tiefer in die Krise gestürzt. Nach dem Abpfiff war es dann ein äußerst vielsagendes Bild, das sich den Zuschauern bot. Hier die Fürther, die sich in einer Traube aus Spielern und Funktionären versammelten und sich gegenseitig um den Hals fielen - und dort die Nürnberger, über die gesamte Hälfte des Spielfelds verstreut, die einen entkräftet auf dem Boden liegend, die anderen enttäuscht über den Rasen schleichend.

Bei den Aussagen von FCN-Kapitän Schindler wird klar, dass beim Club Panik um sich greift

Als Christopher Schindler später in die Katakomben des Fürther Ronhofs kam, war ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihn das Spiel aufgewühlt hatte. Nürnbergs Kapitän war sichtlich betroffen, fand aber auch in der Stunde der Niederlage Worte, die deutlich werden ließen, was dem Club gerade zu schaffen macht: Panik.

Schindler war nicht wütend, er klang auch nicht mahnend. Da stand niemand, der einen Appell an seine Mitspieler richtete - Schindler, 32, flehte. "Nur zu hoffen, dass wir zu null spielen, das reicht nicht", sagte der Innenverteidiger und ließ dann noch ein paar Sätze folgen, die zwar ein Aufruf sein sollten, aus denen aber eher Verzweiflung sprach. "Wir dürfen uns nicht gegenseitig im Stich lassen", sagte Schindler, "das ist ungewollt, das macht keiner mit Absicht, aber um aus dieser Situation rauszukommen, müssen wir mutiger sein."

Angst kann beflügeln, wenn sie einem Beine macht. Angst kann aber auch lähmen, und das ist, was gerade beim 1. FCN zu beobachten ist. Während die Fürther nicht nur mit dem glänzten, was Trainer Alexander Zorniger hinterher "unfassbar viel Intensität" nannte, bekam der Club keinen Fuß auf den Boden. Manch ein Nürnberger war derart abwesend, dass man über weite Strecken des Derbys tatsächlich den Eindruck haben konnte, Fürth spiele allaans, während "die anderen" nur darauf warten, dass es endlich vorbei ist.

"Wir haben Fürth kaum Fragen gestellt. Die erste Halbzeit war ganz schlecht", gestand Schindler und offenbarte dann, dass es auch eine gewisse Ohnmacht ist, die in der Nürnberger Kabine mittlerweile um sich greift. Die Frage, wie dieser Mannschaft jetzt noch zu helfen ist, wird mit jedem weiteren Spiel immer schwieriger zu beantworten. In Schindlers Augen ist es nur die Flucht nach vorne, die dem Club noch bleibt: "Ich glaube nicht, dass es die Einstellung ist, die fehlt. Ich glaube auch nicht, dass es jemanden gibt, der nicht verstanden hat, wie ernst es ist. Wir denken aber, wir sind in einer gefährlichen Situation und dürfen deshalb keine Fehler machen - und das muss aus den Köpfen raus."

Wer Schindlers Worten in den Katakomben des Ronhofs folgte, merkte, wie besorgt Nürnbergs Kapitän inzwischen ist. Sein Trainer hingegen wirkte beinahe so, als nehme er eher schulterzuckend zur Kenntnis, dass seine Mannschaft mit ihrer Vorstellung schon wieder große Rätsel aufgegeben hatte. Als Markus Weinzierl nach dem Derby gefragt wurde, wie bedrohlich er die Lage finde, entgegnete er: "Mit einem Erfolgserlebnis dreht sich das auch wieder schnell. Und ich hoffe, dass wir uns das am Mittwochabend holen."

Dann trifft sein Team im Achtelfinale des DFB-Pokals auf Fortuna Düsseldorf, einen Gegner, mit dem es der FCN zuletzt im Oktober 2015 in einem K.o.-Spiel zu tun hatte. Auch damals war Nürnberg Zweitligist, doch die Partie fiel in eine Zeit, in der sie am Valznerweiher noch wussten, dass es so etwas wie ein Offensivspiel braucht, um Tore zu schießen. Der Club führte schon zur Pause mit 4:0 und gewann am Ende 5:1. Wie weit das derzeit weg ist, zeigt alleine ein Blick auf die damaligen Torschützen: Guido Burgstaller, Danny Blum, Hanno Behrens, Tim Leibold und Niclas Füllkrug - diese Namen rief Nürnbergs Stadionsprecher den Fans gewiss mit mehr Verve und Elan zu, als es sein Fürther Kollege am Samstagabend im Ronhof tat.

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