1. FC NürnbergIm Kleinklein zu etwas Großem

Lesezeit: 4 Min.

„Wir haben ein Spiel verloren, aber wir haben im Sommer einen Weg eingeschlagen – und auf dem bleibe ich“: Club-Trainer Miroslav Klose.
„Wir haben ein Spiel verloren, aber wir haben im Sommer einen Weg eingeschlagen – und auf dem bleibe ich“: Club-Trainer Miroslav Klose. (Foto: Daniel Marr/Sportfoto Zink/Imago)

An Ostern hat sich gezeigt, dass der 1. FC Nürnberg noch nicht bereit für die Bundesliga ist. Doch es sind die größeren Linien, die nach oben führen könnten – und ihren Ausgangspunkt schon vor dem Neuanfang unter Miroslav Klose haben.

Von Sebastian Leisgang

Es war ein ziemlich raffinierter Trick, auf den Miroslav Klose zurückgriff. Schon als Spieler war er ja nie einer, der die Verteidiger mit drei Übersteigern stehen ließ, bevor er den Ball kunstvoll ins Tor schlenzte. Aber instinktiv im gegnerischen Strafraum zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und das Richtige tun, das konnte er wie kaum ein Zweiter. Oft sah man dann ein paar Sekunden später, wie der Ball im Tor lag und Klose einen Salto aufführte – oder ein gewisser Luca Toni an seinem Ohr schraubte.

Als der 1. FC Nürnberg am Ostersamstag 2:3 gegen den SC Paderborn verlor, führte Klose zwar keinen Salto auf – er bewies aber, dass er seinen Instinkt auch knapp neun Jahre nach seinem Karriereende nicht verloren hat. Als Nürnbergs Trainer nach dem Spiel gefragt wurde, ob sich seine Mannschaft mit der Niederlage aus dem Aufstiegsrennen dieser verrückten zweiten Liga verabschiedet habe, sah er die Formulierung verrückte zweite Liga wie eine Flanke kommen. Diese nutzte er dann wie früher, wenn er im gegnerischen Strafraum zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Klose, 46, nahm die Vorlage also auf, legte zumindest rhetorisch drei Übersteiger hin und schlug dann eine ganz andere Richtung ein. Nürnbergs Coach sprach nicht über das Aufstiegsrennen und die Aussichten seines Teams, sondern über die Liga im Ganzen und wie es für ihn ist, in dieser verrückten zweiten Liga zu arbeiten. „Es ist verrückt schön“, sagte Klose, „ich bin begeistert. Wenn ich mich mit den Trainern austausche, was ihr Matchplan war, was sie sich ausgedacht haben und wie wir dann darauf reagiert haben, das macht Spaß.“

Kloses Worte waren ein Loblied auf das Hauen und Stechen der zweiten Liga, in der selbst der Club trotz der Niederlage gegen Paderborn als Tabellenachter zumindest mit einem Auge noch auf die Bundesliga schielt. Nach menschlichem Ermessen dürfte das 2:3 an Ostern allerdings das Ende der Nürnberger Hoffnungen markiert haben, auch wenn sich die zweite Liga dem menschlichen Ermessen schon oft entzogen hat.

Als der Club nach der Länderspielpause erst 1:2 gegen Jahn Regensburg und dann 0:3 gegen den Hamburger SV verlor, schien das Aus im Aufstiegsrennen schon besiegelt zu sein. Dann aber gewann Kloses Mannschaft eine Partie in Kaiserslautern, die sie nach menschlichem Ermessen niemals hätte gewinnen dürfen, und war dem dritten Platz plötzlich so nah wie nie zuvor in dieser Saison.

Inzwischen ist Nürnberg eine ausgezeichnete Adresse für junge Spieler

Das Spiel gegen Paderborn war dann mit dem Titel Verfolgerduell überschrieben, obwohl man in dieser zweiten Liga kaum noch weiß, wer eigentlich wen verfolgt. Seit dem 2:3 sind es nun fünf Punkte, die Nürnberg vom Relegationsrang trennen. Bei nur noch vier ausstehenden Spielen würden es vermutlich nicht einmal Miroslav Klose und Luca Toni als Sturmduo fertigbringen, den FCN noch in die Relegation zu führen. Aber: Wäre der Club überhaupt zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wenn er schon im ersten Jahr unter Klose an der Schwelle zur Bundesliga stehen würde?

In vielen Szenen sei seine junge Mannschaft gegen Paderborn „zu grün hinter den Ohren“ gewesen, sagte Klose und formulierte dann noch einen weiteren interessanten Satz, der über die 90 Minuten am Samstag hinausging. Die Aussage mochte erst einmal trivial daherkommen, doch sie verwies auf die Strategie, mit der sich der Club im Hauen und Stechen einer verrückten zweiten Liga behaupten will. „Wir haben ein Spiel verloren“, sagte Klose, „aber wir haben im Sommer einen Weg eingeschlagen – und auf dem bleibe ich.“

Das Duell mit Paderborn hat Nürnberg zwar vor Augen geführt, dass die Mannschaft noch nicht bereit ist für die Bundesliga, doch die größeren Linien könnten in näherer Zukunft tatsächlich nach oben führen. Wenn der Club den Weg weiter beschreitet, den er noch unter seinem damaligen Sportvorstand Dieter Hecking eingeschlagen hat, dürfte er eines Tages wieder in der Bundesliga spielen.

Es geht darum, die restliche Mannschaft nach den Weggängen von Jeltsch, Tzimas und Castrop beisammen zu halten

Als Hecking im ersten Corona-Sommer 2020 nach Nürnberg kam, war der Club dem Sturz in die Drittklassigkeit bei einem höchst dramatischen Relegationsspiel in Ingolstadt erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit von der Schippe gesprungen. Trotz der Rettung stand der FCN vor seinen eigenen Trümmern, legte sich dann aber ein klares Profil zu und definierte sich als Talentschmiede. Inzwischen ist Nürnberg eine ausgezeichnete Adresse für junge Spieler und Klose der richtige Trainer, um diese jungen Spieler zu formen.

Der frühere Mittelstürmer ist ein ausgewiesener Talentförderer, der im Kleinklein der täglichen Arbeit aufgeht, begeistert an Details feilt und seine Schützlinge damit Schritt für Schritt voranbringt. Vermutlich kennt Klose nicht nur die Schuhgröße jedes einzelnen Spielers – es ist auch anzunehmen, dass er weiß, wer wann abends ins Bett geht und wer eine harte und wer eine weiche Zahnbürste bevorzugt.

Damit Kloses Liebe fürs Kleinklein irgendwann zu etwas Großem führt, geht es für den Club schon jetzt darum, sich für die nähere Zukunft aufzustellen. Und darum, die restliche Mannschaft nach den Weggängen von Finn Jeltsch, Stefanos Tzimas und Jens Castrop beisammen zu halten. Als Klose am Wochenende nach Caspar Jander gefragt wurde, dessen Weg früher oder später in die Bundesliga führen dürfte, sagte er: „Ich weiß, dass da bestimmt irgendwas ins Haus flattern wird, aber ich weiß auch, dass wir standhaft sind.“

Um die verrückte zweite Liga irgendwann hinter sich zu lassen, braucht Nürnberg schließlich Spieler wie Caspar Jander – und einen Trainer wie Miroslav Klose, der seine Schuhgröße kennt und noch so viel mehr über ihn weiß.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Fußball-Regionalliga
:Schweinfurt und Guardiola in einem Atemzug

Der 1. FC Schweinfurt 05 steht nach mehr als 20 Jahren vor der Rückkehr in den professionellen Fußball. Das ist auch das Werk des Trainertalents Victor Kleinhenz.

Von Sebastian Leisgang

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: