Süddeutsche Zeitung

Markus Weinzierl beim 1. FC Nürnberg:Mann aus der Vergangenheit

Markus Weinzierl ist neuer Trainer in Nürnberg und hat nun erneut die Chance zu beweisen, dass er auch außerhalb Augsburgs Erfolg haben kann. Sportvorstand Dieter Hecking will jedenfalls nicht vom ambitionierten Saisonziel abrücken.

Von Sebastian Leisgang, Nürnberg

Dieses Mal muss sich kein Fünftligist Sorgen machen. Im Sommer 2016 waren die Klubs im Amateurfußball in höchster Alarmbereitschaft, doch dieses Mal können sie in Schwachhausen, Sprockhövel und Stadtallendorf ganz beruhigt sein: Sie müssen sich nicht auf die Suche nach einem neuen Trainer machen, nur weil Markus Weinzierl am Dienstag beim 1. FC Nürnberg eingestiegen ist.

Vor gut sechs Jahren war das ja noch vollkommen anders, als sich Weinzierl einer neuen Aufgabe annahm. Wer damals wusste, welche Dimension die Geschichte hatte, der konnte bei den Stammtischrunden in den Kreisliga-Sportheimen eine besonders gute Figur abgeben. Die Geschichte hatte ja eine fast schon spektakuläre Pointe und ging in sehr verkürzter Form ungefähr so: Markus Weinzierl bringt den Wedeler TSV in Not, indem er den FC Augsburg verlässt und künftig für den FC Schalke 04 arbeitet.

Nach allem, was man weiß, hatte Weinzierl damals nichts Böses im Sinn. Er wollte niemandem etwas heimzahlen, er führte auch nichts im Schilde, vermutlich ahnte er nicht mal, was das alles auslösen würde, als er von Augsburg nach Gelsenkirchen zog. Das Ende vom Lied war aber, dass der Fünftligist Wedeler TSV auf einmal keinen Trainer mehr hatte. Weil Weinzierl damals beim FC Schalke aufschlug, musste sich Augsburg auf die Suche nach einem Nachfolger machen. Den fand der FCA schließlich in Person von Dirk Schuster beim SV Darmstadt 98, der sich wiederum in Bielefeld bediente und Norbert Meier holte. Nun war die Arminia am Zug und verpflichtete Rüdiger Rehm von der SG Sonnenhof Großaspach, die dann an den SV Eichede herantrat. Und Eichede kam dann eben auf die Idee, den Trainer des Wedeler TSV zu engagieren.

Es hieß nicht nur bei Stammtischrunden in Kreisliga-Sportheimen: Der Weinzierl, der kann halt nur Augsburg

Es schadet nicht, all das im Kopf zu haben, denn Weinzierls Vergangenheit spielt eine zentrale Rolle bei dem, was sich nun in der Gegenwart zuträgt. Weinzierl, 47, ist jetzt Trainer des 1. FC Nürnberg und übernimmt damit eine Mannschaft, die nach den ersten zehn Spielen nur mit zehn Punkten dasteht. Die Spieler aufrichten, eine gewisse Leichtigkeit einkehren lassen und eine Fußballidee vermitteln: All das ist es, was Weinzierl nun zu tun hat. Das ist sein Auftrag, das ist das Hier und Jetzt - doch bei alledem schwingt eine Frage mit, die die Vergangenheit berührt. Die Frage lautet: Kann Weinzierl Traditionsverein?

Gut vier Monate ist es jetzt her, seit sich Weinzierl in Augsburg verabschiedet hat. Im April 2021 war er zum FCA zurückgekehrt und hatte dort ebenso Erfolg wie in seiner ersten Amtszeit, in der er mit Augsburg aus dem Abstiegskampf der Bundesliga bis in den Europapokal vorgedrungen war. Weil sich Weinzierl später aber weder auf Schalke noch beim VfB Stuttgart länger als ein Jahr hielt, hieß es nicht nur bei Stammtischrunden in Kreisliga-Sportheimen: Der Weinzierl, der kann halt nur Augsburg.

Als Nürnbergs Neuer am Dienstag mit dieser These konfrontiert wurde, sagte er: "Man muss jede Situation einzeln bewerten." Schalke und Stuttgart seien größer als Augsburg und deshalb, meinte Weinzierl, "in der Aufgabe spezieller". In Traditionsvereinen reden ja oft ein paar Leute mehr mit, die Fans schwelgen gerne in Erinnerungen an frühere Erfolge, und irgendeine Vereinsikone aus alten Tagen weiß es natürlich immer besser. Das erlebt zu haben, sagte Weinzierl, sei nun ein Vorteil - jetzt, da er es beim Club zum dritten Mal in seiner Karriere mit einem großen Traditionsverein zu tun hat. "Die Erfahrungen helfen mir", meinte Weinzierl und nannte die Aufgabe in Nürnberg zwar "nicht einfach" und "eine große Herausforderung" - aber auch "interessant" und "reizvoll".

Sportvorstand Hecking will nicht zu früh vom ambitionierten Saisonziel abrücken

Es waren die richtigen Worte, die Weinzierl da wählte, denn interessant ist das ja tatsächlich: wohin das führt, wenn zwei zueinanderfinden, die was zu beweisen haben.

Er wolle nicht zu früh vom Saisonziel abrücken, sagte Sportvorstand Dieter Hecking, als er am Dienstagnachmittag im Medienraum auf dem Nürnberger Trainingsgelände neben Weinzierl saß und darauf angesprochen wurde, ob er an der Vorgabe festhalte, in diesem Jahr Platz eins bis sechs zu erreichen. "Dass wir das Ziel erstmal hintenanstellen müssen, ist klar", betonte Hecking, "nichtsdestotrotz bleibe ich ambitioniert, und das habe ich auch der Mannschaft gesagt."

Diese Mannschaft hat in dieser Saison schon eine Menge bewiesen - nur nicht, dass auch tatsächlich das drin ist, was außen draufsteht. Trotzdem sind sie in Nürnberg nach wie vor davon überzeugt, dass der Kader, den sie im Sommer zusammengestellt haben, kein Etikettenschwindel ist. Das gilt es in Zukunft zu zeigen. Dass das gelingt, fällt nun in die Verantwortung jenes Mannes, bei dem es jetzt auch um die Vergangenheit geht.

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