Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Sechs Tore gegen Frust und Abstieg

Der Club schlägt Wiesbaden auch dank drei Treffern von Robin Hack und verlässt vorerst den Relegationsplatz.

Von Sebastian Fischer

Die Erlösung war Robin Hack von den Lippen abzulesen. "Ja, Mann!", brüllte der Angreifer des 1. FC Nürnberg, zwei Wörter, die er sehr lange nicht mehr gedacht, geschweige denn gerufen haben dürfte. Aber diesmal waren sie durchaus berechtigt. Hack hatte noch vor der Halbzeit zum 3:0 beim SV Wehen Wiesbaden getroffen. Es war sein zweites von drei Toren beim 6:0 (3:0)-Sieg. Und es ging ja immerhin darum, den größten Misserfolg in der jüngeren Vereinsgeschichte zu verhindern.

Der FCN ist im Sommer 2019 als Absteiger aus der Bundesliga mit ganz anderen Ambitionen in diese Zweitliga-Saison gestartet, als am 32. Spieltag in einem nahezu leeren Stadion beim SV Wehen Wiesbaden eine Art Endspiel im Kampf gegen den Abstieg auszutragen. Doch da es nun mal so weit gekommen war, dass Nürnberg am Dienstagabend als Tabellensechzehnter beim zuvor nur zwei Punkte schwächeren Siebzehnten antrat, war Hack wenigstens für einen Abend nach dem ersten Sieg seit der Corona-Pause zufrieden.

"Wir haben viel Scheiße fressen müssen in dieser Saison", sagte er im Sky-Interview nach dem Spiel, etwas unappetitlich ehrlich. "Irgendwann reicht's auch mal. Als Team haben wir uns zusammengerauft und uns vorgenommen, das Ruder rum zu reißen, das ist uns heute gut gelungen."

Auch in Wiesbaden war zumindest in einer kurzen Phase des Spiels wieder zu sehen, warum Nürnberg in dieser Saison nicht wie geplant oben mitspielt, sondern mit einem mit 16 Zugängen zusammengestellten Kader weiterhin vom Abstieg in die dritte Liga bedroht ist: Zwischenzeitlich, Mitte der ersten Halbzeit, geriet die Club-Abwehr ins Schwimmen, zweimal musste Torwart Christian Mathenia parieren. Und als würde er auch ein Beispiel für Nürnberger Schwächen liefern wollen, versuchte es Stürmer Michael Frey, einer der 16 Zugänge, kurz vor der Pause frei vor dem fast leeren Wiesbadener Tor mit der Hacke. Der Ball rollte ihm durch die Beine.

Doch zu den 16 Zugängen gehört auch der U21-Nationalspieler Hack, der in einer schwachen Nürnberger Offensive der beste Torschütze ist. Nach sieben Minuten nahm er den Ball am Strafraumrand in der Drehung mit, in einer fließenden Bewegung schoss er ihn in die lange Ecke. In der 41. Minute lief er wieder an einer ungeordneten Abwehr vorbei allein aufs Tor zu, und obwohl Wiesbadens Torhüter Heinz Lindner den Schuss noch abfälschte, flog der Ball zum 3:0 über die Linie. Davor hatte Verteidiger Asger Sörensen mit einem Kopfball nach einem Eckstoß zum 2:0 getroffen. Nach der Pause war es wieder Sörensen, der im Nachsetzen den Ball über die Linie drückte. In der 65. Minute erzielte Hack das 5:0. Und der eingewechselte Adam Zrelak erhöhte in der 83. Minute auf 6:0. In der zweiten Halbzeit war es ein derart einseitiges Spiel, wie man es vielleicht vor der Saison erwartet hätte.

Hack hatte in neun Spielen zuvor nicht getroffen, die ganze Nürnberger Mannschaft hatte seit der Saisonunterbrechung nur vier Tore erzielt, zwei davon Eigentore. Nun steht Hack bei zehn Saisontreffern - und der FCN hat mindestens bis Mittwochabend eine um vier Tore bessere Tordifferenz als der Karlsruher SC, der mit einem Spiel und drei Punkten weniger vorerst den Relegationsplatz belegt, auf den Nürnberg nach einem 0:1 am Samstag im Derby gegen Greuther Fürth abgerutscht war.

Trainer Jens Keller brachte fünf Neue in der Startelf, unter anderem Sörensen für den angeschlagenen Verteidiger Dinos Mavropanos. Er stellte Johannes Geis auf, den er zuvor nach enttäuschenden Leistungen auf die Bank gesetzt hatte, und Geis bereitete drei Tore vor. Frey und Flügelspieler Nikola Dovedan, ebenfalls neu in der Startelf, waren immerhin an jeweils einem Treffer beteiligt. Und auch dass Hack nicht wie zuletzt im offensiven Mittelfeld, sondern auf seiner Stammposition Linksaußen spielte, bewährte sich offensichtlich.

"Wir müssen so weitermachen, Vollgas geben, kein bisschen nachlassen", sagte der 21-Jährige. Nürnberg hat den Klassenverbleib längst noch nicht gesichert, am Samstag ist der Tabellendritte Stuttgart zu Gast. Doch zumindest der direkte Abstieg ohne Relegation ist nun unwahrscheinlich. Der Vorsprung auf Wiesbaden beträgt fünf Punkte. Keller hatte vor dem Spiel gesagt: "Wenn sie gegen uns verlieren, wird es für sie vorbei sein."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4938045
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.06.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.