1. FC Nürnberg:Überlebenskampf im Unterhaus

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Für Klose "ein fantastischer Spieler": Caspar Jander (am Ball) steuerte gegen Münster ein Tor und zwei Vorlagen bei. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Caspar Jander prägt das Nürnberger 3:2 gegen Preußen Münster. Nach dem Spiel wehrt sich Sportdirektor Olaf Rebbe gegen eine überhitzte Stimmung, fehlende Geduld mit Trainer Klose und mangelnde Nachsicht mit der jungen Mannschaft.

Von Sebastian Leisgang

Olaf Rebbe kennt das alles. Er weiß ja nur zu gut, wo er vor dreieinhalb Jahren untergekommen ist, für welchen Verein er arbeitet und wie die Menschen in der Region so drauf sind. Der Sportdirektor des 1. FC Nürnberg wird sich möglicherweise nie so ganz anfreunden können mit dem Defätismus, den die Leute hier mit sich herumtragen, und im Grunde würde er am liebsten auch darüber hinwegsehen, wenn sie bei einem Glas, das zu drei Vierteln voll ist, unken, dass es ja zu einem Viertel leer sei. Aber jetzt, nach dem ersten Saisonviertel in der zweiten Fußball-Bundesliga, da will Rebbe doch mal etwas loswerden.

Es ist der Tag nach dem Nürnberger 3:2 gegen Preußen Münster, vor knapp 24 Stunden hat der Club zum dritten Mal in dieser Saison gewonnen. Die 90 Minuten könnten ein Anfang gewesen sein, wenn die Offensive nun tatsächlich in Gang kommt und das zarte Pflänzchen, das der Club nach dem allumfassenden Umbruch derzeit noch ist, in den nächsten Wochen wächst und wächst. Dafür muss es nun gegossen werden, und das tut Trainer Miroslav Klose auf dem Rasen ebenso, wie es Sportvorstand Joti Chatzialexiou und Rebbe in ihren Geschäftsstellenbüros tun, doch der Sportdirektor hat den Eindruck, dass andere kein Wasser hinzugießen, um das Pflänzchen aufzuziehen und gedeihen zu lassen – sondern eher Spiritus.

Er könne nicht so ganz nachvollziehen, welch überhitzte Stimmung sich rund um das Trainingsgelände am Valznerweiher breitgemacht habe, sagt Rebbe, bevor dann im weiteren Gespräch deutlich wird, dass er das nicht nur nicht so ganz nachvollziehen kann – sondern überhaupt nicht. Zum einen findet er: Das Umfeld urteilt recht vorschnell über Klose und gibt ihm damit gar nicht erst die Gelegenheit, sich nach seiner Weltkarriere als Mittelstürmer nun auch als Trainer einen Namen zu machen. Und zum anderen: Die Mannschaft komme in der öffentlichen Bewertung viel zu schlecht weg. Im Sommer gab es ja einen Umbruch, doch die Leute, so nimmt es Rebbe wahr, erwarten schon jetzt einen Durchbruch.

Nürnbergs Sportdirektor sagt deshalb: „Wir haben Leistungsträger abgegeben, und jetzt sollen andere Spieler auf Knopfdruck die Lücken füllen. Da muss man ihnen aber Zeit zugestehen, weil die zweite Liga für viele neu ist.“ Und: „Es gibt sicherlich einfachere Aufgaben, als den Club nach so einem großen Umbruch zu trainieren. Aber ich erlebe Miro als absoluten Teamplayer, der sehr akribisch für den Erfolg des Vereins arbeitet.“

„Am Ende ist die zweite Liga ein Wettbewerb mit ungleichem Besteck.“

Überhitzte Stimmung, fehlende Geduld mit Klose, keine Nachsicht mit der jungen Mannschaft: Es sind gleich mehrere Strömungen, die Rebbe missfallen. Nur: Hat er recht? Ist es tatsächlich so, wie es Nürnbergs Sportdirektor empfindet?

Analysiert man die bisherige Saison mit der gebotenen Nüchternheit, gibt es durchaus Punkte, die für Klose und seine Spieler sprechen. Nürnbergs Trainer hat schon gezeigt, dass er Spielen eine Wende verleihen kann, und auch die Mannschaft hat bereits erahnen lassen, was in ihr steckt – zuletzt am Samstag in der zweiten Hälfte gegen Preußen Münster. Nun könnte man zwar entgegenhalten, dass es der Anspruch des 1. FCN sein muss, einen Aufsteiger zu Hause zu besiegen; dass es aber keine Selbstverständlichkeiten gibt, zeigen die Ergebnisse Wochenende für Wochenende.

Es konnte sich gegen Münster also durchaus sehen lassen, wie Julian Justvan in der Rolle des Antreibers voranging, wie Caspar Jander gegen seinen Jugendklub mit einem Tor und zwei Vorlagen auftrumpfte und wie Stefanos Tzimas schon in der ersten Hälfte immer wieder Torgefahr versprühte. Mit Blick auf die gesamte Saison gehört allerdings auch zur Wahrheit, dass der Club bislang im Schnitt zwei Gegentore kassiert, dass die Mannschaft nur selten Offensivwucht entfaltet und das Spiel nach vorne oft undurchdacht und planlos erscheint. Ist das alles wirklich mit dem Umbruch zu erklären?

Rebbe, das gibt er im Gespräch zu verstehen, hat eine andere Sicht auf die Dinge. Für ihn ist das Glas zu drei Vierteln voll. Zehn Punkte nach den ersten acht Spielen: Damit könne er sehr gut leben, sagt Nürnbergs Sportdirektor und unterstreicht dann, mit wem der Club im Unterhaus der Bundesliga eigentlich konkurriert: „Wir sind in einer Art Überlebenskampf. Das ist ein drastisches Wort, aber am Ende ist die zweite Liga ein Wettbewerb mit ungleichem Besteck.“ Manch ein Zweitligist habe einen Investor, manch einer ein neues Stadion. Der 1. FCN habe weder das eine noch das andere, müsse sich aber trotzdem irgendwie durchschlagen und setze dabei auch noch auf junge Spieler. Ein Weg, auf dem Rückschläge eingepreist sind. Doch das sei in Nürnberg schwer vermittelbar, sagt Rebbe.

Im Grunde will er aber ohnehin nicht über das Umfeld, sondern lieber über die Spieler sprechen. Etwa über Jander, den Klose am Samstag hervorhob. Der 21-jährige Mittelfeldmann, der vom Drittliga-Absteiger MSV Duisburg kam, sei „ein fantastischer Spieler“, der „neben einem ICE“ stehen könne und dennoch „total entspannt“ sei. „So ist er auch auf dem Fußballplatz“, lobte Klose und sagte sogar: „Glücklicher kann ich nicht sein, dass ich so einen Spieler in meinen Reihen habe.“

Mit seiner Ruhe, seiner Ballfertigkeit und seiner Präsenz prägte Jander das Spiel und nährte damit die Nürnberger Hoffnungen, dass sich in dieser Saison doch noch alles fügen könnte. Aber dafür muss das Pflänzchen nun weiter wachsen. Und das geht am besten, wenn dem Club nach der Länderspielpause der nächste Sieg gelingt. Dann heißt der Gegner: SpVgg Greuther Fürth.

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