Eine der zahlreichen Fragen, die dieses Zweitligaspiel begleiteten, war jene, ob sich Justin Justvan im Hamburger Volksparkstadion ein kleines Pfeifkonzert würde anhören müssen. Denn zumindest billigend in Kauf genommen haben der Mittelfeldmann und sein Verein, der 1. FC Nürnberg, so eine Reaktion ja schon, als sie im vergangenen Sommer ein Kurzvideo für die sozialen Netzwerke verfertigten. Justvan zerknüllt darin einen Zettel mit darauf abgedruckten Gerüchten über einen Wechsel zum HSV, wirft diesen zu Boden und sagt: „Hey Club-Fans, ich freue mich auf euch.“
Zugegeben, unter all den Fragen mit Blick auf die Nürnberger Auswärtsreise in die Hansestadt war dieses Rätsel eher nachrangig. Der Vollständigkeit halber sollte es trotzdem gelöst werden: Justvans Mini-Provokation war offenkundig vergeben und vergessen. Und mit den restlichen Ungewissheiten räumte der Club beim 1:1 gegen den HSV nach Treffern von Daniel Elfadli (15. Minute) und Mahir Emreli (63.) am Sonntag dann selbst auf.
Wer gedacht oder gehofft hatte, dass sich die Nürnberger nach zuletzt drei Ligasiegen in Serie in die oberen Tabellenregionen würden heranpirschen können, musste eine zumindest klitzekleine Ergebnisdelle zur Kenntnis nehmen. Fränkischer Defätismus war trotzdem nicht angebracht. Die Befürchtung, der zuletzt rauschhaft aufspielende Club würde sich umgehend in einen tapsigen Deppen zurückverwandeln, war unbegründet: Derart offensivgewaltig war länger kein Team mehr in Hamburg aufgetreten. Selbst wenn die Nürnberger nur in ein, zwei Szenen etwas abgebrühter gewesen wären, wäre ein Sieg noch um zwei, drei Treffer zu niedrig ausgefallen. Oder wie es der umtriebige Spielmacher Justvan formulierte: „Wir haben so, so viele Chancen herausgespielt. Ich kann mich nicht erinnern, so was schon mal erlebt zu haben.“ In Zahlen: 18 Torschüsse, darunter etliche hochkarätige Abschlussmöglichkeiten.
Bereits mit seiner Startelf hatte Club-Coach Miroslav Klose eine Art Statement zur Konstanz abgegeben, im Vergleich zum knappen Pokal-Aus bei der TSG Hoffenheim unter der Woche wurde nahezu derselben Mannschaft erneut das Mandat erteilt. Lediglich Pokaltorhüter Christian Mathenia musste für Jan Reichert weichen und statt des angeschlagenen Berkay Yilmaz besetzte Danilo Soares die linke Außenbahn. Dass sich bei den Nürnbergern zuletzt ein paar sogenannte Automatismen herausgebildet haben, sah man dann unter anderem daran, wie sie immer wieder mal gefährlich ins Angriffsdrittel vordrangen.
Bereits in der dritten Minute tauchte Mahir Emreli allein vor dem Hamburger Torwart Daniel Heuer Fernandes auf, wie all jenen, die es ihm nachmachten, gingen ihm im Abschluss allerdings Ruhe und Präzision ab. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte war es etwa zweimal Stefanos Tzimas, der zum 1:1-Ausgleich hätte treffen können. Jener Tzimas war es allerdings auch, der nach einer Viertelstunde den Ball an den Hamburger Elfadli verlor, welcher daraufhin einen Sprint bis in den Nürnberger Strafraum absolvierte und dort von Adam Karabec bedient wurde - Elfadli traf zum 1:0 ins linke Eck. Die Hamburger mussten auf Einzelaktionen ihrer Einzelkönner zurückgreifen.
„Wenn Nürnberg ein zweites Tor macht, können wir uns nicht beschweren“, sagt HSV-Trainer Steffen Baumgart
Die Nürnberger dagegen fielen durch „sehr gutes, sehr dominantes Spiel“ auf, wie Club-Coach Miroslav Klose hinterher wahrheitsgemäß sagte. Auch zunehmende Schläue und ein besseres „Gefühl für Zweikämpfe“ habe Klose bei seinen Spielern gesehen. Was klang, als würde sich ein Trainer an der steten Verwirklichung von Potenzialen erfreuen, wurde auch ziemlich exakt so umgesetzt: Man konnte der jungen Nürnberger Mannschaft regelrecht dabei zusehen, wie sie mit jeder Spielminute aufrechter und größer wurde – und wie sich das Spiel immer mehr in den Händen von Heuer Fernandes zuspitzte: Zuerst scheiterte Tzimas mit einer Doppelchance, dann Justvan, Emreli und schließlich wieder Tzimas. Nach einer geradezu anmutigen Kombination in den Hamburger Strafraum war es Emreli, dem der hochverdiente Treffer zum 1:1 gelang – und zwar mit einem Gewaltschuss mit links. Beim HSV kam nur Stürmer Davie Selke noch zu einer nennenswerten Gelegenheit.
Davon abgesehen blieb es ein Spiel auf ein Tor, und zwar auf jenes des Hamburgers Heuer Fernandes. „Wenn Nürnberg ein zweites Tor macht, können wir uns nicht beschweren“, sagte HSV-Trainer Steffen Baumgart anerkennend. Und Club-Spielmacher Justvan, der im Hamburger Volksparkstadion keinen einzigen Pfiff hatte ertragen müssen, konnte hinterher stolz vom „nächsten Step“ für sich und sein Team berichten. Sein Wechsel ins Frankenland dürfte sich in diesem Moment sehr, sehr richtig angefühlt haben.