Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Rabenschwarz

"Wir haben gerade eine schlechte Phase": Dem Club droht nach dem 0:1 gegen Regensburg langsam, aber sicher eine ähnlich düstere Saison wie die vergangene. Der Fußball-Zweitligist bekommt die elementaren Bausteine nicht auf die Reihe.

Von Johannes Kirchmeier, Nürnberg

"Gut so, Männer!", schrie der Trainer Robert Klauß durchs Max-Morlock-Stadion. Seine Spieler vom 1. FC Nürnberg hatten sich gerade einen Freistoß am eigenen Strafraum erarbeitet - nun schien wieder etwas Ruhe einzukehren in dieser 87. Spielminute am späten Mittwochabend, nachdem die Fußballer des SSV Jahn Regensburg zuvor zunehmend Druck gemacht hatten. "Kurz durchschnaufen und dann wieder Gas!", fügte Klauß an, fast wirkte er schon siegesgewiss.

Doch Klauß' Ausruf verhallte schnell im weitläufigen Stadion. Die Sache mit dem Gasgeben hatte schon das gesamte Zweitliga-Spiel lang nicht funktioniert. Und statt Klauß, 36, jubelte im mittelfränkisch-oberpfälzischen Duell, das auch eines zweier junger Coaches war, eine Minute danach auch noch der 15 Meter weiter rechts postierte Mersad Selimbegovic, 38, ekstatisch. Er freute sich über das sechste Saisontor des Dänen Andreas Albers, das den 1:0 (0:0)-Sieg sicherstellte. Die zuvor punktgleiche Jahnelf überholte die Franken und sprang auf Tabellenrang elf, der Club steht auf Platz 14.

Zum ersten Mal in der Geschichte gewinnt der Jahn beim Club

Es war zu allem Überfluss auch noch der erste Auswärtssieg der Regensburger "in der über 90-jährigen Geschichte von Pflichtspielen" überhaupt beim großen neunmaligen deutschen Meister, schrieb der SSV am Tag danach stolz auf seiner Webseite. Nicht das einzige deprimierende Detail für den Club: "Wir haben gerade eine schlechte Phase", fasste Klauß zusammen. "Jetzt geht es darum, dass wir uns da nach und nach rausarbeiten." Seine Nürnberger sind das einzige Zweitliga-Team, das im Jahr 2021 noch kein Spiel gewinnen konnte. "Wir spüren eine gewisse Wut in der Mannschaft", meinte Klauß.

Der Januar, in dem er die Weichen für eine gelungene Spielzeit stellen wollte, könnte zum rabenschwarzen Monat werden: Am Sonntag müssen die Franken zum Vorletzten und nur noch fünf Punkte schwächeren SV Sandhausen. Dem Club, mit vier Niederlagen und einem Remis (gegen den Ersten Hamburg) ins Jahr gestartet, droht langsam, aber sicher wieder eine ähnlich düstere Saison wie die vergangene - als der Klassenverbleib erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit der Relegation beim FC Ingolstadt gesichert werden konnte.

Coach Klauß zog das niederschmetternde Urteil: "Uns hat der Punch gefehlt vorne und dann hinten in der letzten, in der entscheidenden Szene auch die klare Zuordnung in der Box." Anders gesagt: Es sind die elementaren Bausteine des Fußballs, die sie beim Club gerade nicht auf die Reihe bekommen.

In der verletzungsgeplagten Offensive fehlte diesmal auch Robin Hack

Aus dem Spiel heraus hatten die Nürnberger keine gute Chance, lediglich der eingewechselte Johannes Geis schoss einen Freistoß ans Lattenkreuz. Eine Mitschuld an der Misere trügen die Ausfälle, findet Klauß: Robin Hack (angeschlagen), Felix Lohkemper (Adduktorenprobleme) und Pascal Köpke (Kreuzbandriss) fehlen in der Offensive. Der zu Wochenbeginn verpflichtete Mats Möller Daehli war gegen den Jahn entgegen den Ankündigungen doch noch nicht weit genug für einen Einsatz. Nun berichten mehrere Medien, dass das Sturmtalent Dennis Borkowski vor einer Leihe bis 2022 nach Nürnberg stehe. Borkowski spielt derzeit bei RB Leipzig, wo Klauß bis Sommer 2020 Co-Trainer von Julian Nagelsmann war. Eine Soforthilfe dürfte der 19-Jährige nach neun Bundesliga-Minuten aber nur bedingt sein für den Club, der vom Etat und seinem Anspruch her immer noch zu den Spitzenvereinen der Liga zählt.

Der nach dem 2:5 gegen Hannover 96 aber nun eben erneut deutlichste Abwehrmängel offenbarte: Auch einer von Klauß der Sicherheit wegen installierten Fünferkette um Georg Margreitter gelang es schließlich nicht, kurz vor Schluss die Flanke von Albion Vrenezi zu verteidigen, Albers beförderte diese ungedeckt aus fünf Metern per Kopf ins Tor. Bezeichnend für den Abend war übrigens auch, dass Selimbegovic den Spielzug "eine der wenigen Aktionen heute, die von vorne bis hinten gut gespielt waren", nannte. Sein Jahn war nicht viel stärker als die Nürnberger, doch er war im Schneetreiben robuster - und im entscheidenden Moment war sein Torjäger da.

Fünf Minuten nach dem Abpfiff schallte aus einem Kreis auf dem Spielfeld heraus das Wort "Team" lauthals durchs Max-Morlock-Stadion. Die Nürnberger waren zu diesem Zeitpunkt schon alle in der Kabine.

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