1. FC Nürnberg:Urschrei nach abkippenden Zehnern

Karlsruher SC - 1. FC Nürnberg

Der Nürnberger Trainer Robert Klauß versucht seit Monaten, den Club besser zu machen. Aber es gelingt ihm nicht.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Ist die Mannschaft zu schlecht oder der Trainer zu akademisch? Beim Club fragt man sich, ob der junge Trainer Klauß wirklich alles aus seinem Kader rausholt - dabei gibt es auch planerische Defizite.

Von Christoph Ruf

Nach dem Nürnberger 1:0-Sieg in Karlsruhe musste sich Christian Eichner erst mal ein paar Sekunden gedulden. Mit ausgestreckter Hand war der KSC-Trainer auf seinen Nürnberger Kollegen zugegangen, um ihm zu gratulieren. Doch der hatte sich kurz zuvor abgewandt und seine ganze Erleichterung in einen Urschrei gepackt, der noch unter dem gegenüberliegenden Tribünendach bestens zu hören war. Keine Frage, dieser Sieg - erst der zweite in diesem Kalenderjahr - kam keinen Tag zu früh für Robert Klauß.

Ein brillantes, oder auch nur ein vollauf überzeugendes Spiel war es natürlich nicht gewesen, dieses 1:0 durch Mats Möller Daehlis Tor in der Nachspielzeit. Aber das war auch nicht zu erwarten gewesen nach dieser Woche, die mit einem erschreckend schwachen 1:2 gegen St. Pauli und kübelweise Hohn und Spott für seine arg akademisch geratene Analyse, in der Klauß von "breitziehenden" und "abkippenden ballfernen Zehnern" sprach, angefangen hatte.

Nun also dieser Sieg, der durch klassischen Zweitliga-Fußball zustande gekommen war und von den Spielern dementsprechend gefeiert wurde. "Heute ist jeder für jeden gerannt und hat sein Herz auf dem Platz gelassen", betonte Torhüter Christian Mathenia. Und auch der Trainer selbst lobte, dass die Mannschaft "fleißig" gewesen sei und ihr "wahres Gesicht" gezeigt habe. Was natürlich die unangenehme Frage aufwirft, welches Gesicht sie vorher gezeigt hat.

Der Kader, würde Klauß möglicherweise formulieren, wurde asymmetrisch zusammengestellt

Welche Berechtigung Mentalitätsdebatten haben, ist tatsächlich eine Frage. Gegen St. Pauli, streckenweise aber auch in Karlsruhe, fiel durchaus auf, dass einzelne Spieler immer wieder daran erinnert werden mussten, beim Pressing mitzumachen und die gegnerischen Anspielstationen zuzustellen. Insgesamt stimmten die Grundlagen aber. Doch selbst beim miserablen St. Pauli-Spiel liefen die Franken mehr als der Gegner, der trotzdem von Anfang bis Ende ballsicherer und entschlossener wirkte. Bleibt also die Frage, ob diese Mannschaft vielleicht schlicht und einfach nicht viel besser ist als der Tabellenplatz aussagt.

Möglicherweise würde Klauß es so formulieren, dass der Kader asymmetrisch zusammengestellt wurde. Die Topverdiener, ausgestattet mit Verträgen aus dem Bundesligajahr, sind in den seltensten Fällen Stammspieler, zudem sind die Kaderumbauten, die Robert Palikuca im Sommer 2019 mit einem guten Teil des Geldes unternahm, das dessen Vorgänger angehäuft hatte, gescheitert. Und da im Corona-Sommer 2020 kaum Geld da war, um die schlimmsten Fehlstellungen zu korrigieren, präsentiert sich eben eine Mannschaft, die auf vielen Positionen nicht so gut besetzt ist wie das die Anhängerschaft gerne hätte.

Es fehlen viele Verletzte

Die Fans haben den Bundesliga-Abstieg 2019 klaglos akzeptiert, tun sich aber schwer damit zu verstehen, warum ein Kader, der immer noch kostspieliger ist als die der meisten Vereine auf den ersten Tabellenplätzen, gegen den Abstieg spielen muss. Dem Kader fehlt Tempo, in einzelnen Mannschaftsteilen, allen voran der Abwehr, fehlen zudem schlicht Alternativen. Die Malaise im Sturm hat allerdings auch mit Pech zu tun. Hier fehlen in den verletzten Robin Hack, Felix Lohkemper und Pascal Köpke gleich drei potenzielle Stammspieler.

Manch erfahrener Spieler soll von der Positivrhetorik des Trainers irritiert sein

Genau deshalb, so sagen es die FCN-Verantwortlichen, habe man schon im Sommer gewusst, dass das Ziel nur eine sorgenfreie Saison sein könne, mit Blickrichtung nach unten. Ob man schon damals wirklich damit gerechnet hatte, dass man im Februar sorgenvoll auf die Ergebnisse der vier Letztplatzierten gucken würde, sei einmal dahingestellt. So oder so: Die Hoffnungen ruhen nun auf dem Sommer. Dann soll manch ein Gutverdiener von der Gehaltsliste herunter, um trotz der Corona-Delle bei den Finanzen die Korrekturen am Kader vornehmen zu können, die man lieber schon vergangenen Sommer in Angriff genommen hätte.

Bliebe die Frage, ob der Trainer das Optimum aus den vorhandenen Möglichkeiten macht. So übertrieben die Aufregung über die Pressekonferenz nach dem St. Pauli-Spiel auch zuweilen war - Klauß scheint nicht nur beim Fachvokabular ein eher typischer Vertreter seiner Trainergeneration zu sein, die selbst mannschaftsintern gerne zur Positivrhetorik greift. Was zumindest manchen erfahreneren Spieler irritiert haben soll, der weiß, dass eine schlechte Halbzeit auch dann nicht gut war, wenn der Trainer sie lobt.

Auch hier könnte Karlsruhe allerdings einen Wendepunkt markieren. Nach dem Spiel sprach Klauß die fußballerischen Defizite im Nürnberger Spiel offen an. Er ahnt, dass es darauf ebenso am Sonntag gegen den Drittletzten aus Braunschweig nicht ankommen wird. Sondern auf das, was man in Karlsruhe eben auch gesehen hat: Eine Mannschaft, die wieder miteinander kommunizierte, die Zweikämpfe suchte und nicht unverdient gegen ein Team gewann, das bis dato 20 von 24 möglichen Punkten geholt hatte.

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