1. FC Nürnberg:Spaziergänge fürs Image

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Interessiert an nachhaltigem Engagement: Nürnbergs Offensivspieler Nikola Dovedan (links) will demnächst ein paar Bäume pflanzen. (Foto: Heiko Becker / imago)

Mit einem Portal will der 1. FC Nürnberg sein soziales und ökologisches Engagement ausbauen.

Von Christoph Ruf

Hinter der deutschlandweiten Initiative "Zukunft Profifußball" stehen über 2600 Fanklubs. Sie alle haben sich in der Corona-Krise Gedanken über den Fußball gemacht und einen opulenten Forderungskatalog erarbeitet, der von einer fairen Verteilung der TV-Gelder bis zu Klimaschutz-Maßnahmen reicht. Immerhin eine Fan-Forderungen ist auch bereits übererfüllt. Zumindest beim 1. FC Nürnberg. Die Initiative fordert mindestens "einen Verantwortlichen im Corporate-Social-Responsibility-Bereich" pro Verein - der Begriff bezeichnet das soziale und ökologische Engagement von Unternehmen. Beim Zweitligisten gibt es hier schon jetzt fünfeinhalb Planstellen.

"Wir möchten unser soziales Engagement ausbauen", sagt Katharina Fritsch, die Verantwortliche dieses Bereichs bei den Franken. Vor einigen Tagen hat der FCN die Seite "unserclub.de" online gestellt, die als Portal für alle einschlägigen Aktivitäten dient: "Wir wollten einen leichten Zugang zu möglichst vielen Projekte schaffen, bei denen sich Menschen treffen können, die etwas Gutes tun wollen."

Dabei werden schon jetzt unter dem Dach des Vereins gemeinnützige Aktionen angeboten. Vom Yogatraining bis zum Abnehm-Programm für "(XX)XL-Clubberer", die als Mindestanforderung einen Bauchumfang von 100 Zentimetern nachweisen müssen. Es gibt Fußballmannschaften für Flüchtlinge und für Menschen mit geistigen Behinderungen, letztere wird trainiert von Ex-Profi Jörg Dittwar, der von 2009 an in gleicher Funktion für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) arbeitete. Im Gedenken an einen jüdischen Ex-Trainer wird jedes Jahr der "Jenö-Konrad-Cup" ausgespielt, im Juni 2019 nahmen an der Gedenkstättenfahrt zum Arbeitslager Flossenbürg 40 Club-Fans teil. Dass 14 Monate später öffentliche Trauerbekundungen aus der Fanszene für einen verstorbenen Neonazi publik wurden, empört in Nürnberg noch heute viele Anhänger, die ihren Verein seit Jahren gegenteilig positioniert sahen. Geschäftsführer Niels Rossow war 2019 selbst nach Flossenbürg gekommen und hatte von seinen positiven Erfahrungen im multikulturell geprägten New York berichtet. Vor seiner Zeit beim Club war der ehemalige Repräsentant eines Sportartikelherstellers dort beschäftigt.

"Er war es auch, der die Idee mit dem Koordinierungs-Portal hatte", sagt Fritsch. Dort sei er auf die Seite "Afropunk Army" aufmerksam geworden, mittels derer sozial benachteiligte Menschen in Brooklyn Hilfsangebote koordinierten. Nach dem gleichen Prinzip funktioniert nun "unserclub.de", wo schon wenige Tage nach dem Start Fans und Mitglieder mitteilen, wann und in welchem Stadtteil sie zum Beispiel zur Verfügung stehen, wenn ältere Menschen eine Begleitung beim Spazierengehen wollen. Das anfängliche Staunen vieler Senioren, dass sich Fußballfans um sie kümmern, sei seit dem ersten Lockdown kaum mehr zu beobachten, erzählt Fritsch. Schon damals hatten Club-Fans Einkäufe für Rentner erledigt.

Nicht nur in Nürnberg hat der Profifußball das Thema des sozialen und ökologischen Engagements in den vergangenen Jahren für sich entdeckt. In der Bundesliga gelten Vereine wie der VfL Wolfsburg oder Werder Bremen als Vorreiter. Dass dabei nicht nur Menschenliebe, sondern auch die Sorge um das Image eine Rolle spielt, versteht sich von selbst. Gerade in Zeiten, in denen die Bilder von sündteuren 600-PS-Autos der Stars nicht überall für Freude sorgen, sind die Pressestellen nicht traurig, wenn sie - wie es der BVB 2019 tat - verkünden können, dass im Stadionbetrieb 11 400 Kubikmeter Wasser weniger verbraucht wurden als in der Vorsaison. Auch Club-Geschäftsführer Niels Rossow gibt im persönlichen Gespräch unumwunden zu, dass es gegenüber Sponsoren kein schlechtes Argument sein muss, wenn die Reichweite des eigenen Vereins weit in die Zivilgesellschaft hineinreicht.

Zudem sind derlei Aktivitäten auch ein Signal nach innen, in Richtung der eigenen Fans und Mitglieder. Wer sich in den Fankurven umhört, erfährt, dass die Verbundenheit zu einzelnen Profis erodiert ist, die Bezeichnung "Söldner", der jede Saison das Trikot wechselt, ist kein Vorwurf mehr, sondern eine gelangweilte Feststellung. Ungebrochen ist hingegen bei vielen Fans die Identifikation mit dem Verein als abstraktem historischem Gebilde. Und das eben umso mehr, wenn dieser auch außerhalb der Spieltage erlebbar wird.

Den Einsatz von Fußballern muss das auch in Nürnberg nicht ausschließen - Verteidiger Georg Margreitter, der sich für ökologisch nachhaltiges Bauen interessiert, Hanno Behrens oder Pascal Köpke hat Katharina Fritsch bereits angesprochen. Nikola Dovedan ist schon einen Schritt weiter. Der Offensivmann will demnächst ein paar Bäume pflanzen.

© SZ vom 13.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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