Natürlich bedankte sich Miroslav Klose nach dem Spiel bei all seinen Spielern per Handschlag, schon bei den beiden Nürnberger Treffern hatte er mit der kompletten Entourage auf der Ersatzbank abgeklatscht. Den Weg in die Gästekurve ging der neue Trainer jedoch nicht – im Gegensatz zu den Spielern, die dort auch brav mit Applaus bedacht wurden. Was durchaus bemerkenswert war nach dieser 2:3-Niederlage, deren Zustandekommen sich für den Club so vertraut anfühlte wie viele Niederlagen der vergangenen Jahre. Dabei hatten sie im Fränkischen doch so darauf gehofft, dass unter dem neuen Coach, dem nach allgemeinem Dafürhalten eine nahezu optimale Vorbereitung gelungen war, der Stimmungsumschwung gelingen könnte. Und nicht nur der.
Tatsächlich war es nicht schlecht anzusehen, was der 1. FC Nürnberg beim Karlsruher SC im ersten Spiel der Zweitligasaison in der ersten halben Stunde auf die Beine stellte. Viel Ballbesitz, eine hohe Zielstrebigkeit – und immer dann, wenn ein Karlsruher den Ball hatte, wurde er unter Druck gesetzt. Das war ganz nach dem Geschmack von Klose, der nach zehn Minuten erstmals in der Coaching Zone auftauchte und sich dort zwei Mal angemessen gelassen freuen durfte: Kanji Okunuki und Florian Pick mit technisch feinem Außenrist-Tor sorgten für eine kommode 2:0-Führung.
Derweil kam der KSC-Torjäger der vergangenen Saison, Igor Matanovic (jetzt Eintracht Frankfurt), mit einer halben Stunde Verspätung im Wildpark an, um den ehemaligen Kollegen die Daumen zu drücken. Nach dem Spiel berichtete er, er habe nach wenigen Minuten gewusst, dass „die Jungs das Spiel noch drehen“. Und mit dem Eindruck war er nicht alleine. „Wir haben nach 35 Minuten aufgehört, Fußball zu spielen“, sagte Klose, der in Karlsruhe ein erhöhtes Medienaufkommen verursacht hatte. „Wir haben nicht mehr den freien Mitspieler gefunden, obwohl die freistanden.“
Ganz schlimm sei es nach dem Anschlusstreffer durch das erste Tor von Budu Zivzivadze kurz vor der Pause geworden. In der Kabine habe man sich vorgenommen, „nicht zurückzuweichen“, doch genau das sei passiert: „Wir haben gefühlt zehn, 15 Meter tiefer gestanden, obwohl das so nicht geplant war.“ Das war eine ebenso schonungslose wie zutreffende Analyse von Klose, dessen Aussagen allerdings so knapp und so allgemein ausfallen, dass eine Exegese schwerfällt – 26 Sekunden dauerte sein Eingangsstatement bei der Pressekonferenz („Fehler analysieren, dann geht es weiter“). Und wie seine angemessen strenge Gesamtbewertung zur an anderer Stelle getätigten Aussage passt, sein Team hätte „das Unentschieden verdient gehabt“, ließ sich so nicht auflösen.
„Wir müssen einfach daran glauben, was wir die ganze Vorbereitung über trainiert haben“, sagt Knoche
Dabei hätte man am Samstag durchaus Argumente dafür finden können, dass der von Klose vorgegebene Weg grundsätzlich der richtige ist. Der beruht auf eigenem Ballbesitz und einer im Vergleich zur Vorsaison höheren Dynamik – beides war über jene 35 Minuten auch auf dem Platz zu sehen. Und glaubt man dem neuen Abwehrchef Robin Knoche, ist das auch der Fußball, den die Mannschaft selbst künftig spielen will, weil sie ihn für erfolgversprechend hält: „Wir müssen einfach daran glauben, was wir die ganze Vorbereitung über trainiert haben.“
Tatsächlich war am Samstag nicht der fußballerische Grundansatz das Nürnberger Hauptproblem, vielleicht nicht einmal das zu starke Zurückweichen nach dem Anschlusstreffer. Auffallend war das schlechte Abwehrverhalten im Strafraum, das dem KSC auch weit mehr Treffer hätte bescheren können. Zudem waren die beiden Außenbahnen fest in Karlsruher Hand. Auf links konnte Neuling Lasse Günther tun und lassen, was er wollte. Und er wollte das Gleiche wie auf der anderen Seite Sebastian Jung: Durch permanente Seitenverlagerungen wurden die Nürnberger ins Laufen gebracht, irgendwann rissen die Lücken auf und es fielen Tore, alle drei durch den gleichen Schützen: Budu Zivzivadze ist der einzige Spieler beim KSC, dessen Nachname bei der Mannschaftsaufstellung zuerst verlesen wird. So können die Fans das lang gezogene „Buuduu“ anstimmen, das beim 3:2-Siegtreffer eine Viertelstunde vor Schluss bis in die Pfalz zu hören gewesen sein dürfte.
Überhaupt Zivzivadze: Der Mann ist ähnlich treffsicher, wie es einst Klose war – und ähnlich schweigsam. In Karlsruhe sind sie jedenfalls heilfroh, dass der klavierspielende Georgier bei der EM kaum zum Einsatz kam. Er wäre sonst wohl längst in höheren oder ausländischen Ligen unterwegs. Matanovic musste man jedenfalls nur kurz auf den früheren Kollegen ansprechen, um eine fachlich-fundierte Analyse zu dessen Treffsicherheit bekommen: „Der ist kein Mensch mehr.“
Etwas weniger metaphysisch sahen derweil die Nürnberger Spieler das Ganze. „Wir machen es ihm auch sehr einfach. Alle drei Tore sind besser zu verteidigen“, sagte Knoche mit der Erfahrung aus 306 Bundesligaspielen. „Ein Spieler, der weiß, wo das Tor steht, nimmt das natürlich an.“